Digitalisierung für den Katastrophenschutz? Kommunen warten auf politisches Signal
Mit dem 10-Punkte-Programm „Zukunft Hochwasserschutz 2024+“ kündigte das Bundesministerium Ende Mai 2025 ambitionierte Maßnahmen zur Hochwasservorsorge an. Doch eine längst einsatzbereite Lösung aus Niederösterreich bleibt dabei außen vor: Ein erprobtes Frühwarnsystem für Hochwasser, das Einsatzkräften und der Bevölkerung bis zu drei Stunden Zeitvorsprung verschaffen kann, wird durch bürokratische Hürden ausgebremst.
„Kommunen wollen unsere Lösung – aber sie können nicht“, sagt Stefan Pfeffer, Geschäftsführer der WSI Systems GmbH. Das Unternehmen mit Sitz in Ruprechtshofen (NÖ) ging Anfang 2025 als Spin-off aus der Microtronics Engineering GmbH hervor und bietet mit wasserstand.info eine digitale Lösung, die bereits seit über einem Jahrzehnt in mehreren Gemeinden erfolgreich im Einsatz ist. Der Haken: „Landesförderungen decken nur bauliche Maßnahmen ab – digitale Systeme wie unseres fallen durch den Rost.“
Das bestätigt auch der Obmann des Sierningbach-Wasserverbandes Ronald Muhr: “Ich sehe den Zugang zu modernen Frühwarnsystemen unumgänglich, um die Bevölkerung in dieser Region vor weiteren Hochwasser-Katastrophen zu schützen. Da muss sich dringend etwas tun und wir sind da auf Unterstützung angewiesen. Leider stehen uns jedoch derzeit keine nachhaltig wirkenden Fördermittel zur Verfügung, obwohl der Schutz der Bevölkerung höchste Priorität haben sollte.”
Effektive Vorsorge braucht digitale Werkzeuge – und passende Förderlogik
Pfeffer appelliert an die Verantwortlichen in Bund und Ländern: „Wer es mit digitaler Prävention ernst meint, muss auch die Förderlandschaft modernisieren.“ Gerade das Hochwasser im Jahr 2024 habe gezeigt, dass die bestehenden statischen Pegelanzeige-Systeme dringend ergänzt werden müssen, um lebenswichtige, flächendeckende Informationen in Echtzeit zu erhalten. Das System wasserstand.info ergänzt die bestehenden Landesmessnetze auf völlig neue Weise: Autarke, wetterfeste Sensoren überwachen kontinuierlich die Pegelstände sowie die Grundwasser-, Boden- und Hangfeuchte an neuralgischen Punkten. Sie liefern Daten zu kleinregionalen Überflutungen, die häufig die größte Gefahr darstellen. Eine KI-gestützte Analyse verknüpft diese Echtzeitdaten mit Niederschlags- und Wetterprognosen.
Im Ernstfall erfolgt die automatische Alarmierung der Einsatzkräfte – und im zweiten Schritt der betroffenen Bürger:innen per SMS. Der dadurch gewonnene Zeitvorsprung kann Leben retten und massive Schadensprävention bieten.
„Digitale Systeme zur Hochwasserfrühwarnung sind für uns als Feuerwehr ein echter Gamechanger – und längst überfällig. Wir brauchen endlich eine verlässliche Lösung, um rechtzeitig reagieren zu können. Drei Stunden Vorsprung können den Unterschied zwischen Schutz und Zerstörung machen. Besonders wichtig ist dabei die Betrachtung gesamter Einzugsgebiete – nur so erhalten wir ein umfassendes Lagebild und können gezielt und frühzeitig Maßnahmen setzen“, betont der Bezirksfeuerwehrkommandant von Gänserndorf, OBR Georg Schicker.
Volkswirtschaftliche Perspektive: Milliarden können durch Prävention gespart werden
Die volkswirtschaftliche Dimension der Hochwasserschäden ist enorm. Laut WISO-Kennzahlen verursachten Hochwasserereignisse zuletzt über 1,3 Milliarden Euro Schaden – und das ohne Berücksichtigung der Infrastrukturschäden. Realistisch betrachtet ist von einer Schadenssumme in doppelter Höhe auszugehen. Studien belegen jedoch: Durch gezielte Frühwarnmaßnahmen wie sie über wasserstand.info ermöglicht werden – etwa das rechtzeitige Entfernen von Fahrzeugen aus Tiefgaragen oder das Sichern wertvoller Gegenstände – kann in Einzelfällen eine Schadensreduktion von 50 bis 100 Prozent erzielt werden. Damit leisten Systeme wie WSI nicht nur einen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit von Bevölkerung und Einsatzkräften, sondern entlasten auch den Staatshaushalt langfristig massiv. Ein österreichweiter Rollout des Systems würde nur einen Bruchteil der Hochwasserschäden von 2024 in Niederösterreich kosten – und hätte sich bereits beim ersten Einsatz mehrfach bezahlt gemacht. Die Investition in flächendeckende, datenbasierte Frühwarnsysteme rechnet sich somit auch aus volkswirtschaftlicher Sicht – und das nachhaltig.
Technologie aus Österreich – für Österreich
Das System wurde vollständig in Österreich entwickelt und kommt ohne kritische Bauteile aus dem Ausland aus. Es ist einsatzbereit, skalierbar und angesichts der zunehmenden Extremwetterereignisse aktueller denn je.
Das bestätigt auch Bürgermeister Leopold Gruber-Doberer aus Ruprechtshofen: „Es macht uns stolz, dass dieses digitale Frühwarnsystem in Ruprechtshofen entwickelt wurde – und wir es bereits seit über einem Jahrzehnt erfolgreich im Einsatz haben. In Zeiten zunehmender Starkregenereignisse leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit unserer Region. Das System verschafft unseren Einsatzkräften den nötigen Zeitvorsprung, um vorbereitet zu sein, bevor das Wasser kommt – und schützt so die Bevölkerung und unsere Gemeinden.“
Kapital für Expansion steht bereit – fehlt nur noch der politische Wille
Anfang 2025 hat die WSI Systems GmbH ein Investorenkonsortium aus Salzburg gewonnen, das frisches Wachstumskapital bereitstellt. Die Technik ist einsatzbereit und die Nachfrage aus den Gemeinden ist hoch.
Wir sind startklar. Die Politik auch?
Zusammenfassung
- Das Bundesministerium hat Ende Mai 2025 ein 10-Punkte-Programm für den Hochwasserschutz vorgestellt, lässt dabei aber ein bewährtes Frühwarnsystem aus Niederösterreich außen vor.
- Das digitale System wasserstand.info kann Einsatzkräften und Bevölkerung bis zu drei Stunden Zeitvorsprung verschaffen, wird aber wegen fehlender Förderungen für digitale Lösungen nicht flächendeckend eingesetzt.
- Experten wie der Obmann des Sierningbach-Wasserverbandes und Feuerwehrkommandanten fordern dringend eine Modernisierung der Förderlandschaft, um digitale Frühwarnsysteme nutzen zu können.
- Durch KI-gestützte Analysen und automatische Alarmierung können laut Studien Hochwasserschäden um bis zu 50 bis 100 Prozent reduziert werden, während Hochwasser zuletzt über 1,3 Milliarden Euro Schaden verursachten.
- Obwohl das System vollständig in Österreich entwickelt und einsatzbereit ist und Kapital für die Expansion bereitsteht, fehlt bislang ein klares politisches Signal für den flächendeckenden Einsatz.