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Kickls Interview bei Milborn im Faktencheck

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Im Interview mit Corinna Milborn holt FPÖ-Chef Herbert Kickl am Mittwoch zum Rundumschlag aus. PULS 24 hat nachrecherchiert, wo seine Aussagen einem Faktencheck nicht standhalten.

Kickl spricht bei "Milborn Spezial" von einer verzerrten Darstellung der Anti-Corona-Maßnahmen-Demos durch die Medien. Ausschreitungen gebe es ausschließlich durch Linke, er sei am vergangenen Samstag ganz vorne mit dabei gewesen, an seiner Seite Hunderttausende friedliche Demonstranten.

Er kritisierte auch den "Impfzwang", dass bei der EMA Hunderttausende Impfnebenwirkungen gemeldet worden wären und es nicht stimme, dass nach der Corona-(Selbst)-Behandlung mit Ivermectin Menschen im Spital landen. Auf uns komme die nächste Welle zu, der Lockdown für Ungeimpfte werde sich als nutzlos erweisen.

PULS 4 Infochefin Corinna Milborn im Gespräch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl

All diese Aussagen wurden von der PULS 24 Redaktion auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. 

Aussage: Ausschreitungen bei Demos durch "linke Anarchisten" und "Hooligans auf der linken Seite", die "offensichtlich für die Impfpflicht auftreten".

Faktencheck: Polizeipressesprecher Mohamed Ibrahim dazu auf PULS 24 Nachfrage: "Die Ausschreitungen bei der Großdemonstration am 04.12.2021 kamen von den Corona-Maßnahmengegnern. Dabei kam es zu zahlreichen Anzeigen und fünf Festnahmen wegen Widerstandshandlungen gegen Polizisten. Die Beamten wurden darüber hinaus mit pyrotechnischen Gegenständen beworfen, fünf Polizisten wurden bei der Großdemonstration verletzt. Am 11.12.2021 gab es keine Ausschreitungen. Es kam zu zahlreichen Anzeigen und einigen Festnahmen. Bei dieser Demo wurden keine Exekutivbeamten verletzt."

Aussage: Nach Einnahme von Ivermectin sind Menschen nicht im Krankenhaus gelandet, "ich würde mir wünschen, dass Sie den einen oder anderen, der mit Ivermectin arbeitet hier zu Wort kommen lassen."

Faktencheck: Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) warnt dezidiert vor einer Einnahme von Ivermectin zur Behandlung von Covid-19. Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht bisher keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19. Dazu verweist die deutsche Behörde auf eine übergreifende Analyse von 14 klinischen Studien vom Juli 2021. Genauso empfiehlt die europäische Arzneimittelagentur EMA eine Ivermectin-Anwendung nur im Rahmen klinischer Untersuchungen.

In Österreich spricht sich sogar der Hersteller MSD (Merck Sharp & Dohme) gegen eine eigenmächtige Einnahme aus: "Es gibt keine aussagekräftige Evidenz für die Anwendung von Ivermectin bei Sars-CoV-2", teilte das Unternehmen jüngst mit. Der Virologe Christoph Steininger von der Medizinischen Universität Wien rät "dringend" von einer Covid-19-Behandlung mit Ivermectin ab: "Zusätzlich zur fehlenden Zulassung und Wirkung (ist) die Möglichkeit schwerer Nebenwirkungen zu bedenken."

Nach der Einnahme eines Pferdeentwurmungsmittels landete eine Frau auf der Intensivstation eines oststeirischen Krankenhauses. Einen Bericht des ORF bestätigte ein KAGes-Sprecher am 18. November. Dass es sich dezidiert um Ivermectin handelte, wurde dabei nicht bestätigt. Das "The New England Journal of Medicine", weltweit eine der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften, stützt sich auf Daten des "Oregon Poison Center", denen zufolge 21 Personen wegen Nebenwirkungen an sie herangetreten sind. Sechs Personen, die sich mit Ivermectin behandelten, mussten wegen toxischer Nebenwirkungen ins Spital. Alle sechs nahmen das Medikament zur Vorbeugung, vier davon landeten auf der Intensivstation. 

Am Mittwoch wurde der Fall eines 87-jährigen Manns aus dem Salzburger Tennengau bekannt, der nach der Einnahme von Ivermectin verstorben istEine Obduktion soll die genaue Todesursache klären. Der Mann hatte von seinem Halleiner Hausarzt zur Behandlung seiner Corona-Erkrankung das Entwurmungsmittel verschrieben bekommen.

Aussage: Milborn solle ihre "Identitären-Fixierung" aufgeben. "An der Spitze der Demonstration war ich und bei mir waren ganz, ganz viele, Hunderttausende friedliche Bürger."

Faktencheck: Die Identitären führten den Demozug am 11.12. in Wien tatsächlich nicht an. Aber auch Herbert Kickl befand sich nicht an der Spitze, wie Fotos beweisen. In der Woche davor führte eine größere Abordnung der Identitären um Martin Sellner mit Transparenten wie "Uns kriegt ihr nie" und "Wir sind das Volk" den Demozug jedoch an, wurde schließlich in Richtung Landstraße umgeleitet und kehrte dann zum Hauptdemozug zurück. 

Bereits am früheren Nachmittag sperrte die Polizei Schwedenbrücke und Marienbrücke, weil sich dort rechte und linke Gruppierungen gegenüberstanden - kurzfristig wurden auch Absperrungen durchbrochen. Sellner und die Identitären wurden schließlich in Richtung Landstraße umgeleitet und kehrten dann zum Hauptdemozug zurück. 

Identitäre führen Demo an 4.12.2021

Die Polizei Wien sprach am 11.12. von Medienvertretern, die an der Spitze der Kundgebung mit Schneebällen bzw. Eisbrocken beworfen wurden. Ein Journalist wurde Opfer einer versuchten Körperverletzung. Die Polizeikräfte seien an der Spitze verstärkt worden. Der Angreifer konnte angehalten werden.

Die Polizei ging bei der Demo am 11.12. von 44.000 Teilnehmern aus. Belege, dass "Hunderttausende" mitmarschierten, gibt es jedoch nicht. 

Aussage: Kanzler Nehammer soll sich von seinem "Projekt Impfzwang" verabschieden bzw. "Ich werde mit allen Möglichkeiten gegen diesen Impfzwang vorgehen".

Faktencheck: Kickl bezeichnete die Impfpflicht wiederholt als "Impfzwang". Wie unter anderem Menschenrechtsexperte Ralph Janik auf PULS 24 erklärte, sieht der Gesetzesentwurf keinerlei Zwang vor. Gleich im Absatz 2, Paragraph 1 stehe explizit, dass "die Schutzimpfung nicht durch Ausübung unmittelbaren Zwanges durchgesetzt werden darf". 

Ralph Janik, Experte für Menschenrechte und Völkerrecht, spricht im Interview mit PULS 24 Anchor Daniel Retschitzegger über den ersten Gesetzesentwurf zur kommenden Impfpflicht und dass darin klar nicht von einem Impfzwang die Rede ist. 

Aussage: Allein bei der EMA sind 600.000 negative Impfnebenwirkungen gemeldet. 

Faktencheck: Dazu schreibt die "Europäische Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneinebenwirkungen", dass "Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, also medizinische Ereignisse, die im Rahmen der Anwendung eines Arzneimittels beobachtet wurden, die aber nicht notwendigerweise mit dem Arzneimittel in Zusammenhang stehen oder von ihm verursacht wurden" aufgelistet seien. Explizit wird darauf hingewiesen, dass "Angaben zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen nicht so verstanden werden dürfen, als hätte das Arzneimittel oder der Wirkstoff die beobachtete Wirkung verursacht oder als sei das Arzneimittel oder der Wirkstoff nicht sicher in der Anwendung. Nur die detaillierte Auswertung und die wissenschaftliche Überprüfung aller verfügbaren Daten erlaubt es, belastbare Schlussfolgerungen über Nutzen und Risiken eines Arzneimittels zu ziehen."

Aussage:  "Wir werden in die nächste Welle hineinrauschen, wir werden sehen, dass der Lockdown für Ungeimpfte genau gar nichts bringt", dazu komme noch Omikron.

Faktencheck: Tatsächlich betonte Molekularbiologe Andreas Bergthaler in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Dienstag, dass in den kommenden Wochen mit einer absoluten Erhöhung der Infektionsraten zu rechnen ist. Omikron sei "um vieles infektiöser" als Delta. Dies unterstrich auch Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), der von einer Verdoppelung der Zahlen alle zwei bis drei Tage ausging. Die Spitzen an Neuinfektionen mit Omikron erwartete der Experte für Jänner.

Eine neue Welle könnte uns wirklich bevorstehen. Allerdings sei bisher nicht klar, ob die neue Variante auch schwerere oder leichtere Krankheitsverläufe mit sich bringt. Laut Bergthaler belegen Daten aus Großbritannien, dass Dreifach-Geimpfte bzw. Genesene mit zwei Impfdosen einen relativ guten Schutz gegen eine Infektion mit Omikron haben. Menschen mit lediglich zwei Impfdosen sind hingegen kaum gegen diese infektiösere Variante geschützt.

Ob ein Lockdown für Ungeimpfte etwas bringt oder nicht, kann noch nicht gesagt werden, weil es bisher keine Erfahrungswerte gibt. Da jedoch auch Nicht-Dreifach-Geimpfte voraussichtlich einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, könnte ein Lockdown für Ungeimpfte nur mäßige Erfolge erzielen. Deshalb riefen Gesundheitsminister und Experten auch dezidiert zum Booster-Impfen auf. 

ribbon Zusammenfassung
  • Im Interview mit Corinna Milborn holt FPÖ-Chef Herbert Kickl am Mittwoch zum Rundumschlag aus. PULS 24 hat nachrecherchiert, wo seine Aussagen einem Faktencheck nicht standhalten.