Gerald Karner WeltblickPULS 24

Karners Weltblick: Propaganda, Fake-News, Informationskrieg

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Desinformation und Propaganda bildeten schon während des Kalten Krieges wichtige und integrale Bestandteile der Vorbereitung und Austragung von Konflikten durch die Sowjetunion. Das post-sowjetische Russland ist nicht anders. Aber nicht nur da tobt der Informationskrieg.

Ganze Abteilungen des Generalstabs Moskau, naturgemäß auch der Nachrichtendienste, waren damit befasst, tatsächliche oder potenzielle Gegner über die eigenen Absichten und Möglichkeiten zu täuschen.

Dies hat sich nach dem Zerfall der UdSSR nicht wesentlich verändert, auch wenn zunächst das dafür eingesetzte Personal reduziert werden musste. Die weltweite digitale Vernetzung der Kommunikation eröffnet dabei allerdings völlig neue Dimensionen, während operative Tätigkeiten teilweise an "private" Unternehmen ausgelagert werden. Russland zeigt, was in diesem Bereich möglich ist, wenn ein Staat in systematischer Form andere Länder in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken oder gar destabilisieren will und dabei bereit ist, sowohl die gesetzlichen, als auch die Regeln des respektvollen zwischenstaatlichen Verkehrs zu brechen.

Erst allmählich werden mehr und mehr Puzzlesteine derartiger russischer Aktivitäten bekannt, wobei deren Umfang in Breite und Tiefe auch Experten erstaunt. Alle Indikatoren deuten dabei auf eine zentrale Steuerung. Die Palette der Aktivitäten reicht vom passiven Eindringen in fremde Systeme zur Informationsgewinnung über Meinungsbeeinflussung in sozialen Netzwerken inklusive künstlicher Multipikatoren bis zur Anfütterung prominenter (Ex-)Politiker:innen und ihrer Parteien, Wirtschaftstreibender oder anderer Personen des öffentlichen Lebens, um nur die wesentlichsten zu nennen. Selbstverständlich wird dies durch "klassische" Spionage, wie etwa das Anwerben und Führen von Agenten, ergänzt, sodass heute einem staatlichen Akteur exponentiell mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen als während des Kalten Krieges.

Öffentliche Meinung beeinflusst

In diesem Sinn gelang es Russland offenbar, Einfluss auf Wahlen in den USA und Europa zu nehmen und die öffentliche Meinung in seinem Sinn zu gewichten. Wenn man sich die Tatsache bewusst macht, wie gering die Prozentsätze an Stimmen sind, die in Demokratien mitunter bei politischen Maßnahmen großer Tragweite den Unterschied machen, wird klar, wie gefährlich diese Einflussnahmen sind und waren. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Es war allgemein bekannt, dass es in Großbritannien seit jeher Ressentiments gegen die EU gab. Dass allerdings beim Austrittsreferendum am 23. Juni 2016 bei einer Wahlbeteiligung von 72,2 Prozent letztlich eine Mehrheit von nur 51,89 Prozent den Ausschlag für den Brexit gab, kann getrost als "Erfolg" einer nicht erst im Zuge der Kampagnen massenhaften Verbreitung von Fake-News, an der mutmaßlich auch Russland beteiligt war, interpretiert werden.

Es ist zulässig, die "Cui bono"-Frage zu stellen, wenn durch den Brexit Europa erheblich geschwächt wird, gerade auch in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Dass der britische Austritt aus der EU den Menschen in Großbritannien selbst nützt, darf angesichts der jüngsten sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen dort jedenfalls bezweifelt werden.

Medien-Meinungsmache als Gefahr für westliceh Demokratien

Besonders gefährlich wird es für die verletzlichen westlichen Demokratien, wenn sich Medien, vor allem natürlich solche mit großer Reichweite, aus welchen Gründen auch immer für derartige Einflussnahmen instrumentalisieren lassen. Diesbezüglich könnte die jüngste Einigung in einem Rechtstreit zwischen Fox News, dem größten Kabel-Netzwerk der USA und Leuchtturm konservativer Medien, und der Firma Dominion, Herstellerin der Wahlmaschinen für die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020, wegweisende Bedeutung erlangen. Dominion hatte Fox News wegen Rufschädigung auf Schadenersatz geklagt, weil Fox die Behauptung verbreitet hatte, die Wahlmaschinen wären so manipuliert worden, dass sie Stimmen für Donald Trump in solche für Joe Biden umgewandelt hätten.

In der Einigung verpflichtete sich Fox News, 787,5 Mio. US-Dollar an Dominion zu zahlen und vermied damit, in einem Gerichtsverfahren über die Aussagen von prominenten Journalisten des Senders zugeben zu müssen, dass sie die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt und damit zumindest die Möglichkeit billigend in Kauf genommen hatten, dass es sich bei den verbreiteten Meldungen um Falschinformationen gehandelt haben könnte. Der journalistische Ruf von Fox News ist damit allerdings zunächst ruiniert. Es bleibt abzuwarten, ob dies auch in anderen Ländern Schule machen könnte.

Demgegenüber nimmt sich der Fall von "Donbass Devushka", angeblich ein Mädchen aus dem Donbass, vordergründig als Folklore aus. In Wirklichkeit verbreitete unter diesem Pseudonym eine 37 Jahre alte Amerikanerin namens Sarah Bils, eine kürzlich entlassene Unteroffizierin der US-Marine, gegen die Ukraine gerichtete Fake-News. Die im Bundesstaat Washington lebende Frau hat in sozialen Medien eine Anhängerschaft von mehr als 135.000 Menschen. Laut ihrer eigenen Aussage sei sie Teil einer größeren Gruppe und hätte mit der Verbreitung der Dokumente aus den jüngsten, dramatischen Leaks von Geheimmaterial der USA nichts zu tun, obwohl man bei ihr Fotos gefunden hat, die sie mit derartigen Schriftstücken zeigen, die im russischen Sinn "bearbeitet" worden waren.

Gamer als IT-Personal naheliegend?

Die zentrale Frage, wie es sein kann, dass ein 21-jähriger, noch dazu psychisch offenbar auffälliger Angehöriger der Air National Guard des US-Bundesstates Massachusetts ausgedruckte Dokumente von Bedeutung für die nationale Sicherheit der USA und anderer Staaten zu Hause fotografieren konnte, ist nach wie vor unbeantwortet und beschäftigt aktuell wahrscheinlich Legionen von Ermittlern. Ein interessanter Aspekt der Causa blieb bislang allerdings noch kaum erwähnt: Die Suche der US Air Force nach IT-kundigem Personal konzentrierte sich durchaus auf die Gamer-Szene. Insidern – und vielleicht auch russischen Diensten oder Personen, die diesen nahe stehen – war dies bekannt.

Eigentlich scheint es recht naheliegend, auf Gaming-Plattformen Kontakt zu Angehörigen der Streitkräfte herzustellen und diesen dann Informationen zu entlocken. Möglicherweise wird ja noch bekannt, dass hinter dem naiven Einzeltäter eine nachrichtendienstliche Operation steckt – sofern diese Veröffentlichung im Interesse der Ermittler liegt.

In jedem Fall ist aber klar, dass wir in Europa, ganz besonders hier in Österreich, keinerlei Grund haben, die USA für dieses Systemversagen zu belächeln. Die Tatsache, dass Derartiges aus Europa (noch) nicht bekannt ist, bedeutet jedenfalls nicht, dass Ähnliches hier auch nicht stattfindet. Mehr Bewusstsein für Bedrohungen dieser Natur wäre bei den Verantwortlichen sicher kein Fehler.

ribbon Zusammenfassung
  • Desinformation und Propaganda bildeten schon während des Kalten Krieges wichtige und integrale Bestandteile der Vorbereitung und Austragung von Konflikten durch die Sowjetunion.
  • Das post-sowjetische Russland ist nicht anders.
  • Aber nicht nur da tobt der Informationskrieg.

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