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Betrugsprozess um Abschiebeflüge am Wiener Landesgericht

Heute, 11:15 · Lesedauer 4 min

Weil er im Zusammenhang mit von ihm organisierten Abschiebeflügen rechtswidrig gehandelt haben soll, ist am Dienstag am Wiener Landesgericht gegen einen Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) verhandelt worden. Zum einen soll der Angeklagte Angebote offengelegt und damit in 27 Fällen Amtsgeheimnisse verraten haben. Zum anderen soll er von September 2015 bis Oktober 2020 einen Anbieter "systematisch bevorzugt" haben, wie die Staatsanwältin darlegte.

Das hatte laut Anklage zur Folge, dass in mehr als zwei Dutzend Fällen aus unsachlichen Gründen nicht der günstigste Anbieter zum Zug kam, womit die Republik Österreich bzw. die EU-Grenzschutz-Agentur Frontex am Vermögen geschädigt wurden. Inkriminierte Schadenssumme: 174.000 Euro. Dem seit 2021 vom Dienst suspendierten Beamten wird schwerer Betrug, Untreue, Täuschung und wiederholte Verletzung von Amtsgeheimnissen vorgeworfen. Selbst bereichert habe sich der Beamte nicht, betonte die Staatsanwältin. In diese Richtung hätten sich im Ermittlungsverfahren keine Beweise ergeben: "Er hat kein Geld bekommen. Die Bestechungsvorwürfe sind eingestellt."

Der Angeklagte - ein ausgebildeter Polizist, der mit der Gründung des BFA im Jahr 2014 zu dieser Behörde gewechselt war und sich dort aufs Organisieren und Durchführen von zwangsweisen Rückkehrflügen von illegal aufhältigen Personen spezialisiert hatte - bekannte sich nicht schuldig. Er sei das Opfer einer Intrige, betonte er. Er habe sich beim BFA-Direktor Gernot Maier schriftlich "über Missstände in meinem Arbeitsbereich beschwert, die möglicherweise strafrechtlich und finanziell relevant sind", schilderte der Beamte. Wenig später seien gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen in die Wege geleitet worden.

"Ich nehme an, das ist ein reiner Racheakt an mir", vermutete der Angeklagte, der sich über "permanente Fehlentscheidungen" seiner unmittelbaren Vorgesetzten, Bossing, und gegen ihn gerichtete persönliche Angriffe beschwert hatte. Außerdem hatte er den BFA-Direktor wissen lassen, er müsse "so genannte Weisungen" seiner Vorgesetzten "wegen Inkompetenz ablehnen".

Angeklagter hatte Probleme mit Vorgesetzten

Im Detail schilderte der Beamte, diese hätten während der Corona-Pandemie mitten im Lockdown und trotz eines internationalen Flugverbots auf Rückkehrflüge nach Nigeria bestanden: "Wir waren das einzige Land in Europa, das nach Nigeria geplant hat." Obwohl bereits zwei Flüge mangels Landegenehmigung storniert hätten werden müssen, sei für den Juni 2020 ein dritter angedacht worden - ohne Covid-Tests zu berücksichtigen. Am Ende seien für alle drei abgesagten Flüge Kosten von 300.000 Euro angefallen, die der Steuerzahler berappen habe müssen. Ähnliches sei mit einem Abschiebeflug nach Moskau passiert, von dem der Attaché in Moskau dringend abgeraten hätte.

Die Staatsanwältin billigte dem Angeklagten zu, er sei auf seinem Fachgebiet "der Experte", habe andere Mitarbeiter beim BFA eingeschult und eine Art Benutzerhandbuch fürs zwangsweise Außerlandesbringen von illegal aufhältigen Personen per Flugzeug verfasst. Er sei jedoch mit den Vermittlern so genannter Sammelrückführungen "sehr eng" gewesen und habe "ein freundschaftliches Verhältnis" gepflegt. Einen von ihnen habe er konsequent bevorzugt, während ein anderer ein einziges Mal zum Zug gekommen sei.

Aus dem Umstand, dass er einen Vermittler zu seinem 50. Geburtstag auf einen Segeltörn eingeladen oder ein Fußballmatch in München besucht hätte, könne man ihm keinen Strick drehen, hielt der Angeklagte dem entgegen: "Wir waren halt fußballnarrisch. Wie halb Österreich." Wenn er nicht das günstigste Angebot für Rückkehrflüge genommen hätte, habe es dafür gute Gründe gegeben. Bei bestimmten Destinationen "wollte ich immer, dass es große Flieger mit zwei Gangreihen sind", verwies der Beamte auf Nationalitäten, die sich bei Abschiebungen erfahrungsgemäß aggressiv und unkooperativ verhalten würden.

Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Zum nächsten Termin werden eine Fülle an Zeuginnen und Zeugen geladen.

Zusammenfassung
  • Am Wiener Landesgericht wurde am Dienstag gegen einen BFA-Beamten verhandelt, dem vorgeworfen wird, in 27 Fällen Amtsgeheimnisse verraten und einen Anbieter bei Abschiebeflügen zwischen 2015 und 2020 systematisch bevorzugt zu haben.
  • Der entstandene Schaden für die Republik Österreich und die EU-Grenzschutzagentur Frontex beträgt laut Anklage 174.000 Euro, wobei keine persönliche Bereicherung des Angeklagten festgestellt werden konnte.
  • Die Verhandlung wurde vertagt, nachdem der Beamte die Vorwürfe zurückwies und auf Konflikte mit Vorgesetzten sowie hohe Kosten von 300.000 Euro durch abgesagte Abschiebeflüge während der Corona-Pandemie verwies.