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Zehn Stunden Lesemarathon für bessere Inklusion Behinderter

Heute, 09:06 · Lesedauer 3 min

Vertreter der österreichischen Behindertenorganisationen haben am Montag mit einem gemeinsamen, insgesamt für zehn Stunden geplanten Lesemarathon vor dem Parlament auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen aufmerksam gemacht. Die Politik müsse die Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention endlich ernst nehmen, sahen die Veranstalter noch deutliche Lücken. Auch die Opposition sah die Regierung säumig.

"Wir sind hier, um unsere Menschenrechte einzufordern", betonte Behindertenratspräsident Klaus Widl zum Auftakt der Veranstaltung. Mit der über den ganzen Tag laufenden Lesung der UN-Behindertenrechtskonvention, der in der Früh auch Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) einen Besuch abstattete, sollte am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen auf klaffende Inklusionslücken aufmerksam gemacht werden.

Für die von 9 Uhr früh bis 19 Uhr abends angesetzte Aktion wurde vor dem Parlamentsgebäude eine symbolische "Baustelle für Inklusion" errichtet - mit gelben Bauhelmen, Schaufeln und Absperrbändern. Der Weg zur gleichberechtigten Teilhabe in Österreich sei "noch lange nicht fertig gebaut", hieß es. Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 seien "fast 17 Jahre ins Land gezogen" und zur Umsetzung der Konvention sei es "noch ein sehr weiter Weg". Die Umsetzung der 50 Artikel der UN-Behindertenrechtskonvention sei nach wie vor "nur Stückwerk".

Dass es zahlreiche Defizite gebe, sei auch bei der letzten Staatenprüfung im Sommer 2023 durch den zuständigen UN-Fachausschuss festgestellt worden, betonte auch Behindertenratspräsident Widl in seiner Rede. "Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung endlich eine Umsetzung der Behindertenrechtskonvention startet", sagte er.

Rückschritt statt Fortschritt

Punktuell habe es in den vergangenen Jahren sogar Rückschritte gegeben, betonten die Organisationen, etwa bei Standards für den barrierefreien Wohnbau. Ähnlich sehe es in Bereichen wie inklusiver Bildung, Arbeitsmarkt-Zugang oder politischer Partizipation aus. Auch verwies man auf die gesplitteten Zuständigkeiten zwischen Gemeinde, Bundesländer und Bund. Entscheidungen über dringende Maßnahmen würden hinausgezögert bzw. "hin und her geschoben".

Kritik der Opposition

"Bereits die schwarz-grüne Regierung hat es über Jahre hinweg verabsäumt, die UN-Behindertenrechtskonvention ernsthaft umzusetzen", kritisierte FPÖ-Behindertensprecher Christian Ragger in einer Aussendung. Der Nationale Aktionsplan Behinderung (NAP II) sei bis heute "ein Sammelsurium an vagen Absichtserklärungen". Ragger attackierte vor allem die Grünen, die sich in der Behindertenpolitik als "Totalausfall" erwiesen hätten, verunglimpfte aber auch gleich diese sowie alle anderen politischen Mitbewerber als "Einheitsparteien": "Einmal im Jahr sprechen SPÖ, ÖVP, NEOS und Grüne über Inklusion, posten ein paar nette Sprüche am Protesttag - und dann verschwindet das Thema wieder bis zum nächsten Jahr."

Der Grüne Behindertensprecher Ralph Schallmeiner forderte unter anderem Rechtsansprüche auf die Beseitigung von Barrieren, ein elftes und zwölftes Schuljahr für Jugendliche mit Behinderungen sowie den Ausbau der Persönlichen Assistenz. Bund und Länder müssten die in der Konvention verbrieften Rechte umsetzen, sagte er.

Zahlreiche Organisationen vor dem Parlament

An der öffentlichen Aktion waren neben dem Behindertenrat auch die Lebenshilfe Österreich, der ÖZIV Bundesverband für Menschen mit Behinderungen und die Hilfsorganisationen Diakonie und Caritas vertreten. Zu den weiteren Organisatoren zählen der Dachverband berufliche Inklusion Austria sowie die Vereine Jugend am Werk, der Behindertenverband KOBV, der Literaturverein Ohrenschmaus für Menschen mit Lernbehinderung, der Verein BIZEPS - Zentrum für Selbstbestimmtes Leben und die Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben Österreich (SLIÖ).

Beteiligt an der Aktion waren auch weitere Mitglieder des Österreichischen Behindertenrats wie etwa Pro Mente, die WAG Assistenzgenossenschaft, der Gehörlosenbund sowie der Blinden- und Sehbehindertenverband, die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs, der Schwerhörigenbund, die MS-Gesellschaft, sowie die FmB - Interessensvertretung Frauen mit Behinderungen und die ME/CFS-Gesellschaft.

Zusammenfassung
  • Vertreter österreichischer Behindertenorganisationen hielten einen zehnstündigen Lesemarathon vor dem Parlament ab, um auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen.
  • Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2008 sind fast 17 Jahre vergangen, doch die Umsetzung ist weiterhin unvollständig.
  • Die Veranstaltung, an der zahlreiche Organisationen teilnahmen, fand am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen statt.