Viele Baustellen im Vorarlberger Bildungssystem
Vorarlberg war der nationale Bildungsbericht zu wenig: Auf Initiative der Wirtschaftskammer (WKV) unterzieht das Land sein Bildungswesen einem bundeslandspezifischen Monitoring, um daraus Maßnahmen abzuleiten. In der Bildungspolitik handle man mit den besten Absichten, man wolle aber datengestützt wissen, "ob wir das Richtige tun", so Schöbi-Fink. Das Projekt, das sich von der Elementarpädagogik bis hin zur Matura bzw. dem Lehrabschluss zieht, ist langfristig angelegt; eintreffende aktuelle Daten sollen laufend eingepflegt werden. Wiederkehr begrüßte die "Pionierarbeit" und hob die Anstrengungen beim Kinderbetreuungsausbau hervor. "Daten, Daten, Daten" seien die Grundlage für eine Weiterentwicklung der Bildung.
Laut dem nun erstmals vorliegenden Bericht ist der Anteil an Vorschülern in Vorarlberg mit gut 700 jährlich im Bundesländervergleich besonders hoch, 62 Prozent davon sind männlich, 65 Prozent sind keine Deutsch-Muttersprachler. Ebenso sind 63 Prozent aller Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Buben. 88 Prozent der Schüler, gut 3.800, wechseln nach der achten Schulstufe in weiterführende Schulen, Deutsch-Zweitsprachler besuchen großteils eine Polytechnische Schule (34 Prozent), eine Berufsschule (38 Prozent), oder eine Berufsbildende Mittlere Schule (41 Prozent), im "Poly" und der Berufsschule ist der Bubenanteil mit je über 60 Prozent besonders hoch.
Steigende Zahlen bei Schulabbrechern
Besorgniserregend ist die Entwicklung bei den Schulabbrechern: 355 Schüler blieben 2022 ohne Pflichtschulabschluss, ein Plus von 55 Prozent gegenüber 2015, davon hatten 57 Prozent Migrationshintergrund, 62 Prozent waren männlich. Projektleiter Andreas Kappaurer forderte "genaues Hinschauen". Laut dem Bildungsminister besteht diese Tendenz überall in Österreich, was für Wirtschaftsstandort und Demokratie gleichermaßen schwierig sei. Für Wiederkehr war dabei "jeder Schüler, jede Schülerin eine zu viel". Es brauche mehr Angebote zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses, zudem bereite man die Einführung einer Mittleren Reife vor, mit der man sichergehen will, dass jeder Schulabgänger Grundkenntnisse in Deutsch, Mathematik und Englisch hat.
Wirtschaft sieht hohe Zahl aufgelöster Lehrverträge mit Sorge
Laut dem Vorarlberger Bericht geht zudem die Zahl der Lehrabschlüsse zurück, rund 1.000 Lehrverträge werden jährlich aufgelöst, 30 Prozent durch den Lehrling selbst - zu viele, geht es nach der Wirtschaftskammer und dem Land. Bildung sei ein entscheidender Faktor für den Wirtschaftsstandort und den Wohlstand, betonte WKV-Präsident Karlheinz Kopf. Erstmals liege nun eine Objektivierung subjektiver Rückmeldung von Ausbildungsbetrieben vor, wonach viele Lehrlinge schulische und soziale Defizite hätten. "Es geht um eine Steuerung des Bildungssystems hin zum Besseren", betonte er.
Vorarlbergs Schüler mit "eklatanten" Schwächen bei der Matura
Ebenfalls zu denken gibt den Verantwortlichen das schlechte Abschneiden der Schüler und Schülerinnen bei der Matura: in Deutsch belegten sie 2023 an AHS und BHS bei den Fünfern Platz eins, zudem gab es am wenigsten "Sehr Gut" im Bundesländervergleich, auf den hinteren Rängen lag man auch bei Mathematik und Englisch. Projektleiter Andreas Kappaurer bezeichnete diese Schwäche als "eklatant". Für Schöbi-Fink zeigt das, dass sich mangelnde Deutsch-Kenntnisse bis zur Matura fortschreiben, man wolle daher noch stärker in der Elementarpädagogik und Volksschule ansetzen. Hier sei man dankbar für die Unterstützungspakete des Bundes. "Deutsch ist die Eintrittskarte in unsere Gesellschaft", begründete Wiederkehr die Konzentration auf frühe Deutschförderung.
Zusammenfassung
- Im Jahr 2022 blieben 355 Schüler in Vorarlberg ohne Pflichtschulabschluss, was einem Anstieg von 55 Prozent seit 2015 entspricht und wobei 57 Prozent der Betroffenen Migrationshintergrund und 62 Prozent männlich waren.
- Rund 1.000 Lehrverträge werden jährlich in Vorarlberg aufgelöst, davon 30 Prozent durch die Lehrlinge selbst, was laut Wirtschaftskammer und Land als zu hoch gilt.
- Vorarlbergs Schüler erreichten 2023 bei der Matura bundesweit die meisten Fünfer in Deutsch und am wenigsten "Sehr Gut", wobei mangelnde Deutschkenntnisse als Hauptursache genannt werden.