APA/APA/FermiLab

Genaueste Vermessung des Myon-Elementarteilchens

04. Juni 2025 · Lesedauer 4 min

Nach jahrelangen Arbeiten hat ein Forscherteam am Fermilab (USA) am Dienstag die genaueste Messung einer speziellen Eigenschaft des Elementarteilchens Myon bekannt gegeben. Zudem veröffentlichten theoretische Physiker mit österreichischer Beteiligung verfeinerte Berechnungen dieser Größe. Frühere Diskrepanzen zwischen Messung und Berechnung ließen manche auf neue Physik hoffen, doch nun stimmen Theorie und Experiment überein - das Standardmodell der Physik ist bestätigt.

Myonen sind Elementarteilchen, die wie die Elektronen negativ geladen sind. Sie sind rund 200-mal schwerer als Elektronen und zerfallen bereits in Millionstelsekunden. Sie entstehen zum Beispiel, wenn die kosmische Strahlung in der Erdatmosphäre auf Luftmoleküle trifft. Wie Elektronen besitzen auch Myonen ein magnetisches Moment - ausgedrückt durch "g". Die klassische Physik würde für g den Wert eins vorgeben, die Relativitätstheorie kombiniert mit Quantenmechanik ergibt einen Wert von exakt zwei.

Doch bereits vor Jahrzehnten (1947) wurde in experimentellen Messungen von g festgestellt, dass sein genauer Wert im Promille-Bereich von zwei abweicht. Diese Abweichung ist das sogenannte anomale magnetische Dipolmoment und wird als "g-2" (g minus zwei) bezeichnet. Grund für die Differenz zwischen "g" und zwei sind Quantenfeldeffekte, die über die ursprüngliche Quantentheorie hinausgehen: Aus Vakuumfluktuationen entstehen und vergehen permanent neue Teilchen, die mit den Myonen wechselwirken.

Immer wenn Vorhersagen und Messwerte nicht übereinstimmen, werden Physiker hellhörig. Denn es könnte ein Hinweis auf eine neue Physik jenseits des Standardmodells sein, etwa auf noch unentdeckte Teilchen. Aus diesem Grund versuchte man seit Jahren, sowohl die Berechnungen als auch die Messungen zu verfeinern.

Genauste Messergebnisse veröffentlicht

Die fast 180 Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus sieben Ländern umfassende "Muon g-2"-Kollaboration am US-Forschungslabor Fermilab bei Chicago setzte ab 2015 ein Experiment des Brookhaven National Laboratory (USA) fort. Dort war man schon Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre zu dem Ergebnis gekommen, dass das anomale magnetische Moment von Myonen größer zu sein scheint als theoretisch erlaubt.

Mit einem verbesserten experimentellen Setting wurden am Fermilab jahrelang mit einem großen supraleitenden Magneten die Eigenschaften von Myonen untersucht. Nun gab das Forscherteam die bisher genaueste Messung der magnetischen Anomalie des Myons bekannt und reichte die Ergebnisse beim Fachjournal "Physical Review Letters" ein.

Theoretiker verfeinerten Berechnungen

Wohl nicht ganz zufällig hat die internationale "Muon g-2-Theorie-Initiative", in der mehr als 200 Wissenschafterinnen und Wissenschafter zusammenarbeiten, vor einer Woche ihre verfeinerten quantenphysikalischen Berechnungen von "g-2" auf dem Preprint-Server "arXiv" veröffentlicht. Beteiligt an dieser theoretischen Arbeit waren drei Forschende von der Technischen Universität (TU) Wien, zwei von der Uni Wien und einer von der Uni Graz. Anton Rebhan von der TU Wien war einer von zehn Koordinatoren für die vier Hauptkapitel des Projekts.

Für Rebhan ist das magnetische Moment der Myonen "für die Teilchenphysik ganz besonders interessant". Denn es wirkt durch die hohe Masse der Myonen sehr empfindlich auf alle fundamentalen Kräfte des Standardmodells. Daher gilt diese Zahl seit vielen Jahren als wichtiger Testfall zur Untersuchung der Frage, ob das Standardmodell, das als Fundament der modernen Teilchenphysik gilt, tatsächlich stimmt.

Diskrepanz aufgelöst

Die Theoretiker berechneten nun das magnetische Moment der Myonen mit einer Präzision von zehn Nachkommastellen. Das war gar nicht so einfach, denn die Theoretiker mussten eine lange Liste komplizierter Effekte berücksichtigen, die Einfluss auf das Ergebnis haben - etwa die Quantenfluktuationen im Vakuum. Der nun errechnete Wert stimmt mit den jetzt veröffentlichten neuen Messdaten des Fermilab im Rahmen der erwartbaren Genauigkeit überein.

"Die lange vermutete Diskrepanz hat sich aufgelöst, was eine der bisher wichtigsten Bestätigungen für das Standardmodell der Teilchenphysik ist", erklärte Rebhan gegenüber der APA. Es zeige, dass das Standardmodell eine extrem gute Beschreibung der Wirklichkeit ist. "Die Suche nach neuer Physik - wir nennen das 'Beyond the Standard Model' - ist damit nicht ad acta gelegt - man kann sie jetzt viel besser eingrenzen", so der Physiker.

(SERVICE: Internet - Theorie-Arbeit: https://arxiv.org/abs/2505.21476; Presseaussendung des Fermilab: https://go.apa.at/wCyt0ezG)

Zusammenfassung
  • Ein internationales Forscherteam am US-Fermilab hat nach jahrelanger Arbeit die bislang genaueste Messung des anomalen magnetischen Moments (g-2) von Myonen veröffentlicht, an der rund 180 Wissenschaftler:innen aus sieben Ländern beteiligt waren.
  • Mit der Auflösung der bisherigen Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment gilt das Standardmodell der Teilchenphysik als bestätigt, wobei die Suche nach neuer Physik nun gezielter eingegrenzt werden kann.