Mutter nach Messerangriff auf Kinder im Maßnahmenvollzug
Seinem Gutachten zufolge war die Wissenschafterin im Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig und damit nicht schuldfähig. Die Frau hätte sich infolge einer "schweren Störung mit Realitätsverlust" eingebildet, dass ihr Lebensgefährte ihr nach dem Leben trachtet und sie vergiften wolle. Als sie ihre Tochter fernsehend auf der Couch sitzen sah, habe sie diese für ihren langjährigen Partner gehalten, meinte der Gutachter.
"Ich hatte das Gefühl, er würgt mich", schilderte die 60-Jährige einem Schöffensenat. Daher habe sie mit dem Messer zugestochen: "Ich wollte mich wehren." Als sie realisiert habe, dass es sich nicht um ihren Mann, sondern ihre Tochter handelte, "habe ich aufgehört".
In diesem Moment hätte sie allerdings Geräusche in ihrem Rücken vernommen und nunmehr einen weiteren Angriff ihres Lebensgefährten befürchtet. Sie hätte sich umgedreht und neuerlich "nicht gezielt hingestochen" - allerdings auf ihren Sohn, der seiner Schwester zu Hilfe kommen wollte.
Mit vereinten Kräften konnten die Geschwister ihrer Mutter die Waffe entwinden. Die 22-jährige Tochter - eine Profisportlerin - erlitt mehrere Schnitt- und Stichwunden im Gesicht und an den Händen, der um zwei Jahre jüngere Sohn eine Wunde an der linken Wange. "Nur durch glückliche Fügung ist es bei leichten Verletzungen geblieben", betonte die Staatsanwältin. Wäre die Mutter zurechnungsfähig gewesen, hätte die Staatsanwältin die sogenannte Anlasstat als versuchte absichtliche schwere Körperverletzung verfolgt.
"Habe es nicht absichtlich gemacht"
"Ich habe es nicht absichtlich gemacht", versicherte die 60-Jährige dem Senat. Sie sei damals stark beruflich und finanziell belastet gewesen: "Ich hatte Stress. Vielleicht ein Burn-out." Mit ihrem Partner habe sie "viel gearbeitet" und "wenig Beziehung" gehabt. Sie habe in der Zeit vor der Tat bemerkt, dass sie sich von ihm verfolgt fühle, sei daher sogar für eine Weile ins Ausland geflüchtet: "Ich hatte Angst, von ihm getötet zu werden."
Was passiert sei, tue ihr "sehr leid", betonte die 60-Jährige: "Ich liebe die Kinder. So etwas wird nicht mehr passieren".
Die Wissenschafterin, die bis zu den inkriminierten Vorgängen nie in psychiatrischer oder medikamentöser Behandlung war, befindet sich seit 31. März in vorläufiger Anhaltung in der Justizanstalt (JA) Josefstadt. Seit sie ihre Medikamente erhält, hat sich ihr Zustand wesentlich gebessert. "Ich nehme die Behandlung an. Ich bin jetzt klar im Kopf. Ich habe keine Ängste mehr", teilte sie dem Gericht mit. Sowohl die Ärzte der JA als auch der psychiatrische Sachverständige teilten diese Einschätzung. "Die Krankheit ist sehr gut behandelbar. Daher ist es möglich, dass man die Unterbringung nach § 21 Absatz 1 StGB unter bestimmten Voraussetzungen bedingt nachsieht", sagte der Psychiater.
Unterbringung bedingt nachgesehen
Das Gericht leistete dieser Empfehlung Folge. Die 60-Jährige bekam die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum bedingt nachgesehen. Sie erhält einen Wohnplatz in einer betreuten Einrichtung, wo engmaschig kontrolliert wird, ob sie weiter ihre Medikamente nimmt. Psychiatrische und psychotherapeutische Unterstützung ist garantiert. Die Frau verpflichtete sich, keinen Alkohol zu konsumieren und sich schnellstmöglich eine Beschäftigung zu suchen.
Zusammenfassung
- Eine 60-jährige Wissenschafterin wurde nach einem Messerangriff auf ihre 22-jährige Tochter und ihren 20-jährigen Sohn in der Nacht auf den 31. März 2025 im Maßnahmenvollzug untergebracht.
- Laut psychiatrischem Gutachten war sie zum Tatzeitpunkt aufgrund einer schweren wahnhaften Störung zurechnungsunfähig und nicht schuldfähig, weshalb das Gericht die Unterbringung bedingt nachsah.
- Die Frau wird in einer betreuten Einrichtung untergebracht, muss Medikamente nehmen, auf Alkohol verzichten und sich einer engmaschigen psychiatrischen Betreuung unterziehen.