APA/APA/dpa-Zentralbild/Z1018 Ralf Hirschberger

Menschen mit Hörverlust über 65 Jahren oft unterversorgt

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1,1 Millionen von insgesamt 1,8 Millionen Österreicherinnen und Österreicher ab 65 Jahren sind von Schwerhörigkeit betroffen. Davon leiden rund 220.000 an höhergradigem Hörverlust, der mit einem Hörgerät nicht mehr ausgeglichen werden kann. Sehr viele Betroffene nehmen keine Hilfe in Anspruch, was zu Isolation, Depressionen und Demenz führen kann, berichtete der HNO-Facharzt Wolfgang Gstöttner am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Helfen kann dann ein Hörimplantat.

"Tägliches Sprechen und Kommunikation mit Familienangehörigen und Freunden ist wichtig für gesundes Altern", betonte der Vorstand der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie an der MedUni/AKH Wien. Familie und Allgemeinmediziner seien angehalten, die Betroffenen in die Kliniken zu schicken. 220.000 schwerhörige Menschen über 65 Jahren seien unterversorgt.

Ein einfacher und harmloser Hörtest über Kopfhörer gehöre in der Vorsorgemedizin dazu. Das müsse nicht jährlich sein, wenn mit 50 Jahren bei dem Test alles in Ordnung ist. Aber: "Ab 50 sollte man daran denken, in höhrem Lebensalter umso häufiger", empfahl Gstöttner, bei dem Medientermin des heimischen Hörimplantateherstellers MED-EL anlässlich des Welttag des Hörens am Freitag (3. März).

Wenn eine Fachärztin oder ein Facharzt zu dem Schluss kommt, dass die oder der Betroffene ein Implantat statt eines Hörgerätes braucht, dann wird die Implantierung komplett von der Kasse übernommen, erläuterte Gstöttner. Das sei unabhängig vom Alter und auch bei betagteren Patientinnen und Patienten noch möglich, wenn eine Operation nicht aus anderen gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen ist. Auch eine 91-jährige Patientin wurde in Österreich bereits unproblematisch operiert, berichtete Ewald Thurner von MED-EL.

Besser ist die Versorgung von Hörschwäche bei jüngeren Altersgruppen, sagte Gstöttner. Aber im mittleren, erwerbsfähigen Alter, würden Männer etwas später zum Arzt gehen als Frauen. Ein Kind von 1.000 Geburten kommt komplett taub auf die Welt, diese werden in Österreich beim Neugeborenen-Screening erfasst und sollten im ersten Lebensjahr Hörimplantate, sogenannte Cochlea-Implantate, hinter der Ohrmuschel eingesetzt bekommen, damit sich das Gehirn früh genug daran gewöhnt. Diese Kinder sind laut Gstöttner ganz normal hörend und können normal in Kindergarten und Schule gehen.

"Ich habe mich nie anders gesehen als andere", berichtete die 18-jährige Sophie Adzic, die von Geburt an taub war und seit ihrer frühen Kindheit beidseitig Cochlea-Implantate trägt. "Mit dem Implantat ist es nicht getan", betonte sie aber in perfekter Aussprache. Sie war lange bei einer Logopädin und habe mit ihren Eltern viel geübt. Vergangenes Jahr schloss sie die Matura ab und ihre Leidenschaft ist tanzen, "da gehört Musik dazu", betonte sie.

Für ältere Menschen und Kinder mit Hörverlust ist das Hören über das Implantat "am Anfang gewöhnungsbedürftig", erläuterte Gstöttner. "Je kleiner die Kinder sind, desto weniger kommt das ins Spiel", weil das Gehirn von Anfang an daran gewöhnt sei. "Wir haben über 200 Mitarbeiter, die daran arbeiten, mehr Natürlichkeit ins Hören hineinzubringen", sagte Thurner. Außerdem gibt es immer wieder weitere technische Verbesserungen. Mit neueren Geräten kann sogar direkt Musik über das Implantat gestreamt werden, so Thurner.

ribbon Zusammenfassung
  • Sehr viele Betroffene nehmen keine Hilfe in Anspruch, was zu Isolation, Depressionen und Demenz führen kann, berichtete der HNO-Facharzt Wolfgang Gstöttner am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien.
  • Diese Kinder sind laut Gstöttner ganz normal hörend und können normal in Kindergarten und Schule gehen.
  • Für ältere Menschen und Kinder mit Hörverlust ist das Hören über das Implantat "am Anfang gewöhnungsbedürftig", erläuterte Gstöttner.

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