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Venezuela: "USA wollen, dass Opposition Macht übernimmt"

Heute, 20:00 · Lesedauer 5 min

Seit Wochen schickt US-Präsident Donald Trump immer mehr Militär in die Karibik. Die US-Streitkräfte haben vor der Küste Venezuelas eine Drohkulisse aufgezogen. Angeblich ausschließlich, um gegen Drogenbanden vorzugehen. "Die USA haben ein klares Ziel: Sie wollen, dass die Opposition in Venezuela die Macht übernimmt", widersprach Mariano de Alba von der Denkfabrik IISS in Wien. Die Absetzung des autoritären Staatschefs Nicoás Maduro sei derzeit "durchaus möglich".

Das Regime kontrolliere aber nach wie vor alle Institutionen und habe die Unterstützung des mächtigen Militärs, das die zahlreichen Proteste nach der gefälschten Präsidentschaftswahl 2024 brutal niedergeschlagen hatte. "Die US-Regierung hofft darauf, die Armee durch die Drohkulisse dazu zu bringen, die Seiten zu wechseln", analysierte der Forscher vom International Institute for Strategic Studies am Mittwoch bei einem Online-Panel des Presseclubs Concordia. Nur dann sei ein friedlicher Übergang zur Demokratie möglich. Maduro sei jedoch klar, dass er - mit oder ohne Unterstützung der Armee - eine US-Invasion nicht abwehren könne. "Sollte es dazu kommen, wird sich das Regime in den Untergrund zurückziehen und Chaos stiften, um den demokratischen Übergang zu sabotieren."

Maduro ließ in den vergangenen Wochen vermehrt die Streitkräfte trainieren und rief Tausende Milizionäre zu den Waffen. "Wenn das Militär sich aufspaltet (in ein Maduro-Lager und ein Oppositionslager, Anm.) oder Maduro weiter treu bleibt, wird es schwierig. Dann bräuchte es US-Militärpräsenz, um Stabilität zu garantieren", sagte der Venezolaner. Ob die USA bereit seien, so weit zu gehen, sei alles andere als sicher. De Alba schloss nicht aus, dass Trump mit dem Regime in Caracas einen seiner berühmten "Deals" einfädelt. "Es kann passieren, dass Trump einen Deal aushandelt, bei dem Maduro zurücktritt und eine als moderater geltende Fraktion des Regimes die Macht übernimmt. Vor allem, wenn das Militär gegen einen Regimewechsel ist", so de Alba.

Zugute komme Maduro nicht nur, dass eine Invasion in den USA über die Parteigrenzen hinweg sehr unpopulär ist, sondern auch die Unsicherheit in der venezolanischen Bevölkerung. Viele Menschen hätten Angst vor einem Regimewechsel und dem Chaos, das dadurch einhergehen könne. Seit der Machtübernahme von Hugo Chavez, dem politischen Ziehvater Maduros, vor 26 Jahren habe die Opposition nicht mehr regiert. "Die Leute haben Angst und wissen nicht, was nach Maduro kommt", so der Tenor. Oppositionsführerin Maria Corina Machado, die im Herbst den Friedensnobelpreis verliehen bekam, agiert seit den Unruhen nach der Präsidentschaftswahl im Vorjahr aus einem geheimen Versteck heraus. "Das Regime ist sehr deutlich geworden. Maduro hat gesagt, dass sie mich töten werden, wenn sie mich erwischen", hatte Machado zuletzt in einem Video-Interview mit dem norwegischen Rundfunksender NRK gesagt.

Regimewechsel würde Abkehr von China und Russland bedeuten

Obwohl die Bande zwischen der venezolanischen Opposition und der US-Regierung traditionell nicht eng seien, glaubt de Alba, dass Machado "durch ihre Verbindungen zu Marco Rubio (US-Außenminister, Anm.), und ihre engen Beziehungen zu republikanischen Kongressabgeordneten in der Lage war", Trump zu beeinflussen. Das ideale Szenario der US-Strategen sei jetzt die Machtübernahme der Opposition. Dass sei umso erstaunlicher, da Trump noch im Vorjahr den Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Edmundo Gonzalez, nicht einmal in Mar-a-Lago empfangen wollte.

Maduros geopolitische Verbündete, Russland, China und der Iran haben zwar ein Interesse am Erhalt des Regimes, seien aber nicht in der Lage einen Regimewechsel zu stoppen, betonte de Alba. Eine oppositionelle Regierung würde in der Außenpolitik einen kompletten Kurswechsel vollziehen: Eine Abkehr von Russland und China und eine Annäherung an die USA und andere lateinamerikanische Länder. "Deswegen sind viele Parteien in Kolumbien (Nachbarland Venezuelas, Anm.) der Ansicht, dass ein Regimewechsel gut für die Region wäre, und unterstützen Trumps Pläne", sagte die kolumbianische Politologin Sandra Borda. Der mexikanische Politologe Carlos Pérez Ricart warnte dagegen vor einer "neuen großen Flüchtlingswelle", die über Mittelamerika auf die USA zusteuern könnte. "Eine US-Intervention in Venezuela wird für Mexiko innerhalb weniger Wochen zu einer humanitären Herausforderung", sagte der Forscher. Millionen Menschen haben das Land auf der Flucht vor Armut und Korruption bereits verlassen.

Europa als Vermittler "nicht präsent" und ohne Einfluss

Einigkeit herrschte in der Expertenrunde über die "Rolle" Europas im Konflikt. "Europa ist nicht präsent in Lateinamerika. Dabei bräuchten wir gerade in diesen unsicheren Zeiten mehr europäisches Engagement", sagte de Alba. Die EU habe keinen Einfluss auf Maduro, damit sei sie aus dem Spiel, sagte Borda. Zudem werde den Europäern Doppelmoral in der Bewertung internationaler Krisen vorgeworfen. Das habe sich beim letzten EU-Lateinamerika-Gipfel in Kolumbien gezeigt. "Die Südamerikaner haben das Gefühl: Wir sollen mit ihnen (Europa, Anm.) über die Ukraine reden, aber sie wollen nicht mit uns über die US-Angriffe auf Drogenschmuggler in der Karibik reden", so Borda.

US-Präsident Trump hat unterdessen erst am Dienstag den Einsatz von US-Bodentruppen in Venezuela in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "Político" nicht ausgeschlossen. Auf die Frage, wie weit er gehen würde, um Maduro aus dem Amt zu drängen, wollte Trump nicht antworten. Er betonte aber: "Seine Tage sind gezählt." Die USA haben auf den venezolanischen Staatschef ein Kopfgeld von 50 Mio. US-Dollar ausgesetzt. Das US-Justizministerium begründete dies damit, dass Maduro Anführer des Drogenkartells "Cartel de los Soles" sein soll.

Zusammenfassung
  • Die USA haben vor der Küste Venezuelas eine militärische Drohkulisse aufgebaut, offiziell gegen Drogenbanden, laut Experten aber mit dem Ziel, die Opposition an die Macht zu bringen.
  • Das Maduro-Regime kontrolliert weiterhin alle Institutionen und das Militär, das nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2024 Proteste brutal niedergeschlagen hat.
  • Die US-Regierung hofft, dass das venezolanische Militär durch den Druck seine Seite wechselt, doch Maduro mobilisierte Tausende Milizionäre zur Verteidigung.
  • Die USA haben ein Kopfgeld von 50 Millionen US-Dollar auf Maduro ausgesetzt und werfen ihm vor, Anführer eines Drogenkartells zu sein.
  • Ein Regimewechsel würde eine außenpolitische Abkehr von Russland und China und eine Annäherung an die USA bedeuten, während Europa laut Experten kaum Einfluss auf den Konflikt hat.