APA/APA/THEMENBILD/FRANZ NEUMAYR

Muren durch Klimakrise häufiger, größer und verbreiteter

02. Juli 2025 · Lesedauer 3 min

Durch die Klimakrise werden Muren häufiger, in nicht gekannter Größe und in Gebieten auftreten, die bisher davon verschont waren, sagte Thomas Glade, Experte für Geomorphologie, Risikoprävention und Katastrophenschutz an der Universität Wien im Gespräch mit der APA. Sie bringt nämlich vermehrt extreme Niederschläge. Dann steht in den betroffenen Regionen kurzfristig viel mehr Wasser zur Verfügung als früher, das Geröll und Erdreich mobilisiert und mit ihnen talwärts strömt.

Muren entstehen, wenn ein steiler Hang aus wenig verfestigtem Material mit Wasser "übersättigt" ist, so Glade: "Dann reichen die Kräfte auf einmal nicht mehr aus, die es bisher am Hang gehalten haben". Geröll, Schutt und Erdreich geraten durch die Schwerkraft spontan in Bewegung. "Eine typische Mure hat einen Feststoffanteil von 50 bis 70 Prozent, und die restlichen 30 bis 50 Prozent sind Wasser, erklärte er: Es gibt sogenannte Gerinne-Muren, die im Bett eines Wildbaches abgehen, und Hangmuren, die keinem klar definierten Weg folgen.

Wie bei Überschwemmungen gibt es Muren in unterschiedlichen Größenordnungen, die bisher im Schnitt zum Beispiel alle hundert, fünfhundert oder tausend Jahre aufgetreten sind, so der Experte. Durch die Klimakrise werden sich diese Zeiträume wohl deutlich verkürzen. "Somit müssen die Menschen mit Ereignissen in Stärken und Dimensionen rechnen, die man in den vergangenen Jahren so nicht erlebt hat", erklärte Glade: "Das stellt natürlich alle Akteure, also unter anderem die Anwohner, Behörden, geologischen Dienste und Frühwarnzentren vor große Herausforderungen."

In Österreich ist durch die frühere Vergletscherung der Alpen sehr viel verfügbares Sediment-Material (Ablagerungsmaterial, Anm.) für Muren in den Hanglagen, sagte der Forscher: "In anderen Regionen ist das nicht so, dort werden auch durch verstärkte Extremniederschläge keine größeren Muren entstehen". Geröll und Geschiebe können hierzulande also abgehen, bis die Hänge quasi vom Sediment leer geräumt sind. "Dieser Zustand ist freilich noch nicht erreicht worden", so Glade: "Wir befinden uns also eher am Anfang von Entwicklungen, die die nächsten Jahre und Jahrzehnte so weitergehen werden."

Raumplanung und Schutzbauwerke müssen überprüft und verbessert werden

Demnach müsse man sich "ganz aktiv und konkret damit auseinandersetzen", mit der Gefahr umzugehen. Dazu sollte man etwa die Prozesse wissenschaftlich besser erforschen, die zur Entstehung von Muren führen, und zwecks Prävention die Raumplanung überprüfen, um sie gegebenenfalls zu revidieren. "Auch bei den technischen Schutzwerken gilt es zu schauen, ob die Dimensionierungen noch ausreichend sind für die Dinge, die wir in der Zukunft erwarten können", erklärte Glade.

Prinzipiell ist laut dem Geomorphologen sogar eine Vorhersage der Wahrscheinlichkeit für Murenabgänge möglich. Man kann einerseits kartieren, wo genügend Sediment-Materialien dafür am Hang sind. Zweitens ist es möglich, aus vergangenen Ereignissen Schwellenwerte abzuschätzen, bei welchen Niederschlagsmengen und -Intensitäten das Geröll wohl gen Tal saust. "Die Bedingungen, von denen die Stabilität der Hänge abhängt, sind aber ständig im Wandel", sagte er: "Mit jeder aufgetretenen Mure und jedem Hangrutsch ändert sich der Stabilitätszustand des Hangsystems". Auch beispielsweise bei einer Wald-Schlägerung habe man plötzlich andere Grundvoraussetzungen. "Das macht die Vorhersage sehr herausfordernd", so der Forscher.

Zusammenfassung
  • Durch die Klimakrise werden Muren laut Experten häufiger, größer und treten auch in bisher verschonten Gebieten auf.
  • In Österreich begünstigt das viele verfügbare Sedimentmaterial aus der früheren Vergletscherung die Entstehung von Muren, deren Feststoffanteil bei 50 bis 70 Prozent liegt.
  • Die Zeiträume zwischen Murenereignissen, die bisher etwa alle 100, 500 oder 1.000 Jahre auftraten, verkürzen sich deutlich, weshalb Raumplanung und Schutzbauwerke dringend überprüft werden müssen.