Weiterhin "Klima der Unsicherheit" in der US-Forschung
Die Soziologin und Politikwissenschafterin der University of California Los Angeles (UCLA) steht in engem Austausch mit den Mitgliedern des ASCINA-Vereins: "Auf der einen Seite warten Forschende in den USA immer noch, wie das mit der Finanzierung durch Regierungsbehörden weitergeht. Entscheidungen zu Kürzungen von Fördergeldern wurden getätigt oder aber auf die lange Bank geschoben."
Auf der anderen Seite zeigten die bisherigen Kürzungen bei den verschiedenen Ministerien, Behörden und Fördereinrichtungen, wie den National Institutes of Health (NIH) als dem gewichtigsten Forschungsförderer des Landes, wo konkret eingespart wird. Betroffen sind - wie schon absehbar war - vor allem Klimathemen, Virenforschung, Frauen- und Diversitätsthemen. "Selbst jene, die zur Menopause forschen, müssen derzeit um Forschungskürzungen bangen."
Initiativen wie "Grant Watch" (https://grant-watch.us/) zielen darauf ab, die durch die Trump-Administration beendeten Förderungen zu verfolgen. Die Association of American Universities verwies Anfang Mai auf einen aktuellen Bericht der Association of American Medical Colleges (AAMC), wonach die NIH in den vergangenen Monaten Mittel in Höhe von 1,9 Mrd. Dollar (1,62 Mrd. Euro) für Hunderte von Förderungen gestrichen haben.
Stiftungen oder auch die ausgebaute Zusammenarbeit mit der Industrie könnten diese Verluste nicht auffangen, so Lieben. Deshalb blickt man mit Sorge auf den Herbst: "Über allem liegt dieses Klima der Unsicherheit." Forschenden werde empfohlen, in Anträgen gewisse "Trigger-Worte" zu vermeiden, also Begriffe, die der US-Administration nicht passen, damit sie "unauffälliger durch das System kommen".
Unis ducken sich weg
Zudem würden sich die Unis ducken, "weil sie nicht wissen, ob sie als nächstes angegriffen werden": Lieben ist im System der öffentlichen University of California (UC) tätig - "und hier spitzt es sich gerade zu", sagte sie. Auf Streichungen von Fördermitteln, wie sie auch schon an die UCLA gerichtet waren, reagierten etwa der kalifornische Gouverneur genauso wie die Unis selbst, letztere mit Sammelklagen: "Nachdem in Amerika alles über die Gerichte ausgetragen wird, ist das sozusagen ein längerer Prozess. Man wartet immer darauf, dass ein Richter oder eine Richterin den Prozess stoppt und damit die Universität weitermachen kann, bis das juristische Urteil in letzter Instanz gefällt ist."
Eine Bundesrichterin in Boston verhinderte bereits, dass die US-Administration ausländischen Harvard-Studierenden die Einreise verbietet. "Auch das ist damit nur auf die Warteschiene geschoben", so Lieben. Gleichzeitig versuchten die Unis wie auch die UCLA zu helfen, indem sie erlauben, dass der Studienantritt von Studierenden oder Doktoranden - wegen potenzieller Verzögerungen beim Visa-Prozess - nicht wie üblich zum Herbst erfolgen muss, sondern auch um ein Jahr herausgezögert werden kann: "Das gab es bisher nie."
"Nein, wir helfen euch nicht"
Die UCLA hat mit anderen UC-Unis einen "Krisenstab" gebildet. An die Forschenden hat man Informationen über ihre Rechte verteilt. So sei man zum Beispiel keineswegs verpflichtet, Vertretern des "Immigration and Customs Enforcement" (ICE) gegenüber Auskunft zu geben, falls diese plötzlich am Campus auftauchen. "Es gibt also ein klares Signal: Nein, wir helfen euch nicht in eurem Unterfangen", so Lieben.
Die Fördergeber haben ihrerseits empfohlen, die zugesprochenen Forschungsmittel so schnell wie möglich zu beanspruchen und im Rahmen der Projekte vor allem Daten zu sammeln: "Die Auswertung der Daten gilt als weniger ressourcenintensiv und könnte damit später erfolgen, falls es hart auf hart kommt." Dass mit der Situation nach wie vor nicht zu spaßen ist, zeigt, "dass die Columbia University gerade erst 100 Research Scientists (wissenschaftliche Mitarbeiter, Anm.) entlassen musste - eine große Zahl", so Lieben. Das wirke sich auf den Betrieb von Infrastrukturen aus, aber etwa auch auf die Durchführung klinischer Studien.
Geht um die Meinungsfreiheit im Land
Verhandlungen mit der Trump-Regierung, wie sie derzeit die Universität Harvard führt, spielten sich auf einem sehr schmalen Grat ab, so Lieben: Welche Kompromisse sind vertretbar, bevor man Werte, Prinzipien, und wissenschaftliche Integrität "verkauft"? "Die anderen US-Universitäten verfolgen genau, was mit Harvard passiert, ob und wie es sich mit einer unberechenbaren US-Administration einigen wird. Es steht viel auf dem Spiel. Dass die US-Regierung der Harvard Universität nun auch eine Mitverantwortung an antisemitischen Vorfällen auf dem Campus vorwirft, bringe noch eine Ebene dazu, die den Druck auf die Verhandlungen verstärke, was ja Absicht sei. "Am Ende des Tages geht es um die akademische Freiheit und um die Meinungsfreiheit im Land - ein Kampf, der von den Universitäten ausgeht, aber alle betreffen wird", erklärte Lieben.
Das kürzlich von der österreichischen Regierung ausgeweitete Opportunity Hiring von fünf auf zehn Prozent (befristet bis 30. September 2026) und die damit einhergehende Flexibilisierung bei der Anwerbung von Professorinnen und Professoren, auch aus den USA, findet Lieben gut und wichtig - schon alleine, "weil Österreich damit ein Signal setzt, dass man quasi 'open for business' ist." Auch eine Reihe von Hochschulen und Forschungseinrichtungen würden sich überlegen, wie sie Angebote an in den USA tätige Forscher machen können.
"Chance für Österreich"
So kommen etwa auch heuer noch Mittel aus dem Fonds Zukunft Österreich (FZÖ) der Anwerbung von Forschenden aus den USA zugute, wie seit Freitag bekannt ist: Die Österreichische Akademie der Wissenschaften nutzt 10 Millionen Euro für ein neues Programm ("APART-USA"), noch im Juli sollen 25 Stipendien für exzellente Postdocs aus den USA ausgeschrieben werden. Auch Nachwuchsprogramme vom Wissenschaftsfonds FWF profitieren von FZÖ-Förderungen und können so mitunter der Ansprache internationaler Talente dienen. Dieses "Mosaik an Initiativen" sei "eine Chance für Österreich aufzumachen und sich weiter zu internationalisieren".
Zusammenfassung
- Die US-Forschung steht weiterhin unter einem "Klima der Unsicherheit", ausgelöst durch Budgetkürzungen, Stellenstreichungen und Einschränkungen des internationalen Austauschs unter Präsident Trump.
- Die National Institutes of Health (NIH) haben in den letzten Monaten Förderungen im Wert von 1,9 Milliarden Dollar (1,62 Milliarden Euro) gestrichen, besonders betroffen sind Klimaforschung, Virenforschung und Diversitätsthemen.
- Universitäten wie die University of California und Harvard reagieren mit Klagen und Anpassungen, während Forschenden geraten wird, sensible Begriffe in Anträgen zu vermeiden.
- Die Columbia University musste 100 wissenschaftliche Mitarbeiter entlassen, was sich negativ auf Forschungsinfrastruktur und klinische Studien auswirkt.
- Österreich nutzt die Situation mit Programmen wie APART-USA (10 Millionen Euro, 25 Stipendien) und ausgeweitetem Opportunity Hiring, um gezielt Forschende aus den USA anzuwerben.