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Freundin laut Anklage geschlagen und doch freigesprochen

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Für mehr finanzielle Mittel zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hat sich zuletzt der Österreichische Frauenring ausgesprochen, der Bundesverband der Gewaltschutzzentren hat eine Nachschärfung bei der verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung für so genannte Gefährder verlangt. Dass man mit legistischen Mitteln mitunter an Grenzen bei der Hilfestellung für von Gewalt Betroffene stößt, hat sich an zwei Fällen gezeigt, die am Mittwoch in Wien verhandelt wurden.

Am Landesgericht für Strafsachen musste sich zum einen ein 17-Jähriger wegen fortgesetzter Gewaltausübung (§ 107b StGB) verantworten, weil er laut Anklage seine Freundin von Mitte Juni 2022 bis Ende September 2023 beinahe täglich geschlagen haben soll. Einem 33 Jahre alten Mann, der mit seiner Ehefrau und zwei kleinen Kindern aus Syrien nach Österreich geflüchtet war, wurde vorgeworfen, die Frau von Oktober 2021 bis 2023 regelmäßig ins Gesicht geschlagen, an den Haaren gerissen und mit einem Ledergürtel gezüchtigt zu haben.

Im ersten Fall, der am Vormittag verhandelt wurde, ging es um eine 26-Jährige, die am 27. September 2023 zur Polizei gegangen war und Anzeige gegen ihren um neun Jahre jüngeren Partner erstattet hatte, wobei sie auf ihrem Handy abgespeicherte Fotos vorlegte, die Blutergüsse, Abschürfungen, Schwellungen und Bisswunden belegten. Sie gab an, der 17-Jährige habe ihr immer wieder Faustschläge ins Gesicht verpasst, in den Bauch getreten, sie gewürgt und sich ein Mal mit beiden Beinen auf ihr Gesicht gestellt, bis sie am Boden liegend das Bewusstsein verlor. "Ich bekenne mich nicht schuldig. Wir hatten öfter Streit. Ich habe sie nie geschlagen", sagte der Angeklagte. Die Angaben der 26-Jährigen auf einer Polizeiinspektion erklärte er wie folgt: "Ich habe sie rausgeschmissen. Da ist sie zur Polizei gegangen, um mich aus Rache anzuzeigen." Im Ermittlungsverfahren hatte der 17-Jährige die Frau als "emotionale Person" bezeichnet, die "sehr eifersüchtig" und "leicht aufzubringen" sei.

Richterin Martina Frank legte dem bisher Unbescholtenen, der seinen eigenen Angaben zufolge seinen Lebensunterhalt mit finanziellen Unterstützungen seiner Mutter bestreitet, die Fotos der verletzten Frau vor. "Schauen Sie, da ein eindeutiges Hämatom hinten am Ohr. Da ein blauer Fleck auf der Wirbelsäule. Da ein riesiger blauer Fleck auf dem Arm. Da große blaue Flecken am Arm und an den Schultern. Da Bisse am Unterarm, man erkennt die obere und die untere Zahnreihe", ging die Richterin die einzelnen Bilder durch, die für eine wiederholte, massive Gewalteinwirkung sprachen. "Diese Flecken hat sie aus Serbien. Sie hat sich mit einer Bekannten gestritten", antwortete der 17-Jährige. Woher die Bissspuren rührten, wisse er nicht. "Ich wollte mit ihr Schluss machen. Da hat sie gesagt, sie wird mich anzeigen. Ich hab' mir gedacht, das ist ein blöder Spaß. Dann ist aber wirklich die Polizei zu mir gekommen", bemerkte der Angeklagte noch, ehe er beiläufig erwähnte, dass er mit der 26-Jährigen, mit der er 2021 eine Beziehung eingegangen war, wieder zusammen sei. Auf die Frage der Richterin, ob diese Kinder habe, erwiderte der Angeklagte: "Zwei Stück." Die seien aber nicht von ihm, sondern aus einer vorangegangenen Beziehung.

Tatsächlich hatte die 26-Jährige versucht, ihre Anzeige zurückzuziehen, indem sie zunächst am 24. Jänner eine Mail an die Staatsanwaltschaft verfasste und dabei betonte, dass sie wieder mit ihrem Ex-Freund liiert sei und diesen demnächst heiraten wolle. Als die Hauptverhandlung ausgeschrieben wurde und sie eine Zeugenladung erhielt, mailte sie der Richterin und kündigte an, sie werde "keinesfalls zu Gericht kommen" und den Angeklagten nach dessen 18. Geburtstag "standesamtlich heiraten". Darauf wurde sie belehrt, dass sie polizeilich vorgeführt werde, sollte sie ihrer Ladung nicht nachkommen.

Als sie nun am Zeugenstuhl Platz nahm, wollte sich die 26-Jährige gleich ihrer Aussage entschlagen, musste sich aber seitens der Richterin anhören, dass das in ihrem Fall aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei. "Sie wohnen nicht an derselben Adresse. Sie haben daher keinen gemeinsamen Haushalt mit ihm. Sie bestreiten derzeit nicht gemeinsam den Lebensunterhalt. Er kriegt das Essen von seiner Mutter", fasste die Richterin die Aussagen zusammen, die sie zuvor in der Beschuldigteneinvernahme erfragt hatte. "Sie müssen aussagen", meinte sie daher in Richtung der 26-Jährigen.

Darauf hin gab die Zeugin Folgendes zu Protokoll: "Ich wollte sagen, dass ich bei der Polizei gelogen habe, weil ich sehr wütend war, dass wir uns getrennt haben." Sie sei damals "sehr böse" gewesen und habe sich "nichts dabei gedacht". Sie habe "ihm Probleme machen" wollen. Daran anschließend bekam auch sie die Fotos mit den dokumentierten Verletzungen zu sehen. "Das war in Serbien. Das hat er nicht gemacht", versicherte die Zeugin unter Wahrheitspflicht. Sie sei "von einer Frau" verletzt worden, den Namen wolle sie nicht nennen: "Das stammt nicht von ihm." "Und jetzt ist alles gut?", fragte die Richterin. "Ja", meinte die Zeugin, wobei sie den Blick des Angeklagten suchte und den leisen ironischen Unterton der Richterin überhörte.

"Sie kriegen einen Strafantrag", schaltete sich darauf hin die Staatsanwältin ein und beantragte umgehend eine Protokollabschrift mit den Angaben der 26-Jährigen. Sie werde sie wegen falscher Zeugenaussage belangen, kündigte die Anklägerin an. "Dafür können Sie ins Gefängnis gehen", unterrichtete sie die Zeugin. In ihrem Schlussvortrag sprach die Staatsanwältin von einem "Paradefall, wie ich ihn schon 15 Mal erlebt habe. Er wird freigesprochen werden. Nicht, weil er es nicht gemacht hat. Sondern weil wir es ihm nicht beweisen können".

Genau so kam es auch. Der 17-Jährige wurde rechtskräftig freigesprochen. Außer den Angaben der Zeugin gebe es "kein weiteres Beweismittel, das den Strafantrag untermauern würde. Die Frau hat ein Strafverfahren zu erwarten. Mehr kann man dazu nicht sagen", bemerkte die Richterin.

Gemeinsam verließen der 17-Jährige und seine Partnerin den Gerichtssaal. Draußen forderte der Verfahrenshelfer des 17-Jährigen diesen auf, sich bei der Frau zu bedanken. Zu dieser bemerkte der Anwalt, sie sei nun in einer "schwierigen Situation, da kann man nichts machen. Wundern Sie sich nicht, wenn etwas (gemeint: ein Strafantrag wegen Falschaussage, Anm.) kommt. Stellen Sie sich dem".

Im zweiten Fall hatte sich die 32 Jahre alte, aus Syrien stammende Frau am 23. November 2023 zur Polizei begeben, nachdem ihr um ein Jahr älterer Ehemann mit einem Gürtel auf sie eingeschlagen hatte, wobei sie Hämatome am linken Auge, am linken Bein und am linken Handgelenk davontrug. Sie schilderte einer Polizeibeamtin, ihr Mann übe seit zwei Jahren Gewalt gegen sie aus, verbiete ihr die Wohnung zu verlassen, kontrolliere ihr Mobiltelefon und züchtige sie, wenn sie nicht gehorche. Die 32-Jährige durfte nicht ein Mal ihre eigene, ebenfalls in Wien lebende ältere Schwester sehen bzw. zu Besuch empfangen.

All diese Angaben konnten in der Verhandlung am Nachmittag nicht verwendet werden, weil die 32-Jährige sich ihrer Aussage entschlug. Sie war im Zeugenstand nicht bereit, gegen ihren Ex-Mann auszusagen - immerhin hat sie sich mittlerweile von ihm scheiden lassen und lebt inzwischen mit ihren Kindern in einem Frauenhaus. Der Angeklagte wiederum bestritt, gegen seine Frau laufend gewalttätig geworden zu sein. "Er kann sich diese Anschuldigungen nicht erklären. Er bekennt sich nicht schuldig. Darüber hinaus möchte er keine weiteren Angaben machen", sagte seine Verfahrenshelferin.

Auch der 33-Jährige wurde daher mangels an Beweisen von der fortgesetzten Gewaltausübung freigesprochen. Für den dokumentierten Vorfall, nach dem die Betroffene sich an die Polizei gewandt hatte, wurde er allerdings verurteilt. Er fasste wegen Körperverletzung drei Monate bedingt aus. Zusätzlich erlegte ihm Richterin Danja Petschniker per Weisung ein Anti-Aggressions-Training auf. "Wenn Sie das nicht machen, gehen Sie ins Gefängnis", warnte sie den Syrer. Dieser erklärte sich damit einverstanden. Das Urteil ist rechtskräftig.

ribbon Zusammenfassung
  • Ein 17-Jähriger wurde in Wien vom Vorwurf der fortgesetzten Gewaltausübung an seiner Freundin freigesprochen, obwohl Fotos von Verletzungen als Beweise dienten.
  • Die 26-jährige Frau, die zuvor Anzeige erstattet hatte, zog ihre Aussage zurück und behauptete, sie habe bei der Polizei gelogen.
  • Die Staatsanwältin kündigte an, die Frau wegen falscher Zeugenaussage anzuklagen, da der Angeklagte mangels Beweisen freigesprochen wurde.
  • Trotz des Freispruchs und der Versöhnung des Paares, das gemeinsam den Gerichtssaal verließ, steht die Frau nun vor einem eigenen Strafverfahren.
  • Der Fall zeigt die Schwierigkeiten auf, Gewalt in Beziehungen nachzuweisen und die Opfer zu schützen, insbesondere wenn Aussagen zurückgezogen werden.