Weit verbreiteter Missbrauch in ungarischen Kinderheimen
Vor der im Frühjahr erwarteten Parlamentswahl in Ungarn steht der rechtsnationalistische Ministerpräsident Viktor Orban unter Druck: Tisza-Chef Peter Magyar liegt in Umfragen vorn. Der Bericht dürfte die Wut gegen Orbans Regierung weiter anheizen. "Die Orban-Regierung ist definitiv gescheitert", schrieb Magyar im Onlinenetzwerk Facebook.
Der jetzt erst veröffentlichte Bericht beruht auf einer zwischen Juli und November 2021 erfolgten Umfrage, an der 507 von 676 angestellten Betreuungspersonen teilnahmen. Er wurde 2022 an die zuständigen Behörden weitergeleitet, "um deren Arbeit zu unterstützen", wie das Innenministerium in einer Stellungnahme erklärte.
Dem Bericht zufolge wurden damals mehr als 320 Kinder in staatlicher Obhut Opfer sexueller Gewalt, 77 von ihnen wurden demnach missbraucht. Das Betreuungspersonal kritisierte laut dem Bericht zudem, dass Polizei oder Staatsanwaltschaft Ermittlungen ohne Anklage einstellten. Als Grund dafür sei meist ein Mangel an Beweisen genannt worden, hieß es.
Orban regiert Ungarn seit 15 Jahren, nach einer ersten vierjährigen Amtszeit bis 2002. Er ist damit der dienstälteste europäische Regierungschef. Seit seiner Rückkehr an die Macht 2010 hat Orban nach eigenen Angaben dem Kinderschutz in seiner Politik höchste Priorität eingeräumt. In den vergangenen Jahren wurde seine Regierung jedoch von mehreren Missbrauchsskandalen erschüttert.
Zusammenfassung
- Ein bisher unveröffentlichter Regierungsbericht dokumentiert rund 3.000 mutmaßliche Missbrauchsfälle in ungarischen Kinderheimen, was mehr als einem Fünftel aller Minderjährigen in staatlicher Obhut entspricht.
- Laut dem Bericht, der auf einer Umfrage unter 507 Betreuungspersonen basiert, wurden mehr als 320 Kinder Opfer sexueller Gewalt und 77 davon explizit missbraucht.
- Die Veröffentlichung durch die oppositionelle Tisza-Partei vor der Parlamentswahl erhöht den Druck auf Ministerpräsident Viktor Orban, dessen Regierung bereits mehrfach von Missbrauchsskandalen erschüttert wurde.
