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Triage: Nach diesen Kriterien entscheiden Wiener Ärzte, wer ein Intensivbett bekommt

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Auszuwählen, wer einen Platz auf einer Intensivstation bekommt, wenn diese eigentlich voll ist, entscheidet über Leben und Tod. Wiens Intensiv-Stationen arbeiten am Limit, der Wiener Gesundheitsverbund hat eine Leitlinie ausgegeben, an der sich Ärzte orientieren sollen, wenn sie Schwerkranke und Sterbende abweisen müssen.

Im Herbst 2020 zeichnete sich ab, dass auf Österreichs Intensivstationen der Punkt erreicht werden könnte, an dem es zu wenige Behandlungsmöglichkeiten für zu viele Schwerkranke gibt. Ende März 2021 scheint es in Wien so weit zu sein. Die intensivmedizinischen Fachgesellschaften in Österreich (Fasim) haben für den Ernstfall eine "Orientierungshilfe für den Einsatz knapper intensivmedizinischer Ressourcen" erarbeitet. Dem Blog "Semiosis" ist ein Papier mit Handlungsempfehlungen zur Triage im Wiener Gesundheitsverbund zugespielt worden. Der Blog bietet die "Handlungsempfehlung zur Therapiezielfindung in der Intensivmedizin" auch zum Download.

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Nach diesen Kriterien sollen Patienten NICHT bewertet werden:  

  • bloßes Faktum eines bestimmten kalendarischen Alters
  • bloße Vorhandensein bestimmter Grunderkrankungen oder Behinderungen
  • sozialer Status oder die persönliche Beziehung zu Entscheidungsträger*innen
  • Die Priorisierung verfolgt nicht die Absicht, die Menschen quantitativ (z.B. in Hinblick auf ihre Lebensdauer) oder qualitativ (z.B. in Hinblick auf ihre Lebensqualität) zu bewerten

Knappe Ressourcen vs. keine Ressourcen: 

1. Die Ressourcen sind knapp, es muss entschieden werden, wer aufgenommen bzw. behandelt wird

2. Es gibt keine Ressourcen, die Intensivmediziner müssen entscheiden, jemanden sterben zu lassen, damit ein anderer mit besseren Überlebenschancen behandelt werden kann. 

Wenig Erfolgsaussichten - keine Behandlung

Im zweiten Fall schlägt die "Handlungsempfehlung zur Therapiezielfindung in der Intensivmedizin des Wiener Gesundheitsverbundes" vor, sich an der Überlebenswahrscheinlichkeit zu orientieren. Es mache rechtlich keinen Unterschied, ob eine Behandlung beendet oder gar nicht erst begonnen wird. 

Die Intensivmediziner müssen die Erfolgsaussichten auf ein "Überleben der Intensivtherapie" abwägen. Wichtige Faktoren sind, ob ein Patient weitere Erkrankungen hat, wie die Laborwerte und die Prognose aussehen. Sind die Aussichten auf Erfolg gering, wird nicht auf der Intensivstation behandelt. Die Ärzte müssen die Erfolgsaussichten eines Patienten mit denen von anderen Hospitalisierten auf der Station vergleichen. 

Behandlung beenden bei ...

Die Entscheidung, einen Patienten sterben zu lassen, sollen die Ärzte treffen, wenn

  • keine Möglichkeit besteht, ihn auf eine Intensiv-Station eines anderen Spitals zu verlegen
  • wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit auf einen chronisch-kritischen Krankheitszustand besteht
  • wenn ein anderer Patient bessere Erfolgsaussichten hat

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Online-Rechner bestimmt Sterbewahrscheinlichkeit

Bei der Entscheidung soll den Ärzten auch ein sogenannter "4c Mortality Score" helfen. Dieser Online-Rechner bestimmt die Sterbewahrscheinlichkeit bei Covid-Patienten. Das Papier merkt aber an, dass aufgrund der geringen Erfahrung "diesbezüglich aber noch keine Empfehlung ausgesprochen werden" kann. Ärzte verlassen sich bei ihren Entscheidungen aber nicht ausschließlich auf dieses Tool. Der Rechner wird mit unter anderem Labor-Werten und der Vorgeschichte des Patienten sowie Alter und Geschlecht gefüttert und soll so die Überlebenschancen ausrechnen. 

Noch sind geringe Ressourcen in Wien frei. Die Zahlen steigen aber täglich. Die Lage ist angespannt, das könnte zunehmend schlimmer werden. 

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ribbon Zusammenfassung
  • Auszuwählen, wer einen Platz auf einer Intensivstation bekommt, wenn diese eigentlich voll ist, entscheidet über Leben und Tod. Wiens Intensiv-Stationen arbeiten am Limit, der Wiener Gesundheitsverbund hat eine Leitlinie ausgegeben, an der sich Ärzte orientieren sollen, wenn sie Schwerkranke und Sterbende abweisen müssen.