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Langsameres Absinken organischer Teile schlechter fürs Klima

28. Mai 2025 · Lesedauer 4 min

Mit dem Absinken organischer Partikel wird CO2 im Meer dauerhaft gebunden. Die Geschwindigkeit, mit der diese toten Kleinstlebewesen sinken, bestimmt dabei, wie viel Kohlenstoff im Meer gebunden wird. Diese neue Erkenntnis ist für Klimamodelle wichtig. Natürliche gelartige Substanzen bremsen den Prozess des Fallens dieser organischen Partikel.

Für präzisere Klimavorhersagen sind solche Mechanismen auf Mikroskala wichtig. Denn der in den Partikeln gebundene Kohlenstoff verbleibt Tausende von Jahren auf dem Meeresboden und kehrt erst dann wieder in Form von CO2 in die Atmosphäre zurück. Eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Forschungsgruppe um den Wissenschafter der ETH Zürich, Roman Stocker, hat untersucht, was mit den Teilchen auf dem Weg in die Tiefe geschieht. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnten die ETH-Forschenden nun erstmals nachweisen, dass Biogele die Sinkrate deutlich reduzieren.

"Die Geschwindigkeit, mit der die Partikel sinken, bestimmt, wie viel Kohlenstoff im Meer gebunden wird", erklärt Stocker. Denn während des langsamen Fallens zum Boden diene der Meeresschnee als Nahrungsquelle für Bakterien. Aller Kohlenstoff, der dabei verstoffwechselt werde, lande rasch wieder als CO2 in der Atmosphäre.

Nach jetzigen Berechnungen erreiche deswegen nur etwa ein Prozent der sinkenden Biomasse überhaupt den Meeresgrund. Bisher ging die Forschung davon aus, dass der Meeresschnee mit einer Geschwindigkeit zwischen zehn und hundert Metern pro Tag absinkt. Das Team um Stocker hat nun festgestellt, dass die Partikel teilweise wohl noch langsamer unterwegs sind.

Verantwortlich dafür sind Biogele − von Bakterien, Algen und anderen Lebewesen ausgeschiedene transparente, gallertähnliche Substanzen. Sie dienen manchmal als Schutz vor Feinden oder zum Einfangen von Nahrung und treiben stellenweise in riesigen Mengen im Meer. Das Team um Stocker vermutete, dass Biogele aufgrund ihrer Beschaffenheit von organischen Partikeln eingefangen werden und dies die Fallgeschwindigkeit reduziert.

Ein Partikel tagelang verfolgen

Die Bewegung eines einzelnen Partikels lässt sich im offenen Meer nicht über mehrere Tage verfolgen. Deshalb hat Postdoktorand Uria Alcolombri, der inzwischen als Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem forscht, eine spezielle Laborapparatur entwickelt. Es handelt sich um eine zwanzig Zentimeter hohe, mit Meerwasser gefüllte Glassäule, in deren Mitte ein einzelnes Partikel schwebt.

Ein gegenläufiger Wasserstrom darin gleicht das Absinken des Partikels aus, sodass es immer an derselben Stelle bleibt. Die Geschwindigkeit des Gegenstroms entspricht somit der Sinkrate. Damit simulierten die Forschenden den Weg eines einzelnen Partikels mehrere Tage lang, einmal mit, einmal ohne Biogel.

Tests mit Biogel

Wie erwartet bremste die gelartige Substanz die Sinkgeschwindigkeit − und zwar viel stärker als vermutet. Unter Anwesenheit von Biogel fielen die Partikel fast fünfzig Prozent langsamer zu Boden. Dies bedeutet: Je mehr Biogel vorhanden ist, desto weniger Kohlenstoff gelangt zum Meeresgrund. Denn Bakterien haben dadurch länger Gelegenheit, den Kohlenstoff zu verstoffwechseln. Und das bedeutet, dass mehr CO2 wieder emittiert werden kann.

Der Bremseffekt beruht zum einen auf der geringen Dichte von Biogelen: Wenn sich Stückchen davon in den organischen Partikel verfangen, so bremsen sie das Absinken wie eine Boje ab. Zudem breitet sich Biogel wie ein Fallschirm aus und zieht Fäden, was den Reibungswiderstand im Wasser erhöht. Diese Zusammenhänge konnte das Team durch ein mathematisches Modell bestätigen.

Mathematische Modelle

"Wir erwarten, dass sich diese Prozesse so ähnlich auch im Ozean abspielen", lässt sich Stocker zitieren. Allerdings gäbe es in der freien Natur eine große Variabilität. Verschiedenste Organismen produzierten in unterschiedlichen Meeresregionen mal mehr, mal weniger Biogel, das sich zudem in der Zusammensetzung unterscheidet.

"Mit unseren mathematischen Modellen versuchen wir, das besser vorherzusagen", so Stocker. Der Forscher hält es für sinnvoll, solche Mechanismen nach und nach in Modelle für Klimaprognosen einzuarbeiten.

(S E R V I C E - https://data.snf.ch/grants/grant/202188 )

Zusammenfassung
  • Natürliche Biogele im Meer verlangsamen das Absinken organischer Partikel um fast 50 Prozent, wie Forschende der ETH Zürich im Labor nachweisen konnten.
  • Da nur etwa ein Prozent der sinkenden Biomasse tatsächlich den Meeresgrund erreicht, gelangt bei langsameren Sinkraten mehr CO2 wieder in die Atmosphäre, weil Bakterien den Kohlenstoff verstoffwechseln.
  • Die Studie betont die Bedeutung dieses Mechanismus für Klimamodelle, da bisher von Sinkraten zwischen 10 und 100 Metern pro Tag ausgegangen wurde, die real jedoch teils noch niedriger sind.