Wifo und IHS plädieren für stärkere Budgetsanierung ab 2027
Das gemeinsame Budgetdefizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern liegt in den kommenden Jahren noch immer deutlich über dem Maastricht-Grenzwert von 3 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 betrug das heimische Defizit 4,7 Prozent. Im Juli wurde deswegen die Eröffnung eines EU-Defizitverfahrens gegen Österreich offiziell beschlossen.
Für IHS-Chef Holger Bonin und Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr ist das Defizit, auch wenn es bis 2027 auf vier Prozent sinkt, "viel zu hoch". Die öffentliche Hand müsse "relativ stark auf die fiskalische Bremse steigen", sagte Bonin bei der Präsentation der Konjunkturprognose am Donnerstag. 2026 müsse die Regierung "entscheidende Weichenstellungen" vornehmen. Einsparungspotenzial sieht Bonin unter anderem im Bildungs- und Gesundheitssystem, bei den Pensionen und dem "Förderdschungel."
Wifo-Direktor Felbermayr verwies auf die stark gestiegenen Staatsausgaben. Der staatliche Konsum sei seit 2019 real um 16 Prozent gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hingegen nur um 3,5 Prozent gewachsen. Wenn die Konjunktur nun besser laufe, müsse der Fokus der Einsparungen auf der Einnahmenseite liegen. Einnahmenseitig sei die öffentliche Hand "stark am Limit". Felbermayr befürwortet eine Grundsteuererhöhung aber nur, wenn dies finanzielle Reformbemühungen in anderen Bereichen nicht bremst.
Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) zeigte sich über die nach oben revidierte Konjunkturprognose erfreut. "Die günstigere Konjunktur unterstützt die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und die Budgetsanierung", so Marterbauer in einer Stellungnahme. Er sei "aber erst zufrieden, wenn Budgetdefizit, Arbeitslosigkeit, Inflation und Treibhausgasemissionen merklich zurückgehen". Für Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) hat die Bundesregierung "bereits wichtige Weichen gestellt, um einen nachhaltig wirkenden Aufschwung in Österreich zu erreichen".
Höheres Budgetdefizit bei Ländern und Gemeinden
Die derzeit vorliegenden Daten würden darauf hindeuten, dass die Budgetentwicklung im Bund "etwas besser ausfällt als geplant", während die Defizite auf Ebene der Länder und Gemeinden "höher ausfallen dürften", schreibt das Institut für Höhere Studien (IHS) in seiner Konjunkturprognose.
Auch das Wifo verwies auf "das weiterhin kräftige Wachstum der Ausgaben" der Bundesländer und Gemeinden. Neben den Verpflichtungen im Rahmen des Zukunftsfonds würden die demografischen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Elementarbildung die Ausgabendynamik treiben. Bei den öffentlichen Einnahmen dämpfe "die verhaltene Entwicklung des privaten Konsums" das Mehrwertsteueraufkommen, so die Wifo-Ökonomen. Die Aussetzung der Abgeltung des letzten Drittels der kalten Progression sowie der starke Anstieg der Höchstbemessungsgrundlage sorge hingegen für "ein robustes Wachstum" von lohnbezogenen Abgaben.
Staatsverschuldung steigt auf knapp 80 Prozent
Die österreichische Staatsverschuldung dürfte laut Wifo-Prognose von knapp 80 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2024 auf knapp 85 Prozent im Jahr 2027 steigen.
Zusammenfassung
- Wifo und IHS erwarten für 2024 ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 4,6 bzw. 4,4 Prozent des BIP, das auch 2027 mit 4,0 Prozent noch deutlich über dem Maastricht-Grenzwert von 3 Prozent bleibt.
