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Am Puls der Politik: Kanzler in der Corona-Sünder-Falle

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Trauma-Bewältigung? Aufarbeitung? Versöhnung? Nach der schwarzen Kapitulations-Erklärung vor den blauen Impf-Gegnern in Niederösterreich kann Karl Nehammer seinen groß angekündigten "Dialogprozess" vergessen.

Es ist bereits fünf Wochen her, dass Karl Nehammer mit einer Ansage in Sachen Covid-Pandemie Schlagzeilen machte: Drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie sei es an der Zeit, diese bewegte Zeit aufzuarbeiten. Nehammer griff hochdramatisch zu Vokabeln wie "Trauma" und "Verwundungen", die Corona hinterlassen habe. Sein Wunschziel: "Versöhnung".

Rund um Ostern wollte der Kanzler im Namen der Regierung einen "Dialogprozess" starten. Von dieser Ankündigung überrascht wurde nicht nur die breite Öffentlichkeit, sondern auch der grüne Koalitionspartner. "Wenn der Kanzler uns vorher gefragt hätte, hätten wir ihm gesagt, er soll das den Johannes Rauch machen lassen", sagt ein Spitzengrüner. Nicht primär aus parteipolitischen Gründen, auch nicht allein der Kompetenz wegen, sondern um mehr Ruhe statt mehr Aufregung in den Umgang mit dem hochsensiblen Thema hineinzubringen. Denn Rauch ist das da und dort in der Tat schon gelungen. Mit ihm kann vom Kanzler abwärts auch die ÖVP weitgehend friktionsfrei.

Nehammer: Corona-Aufarbeitung "nicht den Radikalen überlassen"

Nach dem donnernden medialen Aufschlag herrschte Funkstille vom Ballhausplatz. Seit Mitte Februar werden hinter den Kulissen Wege gesucht, die geweckten großen Erwartungen auch mit Leben zu erfüllen. Vor allem auch für den gutgemeinten Vorsatz: "Wir wollen die Aufarbeitung der Corona-Zeit nicht den Radikalen überlassen." Damit ist Nehammer nun  schon vor Start seines Dialogprozesses krachend gescheitert. Seine eigene Partei hat dem Kanzler dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Corona-Kapitel in NÖ-Koalitionspakt mit blauer Handschrift

Die ÖVP-Niederösterreich ließ sich eine Aufarbeitung der Corona-Zeit in ihr Koalitionsabkommen diktieren, die bei jeder Anti-Regierungsdemo während der Corona-Jahre frenetischen Applaus erhalten hätte.

Kern der blau-gelben Corona-Bilanz, geschrieben mit blauer Tinte: Die wahren Corona-Opfer sind die Maßnahmen-Gegner, Impf-Kritiker und Impf-Verweigerer. Für diese wird in Niederösterreich ein Wiedergutmachungs-Fonds geschaffen, der mit 30 Millionen Euro dotiert ist.

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Gipfel des Triumphs der Radikalen an der Corona-Front: Dem Land Niederösterreich ist künftig jede Werbung für die einzig wirksame Präventivmaßnahme gegen schwere Covid-Verläufe hochamtlich untersagt - die Corona-Impfung. 

Impf-Verweigerer als die wahren "Corona-Opfer"

Versöhnung? Trauma-Bewältigung? Abrüstung des Lagerdenkens? Von einem Unterstützungs-Fonds etwa für jene Pflegekräfte und Ärzte, die massiv unter den Belastungen zuletzt vor allem durch Ungeimpfte gelitten haben, ist im schwarz-blauen Regierungspakt mit keiner Silbe die Rede.

In Sachen Corona haben im schwarz-blauen Niederösterreich ab sofort Kickl & Co das Sagen. Die gesundheitspolitische Vernunft hat im St. Pöltner Landhaus für die kommenden fünf Jahre Pause - sollte der Mikl-Kickl-Pakt solange tatsächlich halten.

Im Corona-Büßer-Hemd Wiederwahl als Landeshauptfrau erkauft

Karl Nehammer kann sein hehres Ansinnen einer breit akzeptierten Aufarbeitung der Corona-Zeit aber schon jetzt vergessen. Der schwarze Kanzler sitzt in der Corona-Sünder-Falle seiner niederösterreichischen Parteifreunde. Die NÖ-Landeshauptfrau ließ sich das Corona-Sünder-Hemd überziehen, um von blauen Gnaden an der Macht bleiben zu dürfen.

Herbert Kickl kann sich die Hände reiben. Seine Strategie ist voll aufgegangen: Erst dank seiner Inszenierung als "Mister Anti-Corona" mit fulminanten Zugewinnen auf Kosten der ÖVP bei den NÖ-Wahlen. Jetzt mit seinem Anti-Corona-Manifest im schwarz-blauen Koalitionspakt.  

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Politische Fesseln für Nehammer von Mikl & Kickl

Der blaue Parteichef kassiert so gleich mehrfach die Anti-Corona-Dividende. ÖVP-Obmann und Kanzler Karl Nehammer steht aber ab sofort auch in Sachen Corona mit gebundenen Händen da. Die politischen Fesseln wurden ihm diesmal nicht allein von Johanna Mikl-Leitner angelegt. Die niederösterreichische Landeshauptfrau von Kickls Gnaden überließ ihren neuen blauen Achsenpartnern den Vortritt. Die Blauen sitzen tonangebend jetzt nicht nur am Regierungstisch im Landhaus von St. Pölten. Sie sind dabei, es sich an der Hand von Johanna Mikl-Leitner auch im Vorzimmer des Kanzleramts am Ballhausplatz bequem zu machen.

Josef Votzi ist Kolumnist des Magazin "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi)

Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at

ribbon Zusammenfassung
  • Trauma-Bewältigung? Aufarbeitung? Versöhnung?
  • Nach der schwarzen Kapitulations-Erklärung vor den blauen Impf-Gegnern in Niederösterreich kann Karl Nehammer seinen groß angekündigten "Dialogprozess" vergessen.

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