APA/EVA MANHART

VfGH-Urteil

Sind nun zigtausende Mietrückforderungen möglich?

14. Juli 2025 · Lesedauer 4 min

Wenn in einem Mietvertrag nicht steht, dass es in den ersten zwei Monaten nach Vertragsabschluss keine Mieterhöhung gibt, dann können Mieter:innen alle Erhöhungen zurückverlangen. Warum das so sein kann, aber nicht muss.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschied am Freitag, dass Wertsicherungsklauseln nach dem Konsumentenschutzgesetz unwirksam sein könnten. Das ist für Vermieter:innen aber noch kein Grund zur Panik. Eine Einordnung. 

Was ist überhaupt passiert? 

Das VfGH-Urteil sagt de facto nichts darüber aus, ob diese Wertsicherungen zulässig sind oder nicht, heißt es von der Arbeiterkammer (AK) zu PULS 24. Es besagt nur, dass Zivilgerichte die Gesetzesbestimmungen in Verfahren heranziehen dürfen. Das Gesetz darf, kurz gesagt, also Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen untersagen. 

2023 entschied der Oberste Gerichtshof (OGH), dass die Bestimmungen aus dem Konsumentenschutzgesetz auch für Mietverträge gelten. Eine Wertsicherungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in vorgefertigten Vertragsformularen genügt nicht, wenn ein Vermieter die Miete innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss erhöhen will. Dafür muss der Vermieter oder Unternehmer die Klausel mit dem Verbraucher im Einzelnen ausverhandeln

Sollte die Änderung des Mietzinses nicht individuell vereinbart werden, ist die Wertsicherungsklausel zur Gänze unwirksam. Konkret: Wenn im Mietvertrag nicht ausgeschlossen wird, dass es in den ersten zwei Monaten keine Mieterhöhung gibt, dann ist die gesamte Wertsicherungsklausel ungültig

Alle Anpassungen wären also unwirksam und könnten zurückgefordert werden. Auch Anpassungen an den Mietzins in Zukunft wären dadurch nicht mehr möglich. 

Kann man Geld in jedem Fall zurückverlangen? 

Im Ö1-"Morgenjournal" heißt es am Dienstag, dass damit im "Extremfall" gar der Mietzins von vor 20 oder 25 Jahren eingefroren sei. Von "guten Chancen" wird gesprochen, dass man Mietanpassungen zurückfordern kann

So einfach ist das allerdings nicht. Laut AK könne man nicht sagen, man bekommt die Erhöhungen "in jedem Fall" zurück. Wenn Mieter:innen in ihren Verträgen einen Rückforderungsanspruch orten, dann kann man klagen und wie der individuelle Prozess ausgeht, könne man nicht sagen.

"Wie die Gerichte dann entscheiden, weiß man nicht." Richter:innen können sich nach dem VfGH-Urteil aber zumindest auf die Bestimmungen im Konsumentenschutzgesetz beziehen. 

Bis zu 30 Jahre in die Vergangenheit könne man Erhöhungen theoretisch nun zurückfordern. Auch, wenn das grundsätzlich möglich sein könnte - sofern man den Prozess gewinnt - ist auch das in der Praxis unwahrscheinlich.

Aus dem einfachen Grund, dass die Mietvertragsdauer laut Statistik Austria im Vorjahr durchschnittlich 11,4 Jahre betrug. Drei Viertel der Mietverträge sind zudem befristet. Fälle von Mieter:innen, die mit den ungültigen Klauseln konfrontiert sind und schon 30 Jahre mieten, sind daher eher die Ausnahme. 

Zudem betreffen die Bestimmungen im Konsumentenschutzgesetz nur gewerbliche Vermieter:innen und keine privaten. 

Was wird nun gefordert?

Die Immobilienbranche schlägt schon seit 2023 Alarm und fordert politisches Einschreiten. Sie wollen einen gesetzlichen Eingriff, durch den klargestellt wird, dass Rückzahlungen nicht möglich sind. 

Im Regierungsprogramm wurde dann eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf maximal fünf Jahre vereinbart. Es könnten damit also nur maximal die Mieterhöhungen der vergangenen fünf Jahre zurückverlangt werden. 

Das Thema wurde aber verschoben. Auf PULS 24 Anfrage beim Bundesminister für Wohnen, Andreas Babler (SPÖ), heißt es, dass man die Verjährungsfristen für Mietzinsrückforderungen neu regeln will. Man arbeite "mit Hochdruck" an einem Entwurf heißt es. Noch im Sommer sollen Gespräche mit den Koalitionspartnern stattfinden. Ziel sei eine Beschlussfassung im Herbst

Der Verbraucherschutzverein sei einstweilen mit der Prüfung von Mietverträgen beschäftigt, sagte Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhuber zu Ö1. Man habe schon eine ganz Sammlung an Fällen, bei denen man aktuell schaut, ob die Wertsicherungsklauseln rechtswidrig sind. 

Ob tatsächlich zigtausende Mieterhöhungen zurückgezahlt werden, lässt sich pauschal also nicht sagen. Das werden nun Gerichte in individuellen Prozessen prüfen müssen. 

Video: Mietpreisbremse verkündet

Zusammenfassung
  • Wenn in einer Mietverträge nicht steht, dass es in den ersten zwei Monaten nach Vertragsabschluss keine Mieterhöhung gibt, dann können Mieter:innen alle Erhöhungen zurückverlangen.
  • Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschied am Freitag, dass Wertsicherungsklauseln nach dem Konsumentenschutzgesetz unwirksam sein könnten.
  • Eine Einordnung.