Europa bringt seine Galileo-Satelliten wieder selbst ins All
Das Galileo-Programm wird von der EU-Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA betrieben. Es ist "im Moment das innovativste und genaueste Satellitennavigationsprogramm auf der Welt", sagte Christoph Kautz, Direktor Raumfahrtpolitik, Satellitennavigation und Erdbeobachtung der EU-Kommission im Vorfeld des Starts. Die Positionierung auf der Erde könne man mittlerweile mit einer unerreichten Genauigkeit von rund 20 Zentimetern vornehmen: "Das schafft niemand anders auf der Welt."
Mit rund 4,5 Milliarden Nutzern weltweit - beispielsweise Fitnesstracker oder allerlei Navigationssysteme, die etwa Flugzeugen beim Landen assistieren, nutzen das seit 2016 bestehende Service - sei dies vermutlich das erfolgreichste Weltraumprodukt, das Europa auf den Weg gebracht hat. Der nun anstehende Start ist wichtig, weil die Satelliten eine begrenzte Lebensdauer haben und regelmäßig erneuert werden müssen. Und letztlich sei es auch eine zentrale Frage der europäischen Autonomie und Resilienz, ein System unabhängig vom US-amerikanischen GPS oder russischen Glonass zu betreiben. Die Daten sind mittlerweile eine wichtige Basis für unterschiedliche Produkte und Dienste - auch im Sicherheits- und Verteidigungsbereich.
Für den Leiter des "Galileo System Engineering Service" der ESA, Jörg Uwe Hahn - sozusagen der "Chefingenieur" des Programmes - ist vor allem die Tatsache hervorzuheben, dass man die neuen Satelliten zum ersten Mal mit einer Ariane 6-Rakete in den hohen Orbit hieven kann. Zuletzt war man auf russische Sojus-Raketen angewiesen: "Das war für uns schon ein Problem" - vor allem in Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die letzten beiden Starts wurden daher mit Falcon 9-Trägerraketen der US-Firma SpaceX durchgeführt - in Zeiten geopolitischer Spannungen ebenfalls keine ideale Situation.
Vorbereitungen in Kourou nahezu abgeschlossen
Seit einigen Wochen bereitet die ESA zusammen mit dem Raketenbetreiber Arianespace und dem im deutschen Bremen ansässigen Hersteller der Satelliten, dem Raumfahrt- und Technologiekonzern OHB SE, in Kourou den Start der Trägerrakete der Bauart "A62" vor. Diese Bezeichnung offenbart, dass das Vehikel mit zwei Feststoffraketen angetrieben wird und so rund 4,5 Tonnen Fracht transportieren kann. Die mit vier Raketen ausgestattete Bauart "A64" soll dann eine Nutzlast von 11,5 Tonnen haben und im kommenden Jahr erstmals abheben.
Entscheidend für den Start am Mittwoch ist die letzte Stufe der im Juli 2024 zum ersten Mal erfolgreich gestarteten Trägerrakete, die sich im Rahmen dieses Launches auch ein Stück weit beweisen wird müssen, so Hahn. So hoch hinauf musste eine Ariane 6 bisher noch nicht liefern, hieß es seitens der ESA.
Austro-Tanks für zweite Galileo-Generation
Die beiden Satelliten seien jedenfalls startbereit, betonte Manuel Czech, Leiter des Navigationsprogramms bei OHB SE. Mittlerweile habe man im Durchchecken viel Routine und konnte sie auch bereits betanken.
Bei den Satelliten dieser Baureihe kommt der Tank übrigens noch nicht aus dem oberösterreichischen Holzhausen (Bezirk Wels-Land), wo das 2007 gegründete Weltraumunternehmen "Peak Technology" ansässig ist. Aber bei der von Airbus gefertigten zweiten Satelliten-Generation werden die neuen Xenon-Tanks aus Oberösterreich mit an Bord sein, so Firmengründer Dieter Grebner zur APA. Die Behälter müssen 300 Kilogramm des mit einem Druck von 150 bar verpressten Gases aushalten, die extremen Vibrationen beim Start verlässlich überstehen und dann im All um die 20 Jahre dicht bleiben. Seit 2019 ist Peak Technology bei dem Projekt dabei, wie Grebner erklärte. Aktuell hoffe man, dass im kommenden Jahr ein Ariane-Flug den ersten Satelliten der neuen Generation in den Orbit bringt.
Hightech aus Österreich auch in Trägerrakete
Die Navigationsdaten würden jedenfalls mittlerweile so vielfältig genutzt, dass sie aus unserer Hightech-Welt nicht mehr wegzudenken sind - von der Synchronisation im Stromnetz über jene im Handynetz bis zum Zugverkehr. Hier habe man es mit einer Infrastruktur zu tun, die tatsächlich der gesamten Öffentlichkeit zugutekommt, was bei budgetären Überlegungen leider oft vergessen werde, so Grebner, der sich in Österreich "mehr Aufmerksamkeit für den Hightech-Sektor" wünschen würde.
Alle der rund 30 Galileo-Satelliten im All werden von einem Thermalschutz aus Österreich - entwickelt und gefertigt von der Wiener Weltraumfirma Beyond Gravity - gegen die harschen Bedingungen in ihren Umlaufbahnen geschützt, wie das Unternehmen mitteilte. Die Geräte sind an ihrem Bestimmungsort "extremen Temperaturschwankungen von bis zu 400 Grad Celsius ausgesetzt", so Beyond Gravity-Co-Geschäftsführer Wolfgang Pawlinetz. Das Unternehmen produziert außerdem "die Hochtemperaturisolierung für die Raketentriebwerke der unteren und oberen Stufe der Trägerrakete" und den Mechanismus, der das Oberstufen-Triebwerk der Rakete ausrichtet.
In Ariane 6 stecken überdies auch noch Technik und Know-how des Wiener Hightech-Unternehmens TTTech, von Test-Fuchs Aerospace Systems (NÖ), vom steirischen Unternehmen Hage Sondermaschinenbau sowie vom Stahlbearbeitungsunternehmen ISW und dem Edelstahlunternehmen Böhler.
Europa will "Klassenbesten-Status" festigen
Der vorweihnachtliche Start in Kourou sei eine Investition in die Zukunft: Aktuell sind zwar schon genügend operationale Galileo-Satelliten im Einsatz - 24 sollten es zu jeder Zeit sein, jeweils acht davon bewegen sich auf der gleichen Umlaufbahn. "SAT 33" und "SAT 34" sind also eine Reserve, sollten die Hightech-Geräte ausfallen, erklärte Hahn.
Im nächsten Jahr sollen vier weitere, bereits fertiggestellte Satelliten ins All gebracht werden, so Czech: Jeder der gegenüber anderen Navigationssystemen leichteren und kleineren Galileo-Satelliten erhöhe die Genauigkeit noch weiter. Das liegt daran, dass auf der Erde mehr Daten sozusagen gegeneinander verrechnet werden können. Nun gehe es darum, den "Klassenbesten-Status" weiter auszubauen. Dass die ESA kürzlich bei der Ministerratskonferenz mit einem Rekordetat von knapp mehr als 22 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre ausgestattet wurde, sei in dem Zusammenhang sehr hilfreich.
(S E R V I C E - ESA-Informationen zu Galileo: https://www.esa.int/Applications/Satellite_navigation; Informationen zu Ariane 6: https://www.esa.int/Enabling_Support/Space_Transportation/Ariane)
Zusammenfassung
- Am 17. Dezember 2025 sollen die Galileo-Satelliten Nummer 33 und 34 erstmals mit einer europäischen Ariane 6-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou ins All starten.
- Das europäische Galileo-Navigationssystem erreicht laut EU-Kommission eine bisher unerreichte Genauigkeit von rund 20 Zentimetern und wird weltweit von etwa 4,5 Milliarden Menschen genutzt.
- Die Ariane 6-Rakete kann in ihrer aktuellen A62-Variante 4,5 Tonnen Nutzlast transportieren, während die leistungsstärkere A64-Version ab 2025 bis zu 11,5 Tonnen befördern soll.
- Österreichische Unternehmen liefern wichtige Hightech-Komponenten wie Thermalschutz und Xenon-Tanks für die Satelliten und die Rakete.
- Mit einem Rekordbudget von über 22 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre will die ESA Europas führende Rolle in der Satellitennavigation weiter ausbauen.
