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Diversion für wegen Körperverletzung angeklagten Zahnarzt

Heute, 11:37 · Lesedauer 4 min

Mit einem blauen Auge ist am Dienstag ein Zahnarzt am Wiener Landesgericht davongekommen. Der 74-Jährige wurde vom Vorwurf freigesprochen, einer Patientin im rechten Oberkiefer ein Implantat ohne vorangegangene Röntgenuntersuchung eingesetzt zu haben. Hinsichtlich einer gutachterlich festgestellten sorgfaltswidrigen Nachbehandlung - das Implantat war verrutscht und in die Kieferhöhle der Frau gelangt, was zu monatelangen Beschwerden führte - erging eine Diversion.

Der Zahnarzt, der eigenen Angaben zufolge eine Pension bezieht, als Wahlarzt aber weiterhin drei bis fünf Patientinnen und Patienten behandelt und insgesamt im Monat 5.500 bis 6.000 Euro netto verdient, entging damit einer Verurteilung. Dabei ließ der vom Gericht bestellte zahnmedizinische Sachverständige keinen Zweifel, dass die 48-jährige Patientin vom Angeklagten bei einer Nachuntersuchung nicht fachgerecht betreut wurde. "Nicht das Verrutschen des Implantats war das Problem. Das Nichtentfernen des Implantats war das Problem", stellte der Gutachter fest.

Demnach hätte der 74-Jährige die Patientin sofort an einen chirurgischen Facharzt oder eine entsprechende Krankenhausabteilung überweisen müssen, als diese am 21. August 2024 in seiner Ordination erschien und über Schmerzen infolge des verrutschten Implantats klagte. Stattdessen verschrieb der Angeklagte ihr Antibiotika und Schmerzmittel und schickte die Frau in weiterer Folge mehrfach weg, als diese aufgrund anhaltender Entzündungen ihrer Kieferhöhle und damit verbundener Beschwerden bei ihm vorstellig wurde. "Er hat mich abgewimmelt", erklärte die Betroffene als Zeugin. Der Zahnarzt habe ihr versichert, ihre Schmerzen würden "von alleine weggehen".

Das dafür ursächliche Implantat wurde erst im Jänner operativ entfernt, nachdem die Frau einen anderen Zahnarzt konsultiert hatte. Der Angeklagte räumte vor Gericht ein, auf das Verrutschen des Zahnersatzes "nicht richtig reagiert" zu haben. Er hätte "sofort überweisen" müssen.

Ungeachtet der grob fahrlässigen Vorgangsweise, die eine Verschlechterung der bereits bestehenden Kieferhöhlenentzündung zur Folge hatte, und obwohl sich die Staatsanwältin vehement gegen eine diversionelle Erledigung aussprach, ersparte der Richter dem 74-Jährigen einen Schuldspruch. Der Sachverhalt sei hinreichend geklärt, der Angeklagte habe Verantwortung übernommen, dessen Schuld sei nicht schwer, erläuterte der Richter sein diversionelles Vorgehen.

8.500 Geldbuße und 1.000 Euro Schmerzengeld für betroffene Frau

Dem 74-Jährigen wurde eine Geldbuße in Höhe von 8.500 Euro und die Zahlung eines Schmerzengeldes in Höhe von 1.000 Euro an seine Ex-Patientin auferlegt. Im Gegenzug wird die gegen ihn gerichtete Anzeige zurückgelegt, sobald die Beträge bezahlt sind. Der Zahnarzt und sein Rechtsvertreter Christian Temsch waren damit einverstanden. Die Staatsanwältin legte dagegen umgehend Beschwerde ein. Dasselbe tat Zaid Rauf, der Rechtsbeistand der 48-Jährigen, der für die Frau 9.000 Euro an Schmerzengeld geltend gemacht hatte. Die Entscheidung ist somit nicht rechtskräftig.

Die Frau hatte sich im Juli 2024 auf Empfehlung von Freunden beim 74-Jährigen in Behandlung begeben. Sie hatte Probleme mit einer Brücke im rechten Oberkiefer. Der Zahnarzt entfernte die Brücke, extrahierte einen Zahn und ersetzte diesen durch ein Implantat. Die dafür an sich vorgesehene fachärztliche Dokumentation existierte allerdings nicht, wie der von der Justiz bestellte Sachverständige feststellen musste. Es sei daher "schwer zu sagen, was wann genau geschehen ist. Die Aufzeichnungen sind nicht so, wie man es sich von einem sorgfältigen Zahnarzt erwarten würde". Insofern könne nicht beurteilt werden, ob der Angeklagte vor dem Einsetzen des Implantats die Knochenverhältnisse in geeigneter Weise über- und den Halt des Zahnersatzes geprüft hätte.

"Ein ordentlicher Zahnarzt würde sofort handeln"

Bei der Nachbehandlung war für den Sachverständigen dagegen klar, dass diese mangelhaft war: "Er hätte unmittelbar reagieren und die Entfernung des Implantats veranlassen müssen. Ein ordentlicher Zahnarzt würde sofort handeln."

Nach diesen Ausführungen sprach sich die Staatsanwältin entschieden gegen eine Diversion aus. Sie sah beim Angeklagten "eine schwere Schuld". Dieser habe offensichtlich die Gesundheit der Patientin gefährdet, um eigene Fehler zu vertuschen". Außerdem sei der 74-Jährige "nicht mehr in der Lage, als Zahnarzt zu arbeiten", sprach die Anklägerin die offenkundige Schwerhörigkeit des Mannes und weitere Auffälligkeiten an, die in der Verhandlung deutlich zutage traten.

Zusammenfassung
  • Ein 74-jähriger Zahnarzt wurde am Wiener Landesgericht vom Vorwurf freigesprochen, einer 48-jährigen Patientin ohne Röntgenuntersuchung ein Implantat eingesetzt zu haben, erhielt aber wegen sorgfaltswidriger Nachbehandlung eine Diversion.
  • Der Zahnarzt muss eine Geldbuße von 8.500 Euro sowie 1.000 Euro Schmerzengeld an die Patientin zahlen, nachdem das Implantat in ihre Kieferhöhle verrutschte und erst Monate später entfernt wurde.
  • Sowohl die Staatsanwältin als auch der Rechtsbeistand der Patientin legten Beschwerde gegen die Diversion ein, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist.