Hochwasser-Katastrophe in Deutschland: Fast 60 Todesopfer im ganzen Land

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In dem vom Hochwasser schwer getroffenen Eifel-Ort Schuld im Landkreis Ahrweiler ist die Zahl der Vermissten laut Polizei Koblenz inzwischen auf knapp 70 gestiegen. Deutschlandweit wurden bereits 58 Todesopfer gemeldet.

Ganze Landstriche sind überflutet, Orte von der Außenwelt abgeschnitten, Häuser eingestürzt: Nach Dauerregen im Westen Deutschlands sind bisher 58 Menschen ums Leben gekommen. Einem Bericht von Reuters zufolge sind allein im Gebiet vom Eifel-Landkreis Ahrweiler mittlerweile 18 Todesopfer zu beklagen. 

Zwei weitere Menschen starben im benachbarten Belgien. Siebzig Personen galten als vermisst. Polizeiangaben zufolge erschwert der Ausfall des Notrufs in etlichen Gemeinden eine Klarheit über die Lage und die Höhe der Opfer. 

Im Ort Schuld in der Eifel wurden in der Nacht zum Donnerstag vier Häuser komplett und zwei weitere zur Hälfte weggespült. Weitere Gebäude in der Katastrophenregion seien vom Einsturz bedroht.

Merkel: "Bin erschüttert über die Katastrophe"

"Ich bin erschüttert über die Katastrophe, die so viele Menschen in den Hochwasser​gebieten durchleiden müssen," sagte Kanzlerin Angela Merkel, die auf Staatsbesuch in Washington ist, auf Twitter. "Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten und Vermissten. Den vielen unermüdlichen Helfern und Einsatzkräften danke ich von Herzen." Der Bund und die stark betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sicherten unterdessen den von der Unwetterkatastrophe betroffenen Kommunen finanzielle Hilfen zu.

"So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen. Es ist wirklich verheerend", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Mainz. Auch in Nordrhein-Westfalen bleibt die Lage angespannt. Nach dem Abklingen des Starkregens kämpfen Feuerwehr und andere Einsatzkräfte an vielen Orten mit einer sich verschärfenden Hochwasserlage. Mindestens 15 Menschen starben.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) besuchte am Donnerstag Altena im Märkischen Kreis. Dort war am Mittwochnachmittag ein 46-jähriger Feuerwehrmann nach der Rettung eines Mannes aus einem überfluteten Stadtteil gestorben. Am Donnerstag war Altena noch immer von der Außenwelt abgeschnitten.

Häuser eingestürzt, Dutzende von Vermissten, Haushalte ohen Strom

In der Nacht auf Donnerstag waren in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nach tagelangem Dauerregen Bäche zu reißenden Flüssen geworden und verwüsteten etliche Ortschaften. Stromausfälle legten die Regionen lahm, Notrufe fielen aus. Staudämme drohten überzulaufen. An Rhein, Ruhr, Mosel und kleineren Flüssen stiegen zudem die Pegelstände. Weitere Überflutungen werden in den kommenden Stunden und Tagen erwartet.

Im Kreis Euskirchen im Südenwesten Nordrhein-Westfalens starben Polizeiangaben zufolge mehrere Menschen im Hochwasser. Die Lage in Schleiden, Gemünd, Oberhausen sei sehr kritisch, hieß es. Es werde Wasser aus der Steinbachtalstelle abgepumpt. Die A61 wurde in dem Bereich gesperrt, da der Bruch der Talsperre drohe. Erschwerend komme hinzu, dass der Notruf 112 nicht erreichbar sei.

Jens Reupert, "WELT"-Reporter, berichtet aus Ahrweiler. Er zeigt auf PULS 24 wie es dort nach dem Hochwasser aussieht.

Im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz seien mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen, sagte Polizeisprecher Lars Brummer. Mehr als 30 Menschen gelten als vermisst. "Wir haben daher eine Personenvermisstenstelle eingerichtet." Im Landkreis sei Katastrophenalarm ausgelöst worden. Mehrere Häuser und eine Brücke seien eingestürzt, zahlreiche Gebäude einsturzgefährdet. Etwa 50 Menschen hätten sich auf Dächer in Sicherheit gebracht und müssten gerettet werden.

Im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen starb ein Feuerwehrmann bei dem Versuch, einen ins Wasser gestürzten Mann zu retten. Ein weiterer Feuerwehrmann kollabierte im Einsatz und verstarb.

Tote in überfluteten Kellern in Köln

Auch in Köln wurden Menschen tot aus ihren überfluteten Kellern geborgen. "Die Polizei Ermittlungen zur genauen Todesursache aufgenommen", erklärten die Ermittler.

Schwer getroffen wurde auch die Stadt Solingen im Bergischen Land. Der Ortsteil Unterburg wurde Polizeiangaben zufolge wegen Überflutungen abgeriegelt, 600 Menschen mussten ihre Häuser verlassen und wurden in Hotels untergebracht. Rettungskräfte befreiten einen Mann aus einem Kellerschacht. Er verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus, wie die Polizei mitteilte.

Altersheim evakuiert

In der westfälischen Stadt Hagen musste ein Altersheim evakuiert werden. Die Bundeswehr rettete mit Schlauchbooten Arbeiter aus einem Industriegebiet. Sie waren mehr als 18 Stunden von Wassermassen eingeschlossen. Insgesamt waren in Hagen über 600 Hilfskräfte im Einsatz inklusive 200 Bundeswehrsoldaten.

Bund und Länder sicherten den Kommunen finanzielle Hilfen zu. "Die Menschen im Katastrophengebiet sind in Not, die Schäden sind immens", sagte Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. "Da muss der Bund mit anpacken. Ich werde alles dafür tun, dass auch der Bund finanzielle Hilfe leistet."

In Trier hat die Polizei die Menschen eindringlich dazu aufgerufen, den Stadtteil Ehrang wegen Überflutungen zu meiden. Es bestehe Lebensgefahr, warnte die Polizei am Donnerstag per Twitter. Nach Angaben der Stadt Trier läuft aktuell der Ortskern von Ehrang voll. "In großen Teilen des Ortes gibt es keinen Strom. Bitte folgen sie den Evakuierungsdurchsagen", schrieb die Stadtverwaltung.

Am Abend hatten die Behörden im Landkreis Ahrweiler extremen Starkregen gemeldet. Die Feuerwehr Koblenz half zusammen mit dem Technischen Hilfswerk Lahnstein und der Feuerwehr Mainz aus, um 800 Sandsäcke pro Stunde zu füllen. Diese wurden mit sechs Lkw in den Landkreis Ahrweiler gebracht.

Es sei mit Sturzfluten und Überflutungen zu rechnen, hieß es. Auf dem Campingplatz "Stahlhütte" in Dorsel (Kreis Ahrweiler) und weiteren Anlagen entlang der Ahr mussten Personen von den Dächern ihrer Campingwagen gerettet werden.

Die Deutsche Bahn rief Reisende auf, Fahrten von und nach Nordrhein-Westfalen nach Möglichkeit zu verschieben. Durch die extremen Niederschläge seien Gleise überflutet, Betriebsanlagen seien beschädigt worden. Eine Erfassung der Unwetterschäden sei vielerorts erst mit abfließenden Wassermassen möglich.

ribbon Zusammenfassung
  • Im deutschen Eifelort Schuld bei Adenau sind in der Nacht auf Donnerstag nach Dauerregen und Überflutungen sechs Häuser eingestürzt. Es gibt Dutzende Vermisste.
  • Nach Angaben der Polizei würden derzeit 70 Menschen vermisst werden, sagte ein Sprecher der Polizei in Koblenz am Donnerstagmorgen der Nachrichtenagentur AFP.
  • Die Lage sei aber unübersichtlich und die genaue Zahl der Vermissten noch unklar. Weitere Häuser seien ebenfalls instabil und drohten einzustürzen.
  • In ganz Deutschland gehen die Behörden derzeit von 58 Todesopfern aus.

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