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"Dr. Katze": Das Gesamtpaket Katze wirkt

Heute, 05:02 · Lesedauer 8 min

Tiergestützte Therapien erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Am Wiener Kinderhospiz und Therapiezentrum "Lichtblickhof", wo man viel Expertise mit pferdegestützter Therapie hat, setzt man seit einiger Zeit auf Katzen. Die Psychotherapeutin und "Lichtblickhof"-Gründerin Roswitha Zink hat mit Kolleginnen ihre Erfahrungen mit "Dr. Katze" und das Wissen über die "Therapie auf samtenen Pfoten" in ein neues Buch gepackt.

Seit knapp einem Vierteljahrhundert begleitet das Team vom "Lichtblickhof" an zwei Standorten in Wien und Niederösterreich Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungen, Behinderungen oder traumatischen Erfahrungen, und deren Familien. Die pferdegestützte Therapie steht dabei im Mittelpunkt der Arbeit, aber auch andere Tiere am Zentrum wie Hunde, Kaninchen und Schafe werden einbezogen. Und seit einiger Zeit Katzen.

Was sie in den vergangenen sieben Jahren in der katzengestützten Therapie "ausprobiert, verworfen, neu gedacht, und festgestellt haben, was gut funktioniert", beschreiben Roswitha Zink und ihre "Lichtblickhof"-Kollegin Renate Deimel mit ihrer wissenschaftlichen Beraterin Karin Hediger von der Universität Luzern (Schweiz) in dem am 20. November erscheinenden Buch. Mit der APA sprach Zink über das Neuland Katzentherapie, deren Wirkung, wissenschaftliche Evidenz und "sprechende" Katzen.

Frage: Sie schreiben in Ihrem Buch, die Einbindung von Katzen in Therapien sei noch Neuland. Sind Sie Pioniere in diesem Bereich?

Roswitha Zink: Für uns am Kinderhospiz Lichtblickhof war das Neuland. Weil die Einbindung von Katzen in der Therapie nicht so einfach ist, hat unsere Arbeit auch international viel Interesse hervorgerufen. Und ich bin sehr glücklich, dass wir drei Autorinnen das nun auch zu Papier bringen durften, was wir hier ausprobiert haben.

Frage: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Katzen in die Therapie einzubinden?

Zink: Die Idee kam von einem unheilbar kranken Mädchen, das sich sehnlichst katzengestützte Therapie gewünscht hat. Wir hatten immer Katzen am Lichtblickhof und die Jahre davor immer wieder beobachtet, wie sie sich in unseren Therapiealltag eingebracht haben. Wir haben die wenige Literatur zu dem Thema gelesen und gezielt versucht, das so greifbar zu machen, dass man wirklich von einer katzengestützten Therapie reden kann. Wichtig war dabei auch für uns selbst zu klären, was die speziellen Wirkfaktoren sind, die Katzen einbringen können, und wie sie ausgebildet werden.

Katzen laden zu Vorurteilen ein

Frage: Über Katzen als Haustier gibt es viele Vorurteile, sie seien zickig, hinterhältig, leben ihr eigenes Leben und betrachten Menschen nur als Dosenöffner. Wie kann so ein Tier jemandem helfen?

Zink: Katzen sind sehr spezielle Tiere, die zu Vorurteilen einladen. Aber weil sie in der Domestikation eine ganz andere Rolle als Hunde hatten, gab es in der Vergangenheit sehr wenige Versuche, Katzen gezielt eine Erziehung oder auch Beziehung angedeihen zu lassen. Dadurch werden Katzen sehr unterschätzt. Denn sie sind sehr lernfähig, sehr klug und sehr empathisch.

Frage: Wem speziell können Katzen helfen?

Zink: Inzwischen ist in der tiergestützten Therapie viel geforscht worden und man hat gesehen, dass die Art der Beziehung zur Katze die Wirkung stark beeinflusst und stark davon abhängt, wie der Patient zu dem Tier eingestellt ist. Die größte Wirkung haben immer jene, die fasziniert von dieser Tierart sind. Erstaunlich ist, dass das bei uns sehr oft Väter von schwerkranken Kindern sind, darunter auch Bodybuilder-Typen mit Tattoos. Katzen faszinieren spezielle Menschen und diese profitieren enorm von katzengestützter Therapie.

Große Hilfe bei psychischen Erkrankungen

Frage: Bei welchen Diagnosen eignet sich die katzengestützte Therapie?

Zink: Katzen sind für viele psychische Erkrankungen eine große Hilfe. Da ist auch die Studienlage sehr gut. Bei Depressionen, bei Angststörungen, bei Konzentrationsstörungen weiß man, dass Katzen sehr gute Dienste leisten, ebenso dass sie den Blutdruck senken und einen protektiven Effekt gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben - mit der richtigen Therapeutin, dem richtigen Therapeuten dazu.

Frage: Eignen sich Katzen für spezielle Therapien?

Zink: Wir setzen sie hauptsächlich in der Psychotherapie ein, weil sie emotional besonders einladende Tiere sind. Und dabei sehr viele Extreme vereinen: von athletisch und kraftvoll bis zu elegant und zerfließend genussvoll. Das bietet viele Anhaltspunkte, um die eigene Emotionsregulation, das eigene Wohlbefinden, die Lebensqualität und alle psychischen Themen anzustoßen.

Tier ist immer der Co-Therapeut

Frage: Wer hilft in so einer Therapiesitzung - der Therapeut oder die Katze?

Zink: Für die Wirkung in der Psychotherapie ist es wichtig, dass man sich selbst besser kennenlernt und dass man einen Wegbegleiter hat, der einen dabei unterstützt, neue Wege zu gehen und sich neu auszuprobieren. Das ist manchmal die Katze, manchmal der menschliche Therapeut. Das Tier ist immer der Co-Therapeut, die Verantwortung in der tiergestützten Therapie hat aber immer der Mensch.

Frage: Wie wirkt nun die Katze in der Therapie genau?

Zink: Speziell bei Katzen ist ihre Dualität. Sie sind als Fluchttier sehr ängstlich, als Raubtier dagegen sehr mutig. Sie sind sehr athletisch, aber auch sehr entspannt. Solche Dualitäten wirken, weil man das beobachten und darüber sprechen kann. Für mich als Psychotherapeutin hat das ein Riesenpotenzial, um Themen aufzuspüren oder herauszufinden, wo es Schnittstellen gibt, die zu Entwicklungsschritten beim Patienten führen können.

Katzen sind im Gegensatz zu Hunden weniger flexibel, sich auf unsere menschliche Sicht einzustellen. Das zwingt uns im Kontakt mit ihnen ein Stück dazu, aus unserer Komfortzone herauszugehen und uns auf ihre Welt einzustellen.

Faszination Schnurren

Und dann gibt es das Schnurren - etwas wirklich sehr Spezielles von Katzen. Es gibt Hinweise, wonach Schnurren besondere Selbstheilungskräfte in Gang setzt. Noch kann man nicht von Evidenz sprechen, aber es gibt spannende Forschungsansätze in Richtung COPD, rheumatische Erkrankungen, Herzfrequenz und das allgemeine Wohlbefinden. Seit wir Katzentherapie machen, habe ich noch nie ein Kind oder einen Erwachsenen erlebt, den das Schnurren nicht fasziniert hat.

Frage: Spielt beim Einsatz in der Therapie eher die kognitive Leistungsfähigkeit der Katze eine Rolle, oder sind es ihre sozialen Kompetenzen?

Zink: Ich glaube es ist das Gesamtpaket Katze, das wirkt. Diese Tiere haben ein sehr feines Sensorium für Emotionen, haben selbst komplexe Emotionen und die Möglichkeit, diese sehr subtil auszudrücken. Es ist eine tolle therapeutische Möglichkeit, zu lernen, wie Emotionen bei einem anderen Lebewesen ausschauen können. Der therapeutische Einsatz mit Klienten, die kommen und gehen, ist für Katzen sicher herausfordernd und muss speziell trainiert werden. Dafür ist auch eine kognitive Leistung nötig, damit die Katzen diese sehr lange, aufwendige Ausbildung zur Therapiekatze schaffen.

Undercover-Therapeuten

Frage: Kann das jede Katze lernen?

Zink: Viele Katzen sind von ihrer Persönlichkeit her für die Therapie nicht geeignet. Aber es gibt sicher sehr viele Undercover-Therapeuten, die als Haustier für ihre Familie tolle therapeutische Dienste leisten.

Frage: Gibt es wissenschaftliche Evidenz für die Wirkung von Katzen in der Therapie?

Zink: Von Evidenz kann man wahrscheinlich noch nicht sprechen, weil das Gebiet zu jung ist. Aber es gibt schöne Anhaltspunkte, einen guten Start an Studien und wir haben versucht, diese möglichst allumfassend in unserem Buch zu nennen.

Mit Katzen "sprechen"

Frage: Begleiten Sie Ihre Arbeit auch wissenschaftlich?

Zink: Ja. Wir haben speziell beim Subthema Kommunikation über Sprachbuttons besondere Erfolge in der Therapie mit den Katzen und begleiten das wissenschaftlich.

Frage: Wie funktioniert diese Kommunikation über Sprachbuttons?

Zink: Dabei handelt es sich um programmierbare Tasten, die zuvor aufgenommene Wörter wie "Ja", "Nein", "Futter" oder "Spazierengehen" abspielen können. Nach entsprechendem Training kann das Tier den passenden Knopf drücken und das Wort wird wiedergegeben. Damit steht eine weitere Kommunikationsebene zwischen Mensch und Tier zur Verfügung.

Frage: Ist das ein Trick wie rechnende Zirkuspferde oder funktioniert das wirklich?

Zink: Ich war bei den Sprachbuttons am Anfang skeptisch, ob die Tiere wirklich wissen, was sie per Knopfdruck "sagen". Aber einer unserer Hunde hat sehr intensiv diese Form der Kommunikation genutzt und mich in Staunen versetzt. Wir haben das dann eher zufällig mit den Katzen weitergeführt. Inzwischen bin ich überzeugt davon, dass die Tiere einen Begriff dieser Wörter haben und es gibt auch schon international wissenschaftliche Evidenz dafür. Ob die Tiere einen Begriff von dem Wort haben wie wir Menschen, oder andere Verbindungen ziehen, kann man natürlich nicht sagen. Fix ist aber, dass sie Kinder mit sprachlichen Einschränkungen motivieren, sich sprachlich zu engagieren. Und das ist der Effekt, der mich als Therapeutin glücklich macht.

Mehrwert für das Tier

Frage: Sie betonen in Ihrem Buch den One-Health-Ansatz, wonach eine Therapie nicht nur dem Patienten, sondern auch dem Tier einen Mehrwert bringen muss. Was hat die Katze davon?

Zink: Für Katzen ist die Therapie eine riesige Bereicherung. Sie sind kluge, spezialisierte Lebewesen, die in ihrem Alltag ursprünglich ständig viele Aufgaben lösen mussten. Deswegen ist es für Katzenbesitzer so schwierig, den Ansprüchen ihres Tieres gerecht zu werden und ihm täglich genug Anreize zu bieten. Therapiekatzen haben dagegen ungeteilte Aufmerksamkeit, können dort Beziehungen aufbauen und neuen Herausforderungen begegnen. Ich bin überzeugt, dass gut ausgebildete Therapietiere auch eine gewisse Art von Freude an der Aufgabe finden, den Patientinnen und Patienten ihr Leben zu verbessern.

(Das Gespräch führte Christian Müller/APA)

(S E R V I C E - Renate Deimel, Karin Hediger, Roswitha Zink: "Dr. Katze - Therapie auf samtenen Pfoten", Ecowing, 224 Seiten, 24 Euro, ISBN-13 9783711003454; Gespräch mit Co-Autorin Renate Deimel auf der Messe Buch Wien, "Die Presse Science-Bühne" in Halle D, heute, Donnerstag, 12.00 Uhr)

Zusammenfassung
  • Am Wiener Kinderhospiz Lichtblickhof wird seit rund sieben Jahren katzengestützte Therapie als Ergänzung zur etablierten pferdegestützten Arbeit eingesetzt.
  • Das neue Buch "Dr. Katze – Therapie auf samtenen Pfoten" von Zink, Deimel und Hediger dokumentiert die Erfahrungen und Forschungsergebnisse dieser Therapieform und erscheint am 20. November mit 224 Seiten zum Preis von 24 Euro.
  • Katzen werden vor allem in der Psychotherapie genutzt und zeigen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen positive Effekte bei Depressionen, Angststörungen, Konzentrationsproblemen sowie auf den Blutdruck und das Herz-Kreislauf-System.
  • Die individuelle Beziehung zur Katze und deren besondere Eigenschaften wie Empathie, emotionale Vielfalt und das Schnurren tragen maßgeblich zum Therapieerfolg bei.
  • Obwohl die wissenschaftliche Evidenz für katzengestützte Therapie noch am Anfang steht, gibt es erste Studien und innovative Ansätze wie Sprachbuttons, die vor allem Kindern mit Sprachproblemen zugutekommen.