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Wiener Antiquar will Geschworene von Unschuld überzeugen

Heute, 14:31 · Lesedauer 4 min

Am kommenden Donnerstag wird am Wiener Landesgericht wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gegen einen angesehenen Wiener Antiquar verhandelt. Rainer Schaden, der Betreiber der Universitätsbuchhandlung in der Sonnenfelsgasse, hatte in seinem Webshop Werke aus der NS-Zeit angeboten und soll damit gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben. Dem traten am Dienstag seine Verteidiger entgegen.

"Wir sind optimistisch, dass das Strafverfahren ein gutes Ende nehmen wird. Wir werden versuchen, das Gericht von der Unschuld unseres Mandanten zu überzeugen", sagten Lukas Kollmann und Michael Pilz, die den 77-Jährigen vertreten. Beim Angeklagten handle es sich um einen Buchhändler mit jahrzehntelanger Erfahrung, der sich der Wissenschaft verschrieben habe, meinten die Anwälte gegenüber der APA.

Schaden hatte Bücher aus dem Nachlass der 2016 verstorbenen Historikerin Brigitte Hamann erworben, die mit ihrem Werk "Hitlers Wien" einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Hamann hatte für ihre Forschungszwecke Dutzende Bücher aus der NS-Zeit ihrer Bibliothek einverleibt. Etliche davon landeten nach Hamanns Ableben bei Schaden, "weil ihm die Aufarbeitung der NS-Zeit wesentlich ist", wie Kollmann und Pilz darlegten. Über seinen Webshop bot Schaden die Werke online zum Verkauf an, "wobei er zu keinem Zeitpunkt NS-Propaganda verbreitet hat bzw. verbreiten wollte", wie seine Verteidiger bekräftigten: "Er hat eine sorgfältige Auswahl getroffen, an wen die Bücher gehen und an wen nicht", sagten Kollmann und Pilz.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Wien nahm Schaden mit seinem Vorgehen eine Wiederbetätigung zumindest mit bedingtem Vorsatz in Kauf. "Eine rechtsradikale Gesinnung des Verkäufers selbst ist für die Erfüllung des Tatbestandes nicht erforderlich und wird dem Angeklagten auch nicht zur Last gelegt", hatte dazu zuletzt Behördensprecherin Nina Bussek kommuniziert. Aus den gesetzlichen Bestimmungen des Verbotsgesetzes ergebe sich, dass Propagandamaterial ohne nähere Erklärung oder Aufbereitung nicht öffentlich angeboten und nur unter bestimmten Voraussetzungen an andere herausgegeben werden darf. Der Besitzer von derartigen Materialien habe zu gewährleisten, dass diese nicht zur Wiederbetätigung verwendet werden. Eben diese Voraussetzungen seien "im vorliegenden Fall nicht erfüllt", stellte Bussek fest.

Hinsichtlich des Antrags auf gerichtliche Einziehung der sichergestellten Bücher hielt Bussek fest, jene Bände, denen ein wissenschaftlicher Wert beigemessen wird, würden "nicht vernichtet, sondern Museen oder Institutionen zur Verfügung gestellt, denen eine besondere Sorgfalt im Umgang mit derartiger Literatur zu rein wissenschaftlichen Zwecken auferlegt wird".

Tatzeitraum von Oktober 2024 bis zum Jänner 2025 inkriminiert

Die Staatsanwaltschaft Wien wirft Schaden vor, dieser habe sich zumindest vom Oktober 2024 bis zum Jänner 2025 im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er öffentlich in für jedenfalls mehr als 30 Menschen wahrnehmbarer Weise in seinem Webshop unter der Kategorie "Drittes Reich" den Nationalsozialismus verherrlichende Bücher zum Kauf anbot. In der Anklageschrift wird betont, Schaden habe nicht nur in Bücher gebundene NS-Propaganda offeriert, sondern die Tat "auf eine Weise begangen, dass sie vielen Menschen zugänglich wurde". Die von der Anklage umfassten Werke tragen Titel wie "Das Ende Österreichs", "Wie die Ostmark ihre Befreiung erlebte" oder "Deutsche Wissenschaft und Judenfrage".

Auf die Frage, wie es ihrem Mandanten vor der Hauptverhandlung geht, erwiderten Kollmann und Pilz, dieser sei "kraft Alters aufgeregt". Zugleich sei Schaden "überzeugt, dass die Angelegenheit am Donnerstag aufgeklärt wird und er diese Episode abschließen kann".

IG Autorinnen Autoren für Einstellung des Verfahrens

"Es ist absolut entwürdigend und vollkommen unangemessen, was sich seit fast schon einem Jahr rund um den Antiquar Rainer Schaden mit Polizeieinsätzen, Verhören, Ermittlungen und Einvernahmen abspielt", meinte Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren in einer Aussendung. Alles andere als die Einstellung dieses Verfahrens wegen Nichterfüllung des Tatbestandes wäre "ein beispielloser Justizskandal" und würde aus dem Verbotsgesetz ein Behinderungsinstrument für die weitere Aufarbeitung des NS-Systems machen, meinte Ruiss.

Zusammenfassung
  • Am Donnerstag steht der 77-jährige Wiener Antiquar Rainer Schaden vor Gericht, weil er zwischen Oktober 2024 und Jänner 2025 NS-Literatur aus dem Nachlass der Historikerin Brigitte Hamann in seinem Webshop öffentlich zum Verkauf angeboten haben soll.
  • Schadens Verteidiger betonen, ihr Mandant habe nie NS-Propaganda verbreiten wollen und die Werke sorgfältig ausgewählt, während die IG Autorinnen Autoren die Einstellung des Verfahrens fordert und von einem möglichen Justizskandal spricht.