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Bedingte Haft und Geldstrafen für zwei Zahnärzte in Steyr

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Der Prozess gegen zwei Zahnärzte am Donnerstag in Steyr hat sowohl bedingte Haft- als auch Geldstrafen gebracht. Der Erstangeklagte wurden wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und fahrlässiger Körperverletzung zu neun Monaten bedingt und 6.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Sein Bruder kassierte wegen fahrlässiger Körperverletzung sechs Monate bedingt sowie 3.600 Euro Strafe. Die Urteile sind nichts rechtskräftig, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nahmen sich Bedenkzeit.

Der Erstangeklagte soll über Jahre Sozialversicherungen und Patienten betrogen haben. Der angeklagte Schaden von 300.000 Euro hatte sich im Zuge des Verfahrens aber als deutlich zu hoch erwiesen. Denn von einem Betrugsvorwurf, für angeblich minderwertige Zahnkronen Preise von hochwertigen Produkten kassiert zu haben, wurde der Zahnarzt freigesprochen. Mit der reduzierten Schadenssumme sank auch die gesetzlich mögliche Höchststrafe von zehn auf drei Jahre.

Allerdings erlitten Patienten nach Fehlbehandlungen von beiden Angeklagten teils massive Gesundheitsprobleme. In dem Punkt zeigten sie sich geständig, wollen aber immer nach "bestem Wissen und Gewissen" behandelt haben.

Der Hauptangeklagte, ein deutsch-syrischer Staatsangehöriger, hatte 2013 als Wahlarzt in Oberösterreich eine Ordination eröffnet. Laut Anklage habe er Patienten hochwertige Kronen zugesagt, die sich jedoch als Provisorien entpuppten. In 113 Fällen stellte er offenbar zudem Behandlungen in Rechnung, die er nie durchgeführt haben dürfte. Der Bruder, der ab 2016 in einer Kassenordination mit dem Hauptangeklagten arbeitete, soll in 16 Fällen Patienten gesundheitlich geschädigt haben.

2018 war eine erste mutmaßliche Fehlbehandlung bekannt geworden. Eine Patientin hatte in entzündetes Gewebe ein Zahnimplantat erhalten. Gesetzt wurde dieses vom Zweitangeklagten in der Privatordination des Bruders. Diese "gravierende Fehlbehandlung" führte dazu, dass die Patientin in Linz im Krankenhaus operiert werden musste, führte die Staatsanwältin aus. Es habe eine beginnende Sepsis vorgelegen. Die Patientin erlitt eine Nervenschädigung einer Gesichtshälfte - ein "bleibender Schaden."

Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass besagte "Fehlbehandlung kein Einzelfall" gewesen sei, unterstrich die Anklagebehörde. Nach viereinhalb Jahren Ermittlungsarbeit war die Liste der mutmaßlichen Verfehlungen fertig.

Den Vorwurf, er habe minderwertige Kronen eingesetzt, tatsächlich aber teurere in Rechnung gestellt, wollte der 46-jährige Hauptangeklagte so nicht stehen lassen. Als Grund, warum er Langzeitprovisorien aus einem Kunststoff-Keramik-Gemisch verwendet habe, begründete er damit, diese seien besser als "spröde werdende Keramikkronen". Darüber habe er auch die Patienten mündlich aufgeklärt, versicherte er. Geladene Zeugen konnten sich daran nicht erinnern. "Mir wurde nichts erklärt", sagte eine ehemalige Patientin.

Der gerichtlich beeidigte Sachverständige führte aus, dass die vom Hauptangeklagten verwendeten Langzeitprovisorien "zur permanenten Verwendung freigegeben" seien. Lediglich das Kunststoff-Keramik-Gemisch sei nicht so "farbbeständig" wie reiner Keramikersatz. Der Verteidiger sah nach dessen Ausführungen weder den Verdacht der Täuschung noch der Bereicherung gegeben, und forderte in diesem Punkt einen Freispruch.

Zugegeben hat der jüngere Zahnarzt indes, den Sozialversicherungen nicht erbrachte Leistungen verrechnet zu haben. Mit den beiden Ordinationen "habe ich über meine Verhältnisse gelebt, bin dann leider Gottes zu den Fehlberechnungen gekommen, ohne nachzudenken, dass dies auch meine eigene Zukunft ruinieren wird", nannte er vor Gericht als Motiv. Er "bereue zutiefst, die Kassen betrogen" zu haben. 2018 habe er beim "Finanzamt 140.000 Euro Schulden" gehabt.

Auch sein zehn Jahre älterer Bruder bekannte sich schuldig, betonte jedoch, immer "Lege artis" behandelt zu haben. Sein Verteidiger legte einen Stapel Zusatzqualifikationen für Implantologie vor, die er in Wien erworben habe.

Über die beiden Ordinationen war bereits im März 2019 die Insolvenz eröffnet worden. Die Passiva beliefen sich auf rund 500.000 Euro, die Zahnarztpraxen wurden nach Bekanntwerden der Vorwürfe geschlossen. Die Brüder wollen sich laut eigenen Angaben im Ausland wieder als Zahnärzte etwas Neues aufzubauen. Wie der Richter aus sozialen Medien entnommen hat, versuche dies der Hauptangeklagte anscheinend in Dubai.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Erstangeklagte wurden wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und fahrlässiger Körperverletzung zu neun Monaten bedingt und 6.000 Euro Geldstrafe verurteilt.
  • Allerdings erlitten Patienten nach Fehlbehandlungen von beiden Angeklagten teils massive Gesundheitsprobleme.
  • Gesetzt wurde dieses vom Zweitangeklagten in der Privatordination des Bruders.
  • Die Brüder wollen sich laut eigenen Angaben im Ausland wieder als Zahnärzte etwas Neues aufzubauen.

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