APA/APA (dpa)/Timm Schamberger

Forscher: Dicke Fische schonen

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In der Fischerei gilt oft: Kleine Fische dürfen weiterleben, große werden entnommen. Große, alte Fische - so die verbreitete Annahme - leisten keinen wesentlichen Beitrag für die Erneuerung der Fischbestände mehr. Berliner Forscher sind nun zusammen mit Kollegen anderer Länder bei Analysen zu dem Schluss gekommen, dass die Bedeutung großer weiblicher Fische systematisch unterschätzt wird.

Die Forscher plädieren dafür, diese "Megalaichfische" stärker zu schonen, um die Bestände besser vor Überfischung zu schützen oder ihre Erholung zu beschleunigen.

"Die Ei-Anzahl je Gramm Fischweibchen steigt mit der Fischmasse an, zum Beispiel bei Dorschen oder Hechten. Das bedeutet, dass die systematische Entfernung der großen Laichfische zahlenmäßig besonders negative Wirkungen auf die Gesamtzahl abgegebener Eier hat", erläuterte Robert Arlinghaus vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität Berlin. Er ist Mitautor der im Fachjournal "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften vorgestellten Studie.

Bisher gehen demnach die meisten Verfahren zur Bestandsberechnung davon aus, dass die Eizahl eines Weibchens proportional mit ihrem Gewicht steigt. Doch neuere Studien hätten gezeigt, dass diese Annahme bei den meisten Fischarten falsch ist und die Eizahl vielmehr überproportional mit dem Gewicht steigt.

Während die Bedeutung großer Fische für die Bestandserneuerung oft unterschätzt werde, werde das Laichpotenzial kleiner Fische oft überschätzt - vor allem bei den Arten, bei denen die Fruchtbarkeit besonders stark mit der Größe der Fische ansteige. Das ist den Studienergebnissen zufolge zum Beispiel bei der Pazifischen Sardine der Fall.

Insgesamt untersuchten die Forscher 32 Arten. Das Laichpotenzial von Beständen mit kleinen Fischen wird demnach im Schnitt um 22 Prozent überschätzt. Ein Resultat dieser Fehleinschätzung könne sein, dass Fangquoten systematisch zu hoch festgesetzt werden oder ungünstige Schonmaßnahmen wie Mindestmaße flächendeckend zum Einsatz kommen.

"Es ist aus der Mode gekommen, für genutzte Fischbestände biologische Grundlagen wie Eizahlen in Abhängigkeit der Masse der Fische zu bestimmen. Unsere Modelle deuten an, dass die Kenntnis dieser Zusammenhänge wichtig ist, um einzuschätzen, wie sehr sich der verstärkte Schutz der großen Fische auch aus fischereilicher Sicht lohnt", so Arlinghaus. Am Ende könnten sowohl der Naturschutz als auch die Fischerei profitieren.

Die Forscher empfehlen selektivere Fangmethoden, die neben den jungen auch die sehr großen Fische schonen. In der Freizeitfischerei könnten Fangfenster die klassischen Mindestmaße ersetzen. Aber auch die strategische Wahl von Schutzzonen oder Schonzeiten, die Ansammlungen von Großfischen schonen oder den Fischen einen Rückzugsort ermöglichen, könnten erfolgreich sein, so die Wissenschafter. Die besten Maßnahmen hingen von der Art und von den Eigenheiten der Fischereimethoden ab und sollten nicht pauschalisiert werden, so Arlinghaus.

Gut ein Drittel der Fischbestände sind nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) schon überfischt. Die Gesamtmenge der Fischfänge weltweit ist nach FAO-Angaben bei rund 85 Millionen Tonnen im Jahr seit den 90er Jahren stabil. Für drei Milliarden Menschen ist Fisch die wichtigste Proteinquelle, so die Umweltstiftung WWF.

ribbon Zusammenfassung
  • In der Fischerei gilt oft: Kleine Fische dürfen weiterleben, große werden entnommen.
  • Große, alte Fische - so die verbreitete Annahme - leisten keinen wesentlichen Beitrag für die Erneuerung der Fischbestände mehr.
  • Berliner Forscher sind nun zusammen mit Kollegen anderer Länder bei Analysen zu dem Schluss gekommen, dass die Bedeutung großer weiblicher Fische systematisch unterschätzt wird.
  • Insgesamt untersuchten die Forscher 32 Arten.

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