Social Media als Treiber
Essstörungen schon bei Kindern zwischen 9 und 11 Jahren
Für Österreich gibt es kaum offizielle Statistiken zur Häufigkeit von Essstörungen. Fest steht aber, dass die Zahl der Erkrankungen in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist, am häufigsten treten sie bei Jugendlichen auf. Mädchen sind häufiger betroffen als Burschen.
Die Betroffenen werden außerdem immer jünger: Laut Daten der Wiener Gesundheitsförderung (WiG) sind die jüngsten Betroffenen erst zwischen 9 und 11 Jahre alt.
"Tabus und Stigmatisierung"
"Essstörungen sind häufig mit Tabus und Stigmatisierung behaftet", sagt Dennis Beck, WiG-Geschäftsführer, anlässlich des 2. Juni, des Welttags der Essstörungen.
Umso wichtiger sei es, das Thema in den Fokus zu rücken, aufzuklären und Betroffenen Mut zu machen, sich an Anlaufstellen zu wenden. Eine dieser Anlaufstellen ist die Hotline für Essstörungen der WiG.
Social Media: "Ein wesentlicher Faktor"
Für die Entwicklung der Krankheiten spielen oft viele Faktoren zusammen - meist genüge ein einziger Auslöser. Einer davon können "unrealistische Schönheitsideale" sein, sagt Ursula Knell, fachliche Leiterin der Hotline für Essstörungen in der WiG.
Insbesondere soziale Medien beeinflussen Schönheitsideale enorm und verstärken häufig den Druck, einem unrealistischen Bild zu entsprechen.
Video: Schönheitsideale auf Social Media
Die deutsche Kaufmännische Krankenkasse (KKH) hat einen Zusammenhang zwischen Selbstoptimierungszwängen, Social-Media-Plattformen und Gesundheitsproblemen festgestellt.
Die Daten ihrer rund 1,5 Millionen Versicherten zeigen demnach einen mehr als beunruhigenden Trend: Zwischen 2019 und 2023 stieg die Häufigkeit der schwerwiegenden Essstörungen bei zwölf- bis 17-jährigen Mädchen um beinahe 50 Prozent.
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"Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Essstörungen", sagte dazu die KKH-Psychologin Franziska Klemm.
Für die Psychologin sind die auf Social-Media-Plattformen propagierten Bilder und Videos ein wesentlicher Faktor, welcher die Entwicklung anheizt.
Inszenierte "Reise zum Idealkörper"
"In den zahllosen TikTok- und YouTube-Videos erzählen schlanke, schöne Frauen von ihrer 'Reise zum Idealkörper', dokumentieren, wie sie ihre Morgen- und Abendroutinen mit gesunder Ernährung, Achtsamkeitspraktiken und viel Sport optimieren, um zur perfekten Version ihrer selbst zu werden", warnt die Krankenversicherung.
Video: Toxische Ideale durch Social Media?
Mädchen besonders anfällig
Besonders anfällig sind Mädchen, denn sie würden durch solche Videos nicht nur direkt angesprochen, sondern beschäftigen sich auch mehr mit sich selbst als Burschen.
Sie vergleichen sich viel häufiger in sozialen Medien und spüren einen höheren Druck, Schönheitsidealen zu entsprechen.
Die jungen Frauen seien auch empfindsamer für Kontrollverluste. Vielen Heranwachsenden sei auch gar nicht bewusst, dass das Leben auf Social Media in der Regel inszeniert und somit alles andere als alltagstauglich sei.
Auch Burschen immer mehr betroffen
Aber auch Buben und junge Männer haben zunehmend Essstörungen, betont die WiG. Bei ihnen zeige sich der Druck oft in übertriebenem Sportverhalten und Streben nach muskulösen Körpern.
Hilfe für Betroffene
Der Weg aus einer Essstörung brauche viel Geduld und sei "ein Prozess der kleinen Schritte, sowohl von den Betroffenen als auch von den Angehörigen", betont die WiG.
Für Ratsuchende steht die Hotline für Essstörungen in der Wiener Gesundheitsförderung österreichweit kostenlos und anonym von Montag bis Donnerstag 12 – 17 Uhr (werktags) unter 0800-20 11 20 oder per E-Mail hilfe@essstoerungshotline.at zur Verfügung.
Das Angebot reicht von kurz- und längerfristigen Beratungen, Unterstützung in Krisen bis hin zur Vermittlung weiterer professioneller Hilfe.
Zusammenfassung
- Seit Jahren nimmt die Zahl der Jugendlichen, die an Essstörungen leiden, zu.
- Die Betroffenen werden zudem immer jünger.
- Ein "wesentlicher Faktor" dafür soll Social Media sein.
- Die Wiener Gesundheitsförderung (WiG) will Betroffenen Mut machen, sich an Anlaufstellen zu wenden.