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Wiener Atomgespräche mit dem Iran unter Zeitdruck

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Der Auftakt der neuesten Gespräche über Irans Atomprogramm in Wien ist mit dem Hinweis auf die große Dringlichkeit eines baldigen Abschlusses zu Ende gegangen. "Wir haben nicht alle Zeit dieser Welt", sagte EU-Spitzendiplomaten Enrique Mora Donnerstagnachmittag. Die Fortsetzung der siebenten Gesprächsrunde in diesem Jahr sei nicht schwieriger als vorhergehende Treffen. Aber es gelte: "Je mehr Zeit verstreicht, desto akuter wird es", so Mora. Die EU koordiniert die Gespräche.

Spitzendiplomaten aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien zeigten sich nach den ersten Gesprächen nach über fünf Monaten Pause in der Vorwoche enttäuscht über die Herangehensweise des Iran. Auch die USA waren ernüchtert. Mora sah am Donnerstag aber trotz großer Differenzen positive Bewegungen. Er habe eine "erneute Zielstrebigkeit" von allen Verhandlungsteilnehmern gespürt. Das gemeinsame Ziel sei es, einen gemeinsamen Abschluss zu erreichen. Diese Ernsthaftigkeit werde in den kommenden Tagen in Arbeitsgruppen getestet werden. Es gehe darum, den Atomdeal "wieder zurück ins Lebens zu bringen". Ausgangspunkt für die weiteren Verhandlungen seien die bisher bereits ausgearbeiteten Punkte aus den vorherigen sechs Gesprächsrunden in diesem Jahr.

Die Islamische Republik soll zuletzt deutlich mehr Zugeständnisse von den Verhandlungspartnern gefordert haben als zuvor vereinbart. Der Iran habe unterstrichen, dass die "Gespräche seriös fortgesetzt werden", sagte der Chef-Unterhändler, Ali Bagheri Kani, nach Ende der Gespräche auf politischer Ebene zu Medien. Auch der Spitzendiplomat sprach davon, dass der Iran als Basis die bereits vereinbarten Positionen aus diesem Jahr akzeptiere. Ziel sei es, die Rechte und Interessen des Irans zu sichern, erklärte er zuvor.

Die Islamische Republik verlangt die Rücknahme aller wirtschaftlicher Sanktionen der USA. Auch von jenen Restriktionen, die sich nicht auf die nuklearen Tätigkeiten des Landes bezogen haben, sondern etwa mit Verletzungen der Menschenrechte zu tun haben. Zudem wollen sie, dass sich die Vereinigten Staaten dazu verpflichten, auch unter einer anderen Administration an einem eventuellen neuen Vertrag festzuhalten. Das wäre allerdings aufgrund der US-Verfassung kaum umzusetzen.

Für Universitätsprofessor und Politikwissenschafter Heinz Gärtner ist die Wiederaufnahme des Atomdeals essenziell. "Es wäre eine Katastrophe für die Region, wenn es zu keinem Deal kommen würde. Es hängt sehr viel davon ab, was hier in Wien verhandelt wird." Sollte Teheran sein Nuklearprogramm weiter vorantreiben, würde Israel nach Meinung Gärtners versuchen, dies mit militärischen Anschlägen zu verhindern. Die USA müssten demnach Israel beistehen und der Iran würde mit Anschlägen in der Region darauf reagieren, so der Wissenschafter am International Institute for Peace (IIP).

Das 2015 in Wien nach jahrelangen, zähen Verhandlungen geschlossene Atomabkommen sollte den Iran am Bau von Atomwaffen hindern. Im Gegenzug wurden zahlreiche Sanktionen gegen das Land am Persischen Golf mit rund 83 Millionen Einwohnern aufgehoben. Zudem verpflichtete sich der Iran, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Zugang zu allen relevanten Standorten und Dokumenten zu gewähren.

Der damalige US-Präsident Donald Trump stieg 2018 nach lautem Säbelrasseln aber aus dem Vertrag aus und verhängte neue Sanktionen. Die Maßnahmen stürzten den Iran in eine schwere Wirtschaftskrise. Der Iran zog sich danach schrittweise ebenfalls aus dem als JCPOA bekannten Pakt zurück. Das Land begann mit der Produktion von fast waffenfähigem Uran, das unter anderem zum Bau von Atomwaffen benötigt wird. Zudem schränkte es die Kontrollen der in Wien ansässigen UNO-Behörde IAEA drastisch ein.

Der aktuelle US-Präsident Joe Biden signalisierte Bereitschaft für eine Neuauflage des Deals. Direkte Gespräche zwischen den USA und dem Iran gibt es aber weiterhin nicht. Die amerikanische Delegation wird am Wochenende in Wien erwartet.

Die übrigen Spitzendiplomaten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China vermitteln zwischen den Delegationen der USA und des Irans, die sich in zwei verschiedenen Luxushotels in Wien aufhalten. Die EU fungiert als Koordinator. EU-Spitzendiplomaten Enrique Mora traf sich bereits am Mittwoch mit dem IAEA-Chef Rafael Grossi.

Nach der Wahl des Hardliners Ebrahim Raisi zum neuen iranischen Präsidenten kam es zu einem über fünfmonatigen Gesprächsstopp. Die Verhandlungen wurden vergangene Woche im Wiener Palais Coburg mit einer neuen iranischen Delegation wieder aufgenommen. Nach fünf Tagen wurde eine Pause eingelegt, damit sich die Verhandler in den Hauptstädten ihrer Heimatländer beraten konnten.

Nach Meinung der USA und der europäischen Diplomaten verliefen die Gespräche zuletzt nicht gut. Ein Vertreter der US-Regierung sagte, der Iran sei mit seinen Vorschlägen von allen Kompromissen abgerückt, über die in den ersten sechs Verhandlungsrunden Anfang des Jahres noch gesprochen worden sei. Teheran seinerseits gab sich trotz des holprigen Starts zuversichtlich, dass eine Einigung erreichbar sei.

Für Teheran seien die Vorschläge "voll verhandelbar". Besonders Frankreich hatte diese jedoch entschieden abgelehnt: Sie seien "keine vernünftige Basis".

Russlands Vertreter Michail Uljanow mahnte Washington wie Teheran vor dem Start der fortgesetzten Gesprächsrunde, für eine bessere Atmosphäre für erfolgreiche Verhandlungen zu sorgen. Dieser Schritt sei "höchst an der Zeit", wie er auf Twitter schrieb. Die Differenzen zwischen den beiden Staaten könnten aber überwunden werden, blieb Uljanow optimistisch.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Auftakt der neuesten Gespräche über Irans Atomprogramm in Wien ist mit dem Hinweis auf die große Dringlichkeit eines baldigen Abschlusses zu Ende gegangen.
  • "Wir haben nicht alle Zeit dieser Welt", sagte EU-Spitzendiplomaten Enrique Mora Donnerstagnachmittag.
  • Es gehe darum, den Atomdeal "wieder zurück ins Lebens zu bringen".
  • Die Verhandlungen wurden vergangene Woche im Wiener Palais Coburg mit einer neuen iranischen Delegation wieder aufgenommen.