Wie einfach wäre der Ausstieg aus russischem Gas?

0

Umweltministerin Gewessler will endlich raus aus dem russischen Gas. Energieexperte und Ex-Control-Chef Boltz glaubt daran, dass das möglich ist - und nicht "teurer". Nicht alle politischen Mitstreiter sind davon überzeugt.

Österreich müsse endlich raus aus dem Gas-Vertrag mit Russland, so Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag. Mit seinen Energierechnungen finanziere man den "abscheulichen" russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Der Versuch sich vom russischen "Knebelvertrag" zwischen OMV und Gazprom zu lösen ist nicht neu, mit dem Vorstoß rollt das Klimaschutzministerium BMK die Debatte neu auf. Die Abhängigkeit sei ein Sicherheitsrisiko und die OMV lässt wissen, sie könnte schon jetzt zu 100 Prozent auf russisches Gas verzichten.

Exit aus dem Vertrag

Es gibt mehrere Möglichkeiten für einen Vertragsausstieg, die einfachste wären Sanktionen. Die EU oder Österreich könnten russische Gasimporte sanktionieren – letzteres müsste der Nationalrat beschließen. Möglichkeit drei wäre eine Änderung des Gas-Wirtschafts-Gesetzes, wie von Gewessler vorgeschlagen. Dann dürften Österreichs Gasversorger kein russisches Gas mehr abnehmen und das würde unter "höhere Gewalt" fallen.

Würde Österreich den Gasvertrag brechen, dann würde man wahrscheinlich vor einem internationalen Schiedsgericht angezeigt werden. Diese Verhandlung würde Jahre dauern und es ist fraglich, ob Österreich hier wirklich abgestraft würde. Bei einem Vertragsbruch würde Österreich nicht weiter zahlen.

Brunner spielt Ball zurück

Größter Stakeholder ist bei allen Beteiligungen die Republik Österreich, zum Teil über die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) - die ist dem Finanzministerium unterstellt. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) lässt auf Anfrage von PULS 24 wissen: Die Bundesregierung wolle "prinzipiell" die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren, dafür brauche es die "notwendige Infrastruktur" und einen beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien. Hierfür würde Geld vom Finanzministerium zur Verfügung gestellt, das Klimaschutzministerium müsse hier "dringend" die Ausarbeitung des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes auf den Boden bringen.

Mit der Infrastruktur ist der "WAG-Loop" gemeint, ein baulicher Lückenschluss der West-Austria Gasleitung Richtung Deutschland. Zwischen Oberkapel und Bad Leonfelden soll eine 40 Kilometer lange Pipeline gebaut werden, damit wird die Kapazität um 30 Prozent erhöht, so Gas Connect Austria. Das Vorhaben soll laut Aussendungen 3,5 Jahre dauern.

Die ÖBAG und somit die Republik Österreich sind zu 31,5 Prozent an der OMV beteiligt, der Verbund ist zu 51 Prozent im Besitz der Republik. Der Verbund hält die Mehrheit der Anteile an Gas Connect Austria (51 Prozent), die den WAG-Loop baut.

Angst vor dem Preistreiber

Der Gaspreis war im Jänner 2024 im Vergleich zum Vorjahr der stärkste Treiber der Inflation in Österreich, gefolgt von dem Fernheizungspreis. Weil Gas aus Russland billig war, geriet Österreich in die energiepolitische Abhängigkeit. Der Preisanstieg aufgrund des Ukraine-Kriegs ließ die Inflation hochschießen - eine Folge, die auch bei gestiegenen Kosten durch die Diversifizierung nicht auszuschließen ist. "Ein Ausstieg kostet mit Sicherheit Geld", so Franz Angerer von der Österreichischen Energieagentur (EAA) im Interview mit "Ö1". 

Walter Boltz im Gespräch mit PULS 24

Energieexperte Walter Boltz war bis 2016 Vorstand der E-Control-Austria, er berät das Klimaschutzministerium seit 2022. Auch er sagt im Interview mit PULS 24, dass in der Vergangenheit zu wenig getan wurde, um von Russland weniger abhängig zu werden. Den konkreten Vertrag zwischen Gazprom und OMV kennt er nicht.

Boltz sieht Ausstiegsmöglichkeit

Der Ausstieg würde "nicht mal viel Geld" kosten - so Boltz, man müsse nur etwas flexibel sein. Es sei weder wirtschaftlich- noch technisch eine größere Problematik zu überwinden. Russland habe den Vertrag letztes Jahr massiv verletzt und "da hätte man recht einfach wegen Vertragsverletzung der Russen kündigen können", das sei aber nicht getan worden. Gegenüber der APA bestätigt diese Einschätzung Energierechtsexperte Florian Stangl.

Russland habe 2022 einseitig die Liefer-Mengen reduziert. Damals hätte sich Österreich an ein Schiedsgericht wenden können, man habe es aber unterlassen. "Auch jetzt sei es durchaus denkbar, dass man aus den Verträgen aussteigt". 

Auch viele andere Länder hätten ihre Verträge mit Russland gekündigt und es hätte keine Schiedsgerichtentscheidungen dazu gegeben, dass in diesem Fall weiterbezahlt hätte müssen. 

Landbauer zu Gewessler: Sollte sich lieber um den Auftrag der ÖBB kümmern

In Klosterneuburg feierte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ihren Geburtstag. Im Rahmen dessen hat PULS 24 bei der heimischen Politik nachgefragt, wie sie den Vorstoß von Gewessler , Österreich mit einer Gesetzesänderung aus dem russischen Gasvertrag zu zwingen. 

Es sei "interessant", so NÖ-Landeshauptfrau-Stellverter Udo Landbauer (FPÖ),  dass Ministerin Gewessler sich mehr damit beschäftigte, wie man die "Gasprobleme, die Österreich hat, noch größer macht, aber nicht darum kümmert, dass die ÖBB ihrem Auftrag nachkommen kann, nämlich dem österreichischen Verkehr auf entsprechend aufrechtzuerhalten". 

Die Freiheitlichen lehnen den Vorschlag ab, sie befürchten "eine Vervielfachung des Gaspreises", wie sie in einer Aussendung am Montag mitteilten.

Hergovich zu Gewessler-Gas-Plan: "Muss ich mir noch anschauen"

NÖ-SPÖ-Chefbsagt im Interview mit PULS 24, dass er sich den Plan noch anschauen muss. Er sei für "seriöse" Politik und müsse sich den Plan erst anschauen.

Die SPÖ forderte am Montag einen konkreten und zwischen den Regierungspartnern abgestimmten Vorschlag, um "seriös darüber reden" zu können.

Schallenberg zu russischem Gas: Dürfen uns nicht erpressbar machen

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) begrüßt den Vorstoß. Die Energieministerin Gewessler habe schon vor zwei Jahren einen Ausstieg aus russischem Gas angekündigt.

"Wir dürfen uns nicht erpressbar machen und haben gemerkt, dass wir leichtsinnig waren und eine Situation erzeugt haben, wo wir erpressbar wurden", so Schallenberg. Auch er spricht sich klar für Diversifizierung der österreichischen Energieversorgung aus. Er freut sich über die konkreten Schritte.

ribbon Zusammenfassung
  • Umweltministerin Gewessler will endlich raus aus russischen Gas.
  • Energieexperte und Ex-Control-Chef Boltz glaubt daran, dass das möglich ist - und nicht "teurer".
  • Nicht alle politischen Mitstreiter sind davon überzeugt von der Notwendigkeit.