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Kickl kassiert die Anti-Corona-Dividende

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Mit der FPÖ ist wieder vermehrt zu rechnen. Die Blauen bespielen skrupellos nicht nur die alten Feindbilder und neuen Nöte & Ängste. Auch ein neues Selbstbild wird strategisch inszeniert: 'Wir Corona-Schwurbler hatten doch recht'.

Ein Verschwörungstheoretiker könnte ins Grübeln kommen, würde es sich nicht um einen Home Run wie diesen handeln. Das Drehbuch zum Winter-Wahlkampf 2023 in Niederösterreich scheint wie zum alleinigen Wohle der FPÖ geschrieben: Der Hauptgegner ÖVP kann sich weiterhin nicht aus dem Skandalsumpf ziehen, der sich ironischerweise erst nach Platzen eines blubbernden blauen Affärenbiotops explosiv aufgetan hatte. Dann nennen erstmals Betroffene jene lenkende schwarze Hand im ORF beim Namen, die für Konsumenten von einschlägigen Polit-Berichten in Niederösterreich längst zum Greifen war. Dazu kommen noch die schmerzhaften Teuerungswellen bei täglichem Leben, Wohnen und Energie.

Ewige Vorherrschaft der ÖVP in NÖ vor dem Aus?

Die Wahrheit hinter diesen politischen Verwerfungen ist bar jeder Verschwörungstheorie. Bitter vor allem, aber nicht nur für die Landeshauptfrau-Partei ÖVP. Eine Woche vor dem Wahlgang sieht bislang jede veröffentlichte Umfrage die erfolgsverwöhnten Landesschwarzen unter der magischen 40-Prozent-Marke. Damit wäre nicht nur die Vorherrschaft im Landtag, sondern auch in der spielentscheidenden Landesregierung dahin. Wie weit die Niederösterreicher tatsächlich bei der Abrechnung mit der kurzen türkisen Ära gehen, wird sich am Abend des 29. Jänner zeigen.

Taschenspieler-Trick Blau-Gelb statt Türkis-Schwarz

Eines ist bereits jetzt absehbar: Nach der kurzzeitigen  Marginalisierung durch die Licht-Blauen im türkisen Anzug dürfte die FPÖ der einzige klare Wahlsieger  sein. Der billige Trick, das nachhaltig verdreckte Türkis und kollateral befleckte Schwarz hinter den Landesfarben Blau und Gelb verschwinden zu lassen, ist zu durchschaubar. Die Hybris, die ÖVP zur allein seligmachenden Niederösterreich-Partei umzutaufen, geht auch nicht auf wie spekuliert.

Polit-Frust obsiegt über Geldgeschenke

Das Fundament für Wahlniederlagen und Wahlerfolge wird nicht in den letzten Wochen vor der Entscheidung gelegt. Da werden bestenfalls ein paar zusätzliche Prozentpunkte eingespielt oder verloren. Die großen Weichen werden schon Monate davor gestellt. Hier wiegen Frust, Wut & Ärger über unpopuläre Maßnahmen oder offensichtliche Fehler am Ende meist mehr als Freude, Wohlwollen oder gar Dankbarkeit ob finanzieller Wohltaten oder richtiger Entscheidungen. Die FPÖ-Strategen sind nicht zu Unrecht überzeugt, dass  eines dieser Fundamente von einem Virus aus China gelegt wurde. In ländlichen Milieus wie in Niederösterreich hat die kompromisslose Opposition gegen Corona-Maßnahmen und mit Fake News befeuerte Impf-Skepsis weitaus stärker verfangen als anderswo.

Blaue erobern Protest-Monopol zurück

Bei den NÖ-Gemeinderatswahlen genau vor einem Jahr hatte die Impfgegner-Partei MFG davon in Niederösterreich zum Schrecken von Schwarz und Blau überraschend stark profitiert. In Wolfgang Sobotkas Heimatort Waidhofen an der Ybbs errang die Pop-up-Partei etwa aus dem Stand siebzehn Prozent der Stimmen - vornehmlich auf Kosten der ÖVP aber auch der FPÖ. Nachdem  sich die MFG - wie viele Sektierergruppen zuvor -  längst auch intern zerstritten hat, streift die FPÖ nun allein die Anti-Corona-Dividende ein. Herbert Kickl, der sich - auch gegen Widerstand in der eigenen Partei - frühzeitig als “Mister Anti-Corona-Maßnahmen” inszeniert hatte,  legte daher vor der Niederösterreich-Wahl noch einen Zahn zu.

Nach dem vielfach missverständlich hinausposaunten "Aus für die Corona-Pandemie" präsentierte der FPÖ-Parteichef himself zehn Tage vor der NÖ-Wahl das Buch: "Und die Schwurbler hatten doch Recht". Ein Ostiroler FPÖ-Mandatar und ein umstrittener Urologe erklären sich darin einmal mehr zur "Alternative zum Narrativ der Systemparteien“. In jenem bürgerlichen und kleinbürgerlichen Protest-Milieu, in dem auch Gruppen wie das Team Stronach oder zuletzt die MFG immer wieder erfolgreich grasen, punktet so diesmal stärker denn je die FPÖ. 

Die Anti-Corona-Dividende könnte auch den Ausschlag geben, dass die Blauen erstmals die SPÖ  auf den schmählichen dritten Platz in Niederösterreich verweisen. Ob der Anti-Corona-Hype nachhaltig genug ist,  um auch als Turbo bei den nächsten Nationalratswahlen zu dienen, bleibt offen. Sicher ist ohne jedes verschwörerische Geraune: Mit der FPÖ ist bei Wahlen und beim Machtspiel danach wieder vermehrt zu rechnen.

Josef Votzi ist Journalist und Kolumnist des Magazin “Trend”: Seine wöchentliche Kolumne “Politik Backstage”  jeden Freitag neu auf trend.at

ribbon Zusammenfassung
  • Mit der FPÖ ist wieder vermehrt zu rechnen.
  • Die Blauen bespielen skrupellos nicht nur die alten Feindbilder und neuen Nöte & Ängste.
  • Auch ein neues Selbstbild wird strategisch inszeniert: 'Wir Corona-Schwurbler hatten doch recht'.

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