Jetzt Landesbediensteter
Anwalt soll über Viertelmillion von Häuslbauern veruntreut haben
Ausgerechnet ein Jurist, von dem man eigentlich annehmen müsste, dass er die Gesetze kennt und befolgt, soll zwischen 2017 und 2022 als Rechtsanwalt und Treuhänder Gelder von Klienten veruntreut haben.
Insgesamt 253.225 Euro soll er nicht vertrags- und widmungsgemäß weitergeleitet, sondern sich oder Dritte unrechtmäßig bereichert haben. Es soll mindestens 17 Opfer geben – alles ehemalige Klienten des Ex-Anwaltes, für die er im Zuge des Hausbaus bzw. des Erwerbs eines Eigenheims tätig war.
Der Anwalt, gegen den mittlerweile ermittelt wird, ist inzwischen nicht mehr als Anwalt tätig, allerdings als Jurist bei einer Einrichtung des Landes Steiermark.
Geld für Gebühren und Steuern kassiert...
Eines der mutmaßlichen Opfer ist Heimo Stramitzer, Chef einer steirischen Baumeister- und Holzbaumeisterfirma. Der verdächtigte Anwalt soll seit 2012 mit sämtlichen Rechtsangelegenheiten betraut gewesen sein, auch als Treuhänder.
Er sei deshalb immer wieder für Projekte beauftragt und bezahlt worden, um diese nach dem Bauträgervertragsgesetz abzuwickeln. Dabei ging es auch um die Weiterleitung von Eintragungsgebühren und Grunderwerbsteuer.
Es habe zunächst nie begründete Zweifel an dessen Arbeitsweise gegeben, schildert Stramitzer. Man habe sich zudem darauf verlassen, dass der Anwalt regelmäßig durch die steiermärkische Rechtsanwaltskammer überprüft werde, deren Mitglied er war.
2023 will der Bauträger aber herausgefunden haben, dass der damalige Treuhänder mutmaßlich über Jahre hinweg immer wieder Kunden nicht ins Grundbuch eingetragen haben soll. Eintragungsgebühr und Grunderwerbsteuer kassierte er trotzdem wie vereinbart.
... aber nicht im Grundbuch
"Wir haben dann Grundbuchauszüge heruntergeladen und uns ist aufgefallen, dass wir nicht im Grundbuch sind", schildert Stramitzer in "Treffpunkt Österreich".
Aber nicht nur sein Unternehmen war betroffen: "Dann ist uns aufgefallen, dass etliche Leute nicht im Grundbuch stehen, obwohl die Bauträgerprojekte bereits abgeschlossen und schon länger her waren", so der Bauunternehmer weiter.
Video: Treffpunkt Österreich vom 11.07.2025
Steht man nicht im Grundbuch, führt das zu Problemen und beschneidet in den gesetzlichen Rechten, wie Stramitzer erklärt: "Ich bin nicht rechtmäßiger Grundeigentümer. Ich habe kein Mitspracherecht bei Bauten, die direkt neben mir gebaut werden oder ich habe keine Nachbarrechte, wenn zehn Kilometer weiter ein Saustall errichtet wird."
Heimo Stramitzer erstattet Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Graz hat Anfang Mai ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Treuhänder eingeleitet, wie sie gegenüber PULS 24 bestätigt.
Es geht um den Verdacht der Veruntreuung nach §133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Zahlreiche weitere Opfer
Stramitzer geht von mindestens 17 weiteren Fällen aus. PULS 24 konnte ein weiteres mutmaßliches Opfer erreichen, ebenso den Tiroler Rechtsanwalt Michael Fischer, der sechs steirische Jungfamilien vertritt, die immer noch nicht im Grundbuch stehen.
2021/2022 schlossen diese einen Kauf- und Bauträgervertrag über sechs Doppelhäuser ab, die sie über Heimo Stramitzers Bauträgerfirma erworben haben. Diese wurden im Frühjahr 2023 übergeben, jedoch stehen die Häuslbauer bis dato immer noch nicht als Eigentümer im Grundbuch.
Das bereitet den Jungfamilien einige Probleme, auch finanzieller Natur: "Zum einen sind die Finanzierungen der Banken nicht wie vereinbart ausbezahlt worden." Ohne Grundbucheintrag konnten auch die Sicherheiten für die Banken nicht eingetragen werden.
Die Familien mussten daher teilweise Zwischenfinanzierungen, die um einiges teurer waren, in Anspruch nehmen. Der Transparenz halber sei gesagt, der Tiroler Anwalt vertritt die sechs Familien in einem laufenden Verfahren gegen den Bauträger sowie den ehemaligen Treuhänder, in dem es um die Geltendmachung von Ansprüchen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Bauträgervertragsgesetz sowie Gewährleistungsansprüche geht.
Anwaltskammer merkte lange nichts
Die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer wurde erst im Oktober 2023 aktiv, nachdem das Finanzamt dem betroffenen Anwalt und Treuhänder die Befugnis zur Selbstberechnung unbefristet aberkannte.
Das Problem: Die Klientengelder mussten gemäß dem damaligen Treuhandstatut der Kammer nicht über ein Treuhandkonto abgewickelt, sondern über das allgemeine Fremdgeldanderkonto verwaltet werden, auf das rund 20-30 Einzahlungen am Tag kommen können.
Laut dem steirischen Kammerpräsidenten Michael Kropiunig habe man den Vorfall nun zum Anlass genommen, das Treuhandstatut zu ändern. Künftig sollen nunmehr nicht nur Kaufpreise, sondern auch Nebengebühren wie Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühren zwingend über ein Treuhandkonto abgewickelt werden und somit der Kontrolle der Kammer unterliegen.
Fehlende Gelder bezahlt
Kammerpräsident Kropiunig sagt "Treffpunkt Österreich", dass die Kammer Anfang November 2023 eine Kanzleieinschau durchführte. Dabei wurden finanzielle Unregelmäßigkeiten festgestellt.
Der betroffene Jurist emeritierte am selben Tag, und trat aus der Kammer aus. Der Steirer kann deshalb nicht mehr als Rechtsanwalt tätig sein, entgeht aber auch einer möglichen disziplinarrechtlichen Überprüfungsmöglichkeit durch die Kammer.
Zwei Kommissäre der Anwaltskammer wickelten die Kanzlei ab und klärten Ansprüche. Es stellte sich heraus, dass auch Gelder aus Verkehrsunfällen, Nachlassverfahren und eben Nebengebühren wie Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühr fehlten.
Der gesamte Fehlbetrag wurde vom verdächtigen Anwalt binnen zehn Tagen auf das Konto der Kammerkommissäre überwiesen und in weiterer Folge an die vormaligen Klienten ausbezahlt bzw. die offenen Gebühren damit beglichen.
Motiv: Kanzlei lief wohl schlecht
Einen Grund, warum hier mutmaßlich Klientengelder veruntreut wurden, soll der betroffene Anwalt und Treuhänder gegenüber der Kammer nicht genannt haben. Laut Kammerpräsident könne man aber annehmen, dass die Kanzlei schlecht gegangen sei und hier Gelder verwendet worden seien, um Kanzleiausgaben zu decken.
PULS 24 bat auch den beschuldigten Anwalt um eine Stellungnahme. Zu den Vorwürfen der Veruntreuung wollte er sich nicht äußern. Er betonte, dass er sämtliche ausständigen Beträge beglichen habe.
Rechtsexperten zufolge könne man das als tätige Reue werten, ein Strafaufhebungs- oder Milderungsgrund. Eine Anklage wegen Veruntreuung ist also fraglich.
Der mutmaßlich Geschädigte Heimo Stramitzer ist erbost: "Das heißt auf Deutsch gesagt: Ich hau' zuerst einem eine in die Goschen und dann sag' ich 'Entschuldigung' und dann passt wieder alles?" Der Schaden sei ja trotzdem entstanden.
Was Betroffenen nun sauer aufstößt: Der ehemalige Anwalt ist jetzt als Jurist bei einer Einrichtung des Landes Steiermark beschäftigt. Von der Einrichtung gab es gegenüber PULS 24 trotz Nachfrage keine Stellungnahme.
Plötzlicher Hausverkauf
Aber woher kommt das ganze Geld plötzlich? Jetzt wird’s kurios: Betroffene gehen davon aus, dass der verdächtige Ex-Anwalt Mitte November 2023 – also zeitlich kurz nach seiner Emeritierung als Rechtsanwalt - eine Hälfte seines privaten Hauses an seine Frau verkauft haben soll.
Sie habe dafür 340.000 Euro gezahlt, wie aus einem Kaufvertrag hervorgeht, den PULS 24 einsehen konnte. Ob tatsächlich ein Zusammenhang besteht, kann nicht restlos geklärt werden.
Zusammenfassung
- Ein ehemaliger steirischer Anwalt steht im Verdacht, über Jahre hinweg mehr als eine Viertelmillion Euro an Klientengeldern veruntreut zu haben.
- Jetzt ist der Jurist beim Land Steiermark beschäftigt. PULS 24 konnte mit mehreren mutmaßlichen Opfern sprechen.