APA/HERBERT NEUBAUER

Fall Leonie: Flüchtiger mehrfach vorbestraft

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Die Eltern der getöteten 13-jährigen Leonie erwägen, Österreich wegen Behördenversagens zu verklagen. Auch der vierte Verdächtige soll bereits straffällig gewesen sein. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sieht ein Versagen des EU-Asylsystems.

Der vierte Verdächtige, nach dem mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wird, wurde seit 2018 drei Mal gerichtlich verurteilt, zuletzt im Vorjahr. Dabei war schon 2017 seine Abschiebung für zulässig erklärt worden. Der Afghane hatte als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling 2015 einen Asylantrag in Österreich gestellt. Im Oktober 2017 erging eine negative Asylentscheidung, ein Rückkehraufforderung wurde erlassen.

Dagegen erhob der Mann der APA vorliegenden Informationen zufolge Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht - die offenbar fast vier Jahre später nach wie vor anhängig ist. Das Bundesverwaltungsgericht war am Samstag für eine Stellungnahme für die APA telefonisch nicht zu erreichen.

Den der APA vorliegenden Informationen zufolge war dem 22-Jährigen obendrein im Juni 2018 per Verfahrensanordnung der Verlust seines Aufenthaltsrechts wegen Straffälligkeit mitgeteilt worden. Er wurde insgesamt sechs Mal polizeilich angezeigt, darunter wegen Suchtmittelhandels, Hehlerei und Körperverletzung. Seit 2018 wurde er jährlich ein Mal gerichtlich abgeurteilt, angeblich jeweils nach dem Suchtmittelgesetz.

Unklar ist, ob es Hinweise gibt, wo sich der flüchtige 22-Jährige aufhält bzw. aufhalten könnte.

Nehammer sieht Schuld bei EU

"Die Tat zeigt auch, dass das EU-Asylsystem nicht funktioniert. Es kann so nicht weitergehen. Das EU-Recht zwingt uns dazu, Asylwerber ins Land zu lassen, und verhindert auch, Straftäter unmittelbar abzuschieben, weil Beschwerden und damit die oft langwierigen Gerichtsentscheidungen abgewartet werden müssen", sagt Nehammer in einem Interview mit der "Kronen Zeitung".

Mit ihm werde es weder einen Abschiebestopp noch ein "Abweichen von unserer konsequenten Linie im Kampf gegen die illegale Migration" geben, betonte Nehammer. Nach dem Tod des 13-jährigen Mädchens habe er den Asylstatus im zuständigen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) "sofort" überprüfen lassen. Die Behörde hätte "alles getan, was möglich war, um die Straffälligen aus dem Land zu bekommen", so Nehammer. Offene Gerichtsverfahren hätten die Abschiebung aber verhindert, verteidigt er das BFA.

"Es graust einem, wenn man sich den mutmaßlichen Tathergang ansieht. Und ich muss gestehen, man bekommt eine gewisse Wut und fragt sich natürlich sofort, ob unser Rechtsstaat zu lasch ist, um so etwas zu verhindern", wird Nehammer in der "Kronen Zeitung" zitiert.

Anwalt kritisiert nicht erfolgte Abschiebungen

Die Eltern der am vergangenen Samstag auf einem Grünstreifen in Wien-Donaustadt tot aufgefundenen 13-jährigen Leonie lassen eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich wegen möglichen Behördenversagens prüfen. Das gab Rechtsvertreter der Familie, Florian Höllwarth, am späten Freitagnachmittag bekannt. "Diese Überlegung ist mit Sicherheit in meinem Kopf", meinte der Rechtsanwalt im Gespräch mit der APA.

Es gelte jetzt, zunächst den Akt zu studieren und das Strafverfahren abzuwarten. Er werde "in aller Ruhe und eingehend" mögliche Fehler der Behörden prüfen, die für ihn naheliegen. Denn unter den festgenommenen Tatverdächtigen befänden sich Männer, die längst einen rechtskräftig negativen Asylbescheid erhalten hätten und sich im Tatzeitpunkt nicht mehr im Land befinden hätten dürfen, sagt Höllwarth.

"Wir glauben, dass es viele tickende Zeitbomben gibt"

Maria Rösslhumer, der Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, spricht über gefährliche Gewalttäter.

"Das verstehen die Leute nicht. Einerseits werden gut ausgebildete, bestens integrierte Geflüchtete abgeschoben, Lehrlinge, die einen Arbeitsplatz ausfüllen und für ihren Chef da sind. Und diese Leute (gemeint: die Tatverdächtigen, Anm.) sind unkontrollierbar weiter da und ihr Asylverfahren kann nicht zu Ende gebracht werden", hielt Höllwarth fest.

Das Wiener Landesgericht für Strafsachen hat am Freitag über zwei Tatverdächtige die U-Haft verhängt, ein dritte befindet sich ebenfalls in Polizeigewahrsam, nach einem vierten wird gefahndet. 

ribbon Zusammenfassung
  • Die Eltern der am vergangenen Samstag auf einem Grünstreifen in Wien-Donaustadt tot aufgefundenen 13-jährigen Leonie lassen eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich wegen möglichen Behördenversagens prüfen.
  • Das gab Rechtsvertreter der Familie, Florian Höllwarth, am späten Freitagnachmittag bekannt. "Diese Überlegung ist mit Sicherheit in meinem Kopf", meinte der Rechtsanwalt.
  • Denn unter den festgenommenen Tatverdächtigen befänden sich Männer, die längst einen rechtskräftig negativen Asylbescheid erhalten hätten und sich im Tatzeitpunkt nicht mehr im Land befinden hätten dürfen.
  • Mit ihm werde es weder einen Abschiebestopp noch ein "Abweichen von unserer konsequenten Linie im Kampf gegen die illegale Migration" geben, betonte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) unterdessen in einem Interview mit der "Kronen Zeitung".
  • Nach dem Tod des 13-jährigen Mädchens habe er den Asylstatus im zuständigen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) "sofort" überprüfen lassen. Die Behörde hätte "alles getan, was möglich war, um die Straffälligen aus dem Land zu bekommen", so Nehammer.
  • Unterdessen berichtete der "Kurier" am Samstag, dass auch der vierte Verdächtige im Fall Leonie bereits in der Vergangenheit straffällig geworden sein soll.

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