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Edtstadler trotz Kritik offen für Strafmündigkeitssenkung

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Nach dem kürzlich bekannt gewordenen mutmaßlichen Missbrauch einer Zwölfjährigen durch strafunmündige und mündige Jugendliche in Wien hat Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bekräftigt, dass man unter anderen Punkten auch über eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters reden müsse. Die Verurteilungszahlen bei Jugendlichen sind in Österreich allerdings deutlich rückläufig. "Gefängnis ist für Kinder der falsche Ort", brachte der Verein Neustart in die Debatte ein.

"Ich erlaube mir, trotz gewisser Sachkenntnis (als Ex-Richterin, Anm.), keine abschließende Beurteilung vor Einbindung aller Stakeholder", sagte Edtstadler am Rande einer Pressekonferenz in der Bundeshauptstadt. Es brauchte "ein Bündel an Maßnahmen." Dabei gehöre auch die Absenkung des Strafalters überlegt: "Wir schauen uns verschiedene Modelle an und reden mit denen, die mit solchen Fällen zu tun haben, und das sind die Polizisten." Die Politikerin störte sich daran, dass "reflexartig, bei der Einleitung von Schritten, sofort eine Ablehnung kommt".

Edtstadler sprach in Bezug auf das Schicksal der Zwölfjährigen von einem "zutiefst schockierenden Fall". Daher werde mit dem Innenminister eine Verschärfung des Jugendstrafrechts angedacht. "Nach so einem Verbrechen kann man nicht zur Tagesordnung übergehen, daher arbeiten wir Vorschläge aus, wie man in Zukunft mit derartigen Fällen umgehen kann."

Immer wieder verübten Unter-14-Jährige schwere Verbrechen, so Edtstadler. In manchen Ländern Europas liege die Strafmündigkeit unter dem Alter, das in Österreich gilt. Aufgezählt wurden von der Justizministerin Irland (13), Großbritannien (13) und die Schweiz (zehn Jahre). Die Verurteilungszahlen bei Jugendlichen - Burschen und Mädchen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren - sind laut Statistik Austria seit 2012 bis 2022 - Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor - allerdings signifikant zurückgegangen. 2012 wurden für diese Altersgruppe 4.358 Verurteilungen ausgewiesen, 2022 waren es 3.495. Das ist ein Minus von 19,8 Prozent. Bei Delikten gegen Leib und Leben macht das Minus 23,7 Prozent, bei Körperverletzungen 20,5 Prozent aus.

Edtstadler betonte aber, dass es nicht nur um das Alter gehe: "Die Strafmündigkeit ist das eine." Aber beispielsweise im Internet gebe es "frei zugängliche Gewaltvideos, die keine Warnhinweise haben". Also brauche es einen "gesamtheitlichen Zugang und Überlegungen, wie wir dem entgegenwirken, mehr Transparenz schaffen, die Eltern einbeziehen". Dazu stehe man mit einem Kanon aus Expertinnen und Experten in Kontakt und werde auch informieren, wenn es Treffen oder Ergebnisse gebe.

Dass die 17 Tatverdächtigen auf freiem Fuß sind, sogar jene Mitglieder dieser "Multikulti-Bande", die älter als vierzehn Jahre sind, "das versteht kein Mensch", meinte am Dienstag FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl. Damit führe sich die Strafjustiz selbst ad absurdum. Das Opfer müsse nun damit rechnen, den mutmaßlichen Peinigern jederzeit begegnen zu können und die Familie habe sogar Angst vor deren Rache. Er erneuerte auch seine Forderung nach Herabsetzung der Straf- und Deliktsfähigkeit auf unter 14 Jahre.

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte in diesem Fall deshalb keine U-Haft-Anträge gestellt, "weil dafür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen", wie Behördensprecherin Nina Bussek am Dienstagnachmittag auf APA-Anfrage erläuterte. Den Beschuldigten werde nicht zur Last gelegt, "dass das betroffene Mädchen von einer Gruppe männlicher Jugendlicher vergewaltigt worden ist", betonte Bussek. Ermittelt werde gegen zwölf von insgesamt 13 namentlich bekannten, strafmündigen Verdächtigen wegen des Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauch. Zwei weitere Verdächtige waren im Tatzeitraum - das unmündige Mädchen soll zwischen Februar 2023 bis Juni 2023 sexuellen Kontakt mit Mitgliedern der Gruppe gehabt haben - noch keine 14 Jahre alt und damit nicht strafmündig, zwei weitere konnten bisher nicht ausgeforscht werden.

Bei einem einzigen Jugendlichen - einem 16 Jahre alten Burschen - steht der Verdacht im Raum, dass er das Mädchen mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt haben könnte. Die Staatsanwaltschaft nimmt da aber keinen dringenden Tatverdacht an. Ein solcher wäre aber für die Verhängung einer U-Haft von Gesetzes wegen zwingend erforderlich. Überdies darf bei Jugendlichen U-Haft nur dann verhängt werden, "wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und zu der zu erwartenden Strafe steht", wie es im Gesetz heißt. Der Übergriff, der dem 16-Jährigen vorgeworfen wird, soll außerdem im April stattgefunden haben und damit elf Monate her sein. Jetzt eine Inhaftierung des Jugendlichen zu fordern, wäre insofern irritierend, weil der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr kaum anzunehmen wäre. Hinweise, dass der Bursch seit vergangenem April ein strafbares Verhalten gesetzt hätte, liegen nämlich nicht vor.

Obwohl im konkreten Fall der Verdacht in Richtung sexuellen Missbrauchs einer Unmündigen insofern nicht von der Hand zu weisen ist, weil auch einvernehmlicher sexueller Kontakt zwischen einer Person unter 14 mit einem bzw. einer über 14-Jährigen diesen Tatbestand erfüllt, dürfte es hinsichtlich der 13 Tatverdächtigen deutliche Abstufungen geben, was den Unrechtsgehalt der Tat betrifft. Bei einigen soll der intime Kontakt vergleichsweise oberflächlich, bei anderen intensiver gewesen sein.

"Gefängnis ist für Kinder und Jugendliche insofern der falsche Ort, als sie dort nicht die Regeln lernen, die es braucht, um sich in der Gesellschaft zurechtzufinden", sagte Thomas Marecek vom Verein Neustart. Gefängnis bedeute für einen inhaftierten Jugendlichen vor allem Anpassung: "Er wird dort nicht lernen, wie er sein Leben ordnet, seine Rolle findet. Das kann er nur außerhalb der Gefängnismauern erproben." Straffällig gewordene Jugendlichen bräuchten eine Tagesstruktur und Bezugspersonen, die ihnen eine Auseinandersetzung mit der Tat und das Aufzeigen von Handlungsalternativen bieten, meinte Marecek im Gespräch mit der APA: "Haft sollte die letzte Möglichkeit, die Ultima Ratio sein, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt."

ribbon Zusammenfassung
  • Nach Wiener Missbrauchsskandal fordert Verfassungsministerin Karoline Edtstadler eine Diskussion über die Senkung des Strafmündigkeitsalters.
  • Sie verweist auf europäische Länder wie Irland und Großbritannien mit einem Strafmündigkeitsalter von 13 Jahren und die Schweiz mit 10 Jahren.
  • FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl kritisiert, dass 17 Tatverdächtige auf freiem Fuß sind und fordert ebenfalls eine Herabsetzung der Strafmündigkeit.

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