APA/APA/AFP/LUIS TATO

Vereinte Nationen wollen Entwicklungshilfe retten

29. Juni 2025 · Lesedauer 5 min

Inmitten drastischer Einschnitte bei internationalen Hilfen hat im südspanischen Sevilla die vierte UNO-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung begonnen. UNO-Generalsekretär António Guterres rief am Montag zum Auftakt des viertägigen Treffens dazu auf, in einer von "Ungleichheiten, Klima-Chaos und tobenden Konflikten erschütterten Welt" den "Entwicklungsmotor wieder anzuwerfen". Am ersten Konferenztag bekannten sich die Teilnehmer zu den Nachhaltigkeitszielen der UNO.

Am Montag beschlossen sie die sogenannte Verpflichtung von Sevilla und damit ein gemeinsames Vorgehen, um die Ziele trotz des Spardrucks bis 2030 zu erreichen. Die deutsche Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan sprach von einem "kraftvollen Schub für eine gerechtere Welt". UNO-Generalsekretär Guterres forderte mehr Investitionen.

An dem Treffen in Sevilla nehmen rund 50 Staats- und Regierungschefs teil. Die USA haben keine Delegation nach Spanien geschickt - was symbolisch für den Rückzug der USA aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit steht. Präsident Donald Trump hat mehr als 80 Prozent der Finanzierung für die Programme der US-Entwicklungshilfebehörde USAID gestrichen. Die USA waren mit rund 65 Milliarden US-Dollar (2023) weltweit das mit Abstand größte Geberland in der Entwicklungszusammenarbeit.

Aber auch andere reiche Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben ihre Entwicklungsgelder zusammengekürzt - unter anderem, weil sie ihre Verteidigungsbudgets massiv hochfahren. Auch Österreich, das beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 weltweit auf einem guten sechsten Platz steht, setzt den Sparstift an. In diesem Jahr wurde das Budget für Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) um fünf Millionen auf 133,6 Millionen Euro gestrichen. Für 2026 soll das OEZA-Budget nur noch 114 Millionen betragen.

Enorme Finanzierungslücken tun sich auf

Vor dem Hintergrund der angespannten weltpolitischen Lage und dem Rückzug der USA als größter Geldgeber für internationale Entwicklungshilfe suchen die UNO-Mitgliedsstaaten in Sevilla neue Wege, um die Finanzierung der globalen Entwicklungshilfe und der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 noch zu retten. Die Themen der viertägigen UNO-Konferenz reichen von der Mobilisierung öffentlicher Entwicklungsgelder und der Förderung privater Investitionen über internationale Steuerkooperation bis hin zur Lösung der Schuldenkrisen im Globalen Süden.

Die Ausgangslage ist nicht sonderlich gut: Der Finanzbedarf ärmerer Entwicklungsländer aus dem Globalen Süden ist vor allem aufgrund des zunehmenden Klimawandels seit 2015 um mehr als ein Drittel gestiegen.

Schon jetzt ist die Finanzierungslücke für die globale Entwicklungshilfe alarmierend auf nahezu 6,17 Milliarden Euro gewachsen, hieß es in einem Anfang Februar veröffentlichten Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD). Man befürchtet, dass die Entwicklungshilfe 2025 mit bis zu 17 Prozent den größten Rückgang aller Zeiten erleben wird.

Meinl-Reisinger lässt sich vertreten

An dem Treffen nehmen unter Vorsitz von Guterres abgesehen von den Staats- und Regierungschefs, Minister und mehr als 4.000 Vertreter aus den Bereichen Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Finanzinstitutionen teil. Auch EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen wird in Sevilla sein. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS), die sich auf Nahost-Reise befindet, wird in Sevilla durch Nikolaus Marschik, Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, vertreten.

Österreich will bei der Konferenz engen Austausch mit Ländern des sogenannten Globalen Südens suchen und spricht sich zusammen mit anderen EU-Staaten dafür aus, innovative Finanzierungslösungen zu fördern, um private, renditeorientierte Finanzmittel für die Entwicklungspolitik zu mobilisieren, wie es aus dem Außenministerium gegenüber der APA hieß.

Marschik sagte: "Österreich liegt bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele im internationalen Spitzenfeld. In Sevilla gilt es nun, die SDGs global weiter voranzutreiben - insbesondere mit den Staaten des Globalen Südens. Auch im Hinblick auf unsere UNO-Sicherheitsratskandidatur ist Österreich hierbei ein verlässlicher Partner."

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder mahnte eindringlich davor, dass die Europäische Union nicht dieselben Fehler begehen dürfe wie die USA. Schieder übte laut Aussendung scharfe Kritik an geplanten Kürzungen durch die EU-Kommission. Diese würden "ein verheerendes Signal" senden. "Ausgerechnet jetzt, inmitten wachsender globaler Ungleichheiten, eskalierender Konflikte und eines massiven Rückzugs der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit, wäre mehr europäisches Engagement gefragt, nicht weniger. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen ausgerechnet bei der Entwicklungshilfe gekürzt wird. Wer in Zeiten globaler Krisen bei strategischen Partnerschaften den Rotstift ansetzt, schwächt Europas außenpolitischen Einfluss und gefährdet unsere Handlungsfähigkeit in der sich neuformierenden Weltordnung", so Schieder.

Expertenkritik an Abschlussdokument

Bereits bei einem Vorbereitungstreffen bei der UNO in New York hatten sich alle teilnehmenden Länder außer den USA auf einen Entwurf für die Verpflichtung von Sevilla geeinigt. Diese wurde am Montag offiziell beschlossen. Sie bekräftigt den Einsatz für die globalen Nachhaltigkeitsziele wie der Beseitigung von extremer Armut und Hunger.

Darüber hinaus wird eine Neugestaltung der internationalen Finanzarchitektur gefordert, wobei den Ländern des Südens in den Finanzinstitutionen mehr Gewicht eingeräumt und die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung verbessert werden soll. In dem Dokument werden außerdem die Entwicklungsbanken aufgefordert, ihre Kreditvergabekapazitäten zu verdreifachen. Kreditgeber sollen zudem eine vorhersehbare Finanzierung für wichtige Sozialausgaben sicherstellen.

Experten beurteilen das Abschlussdokument der UNO-Konferenz skeptisch. Es sei "wenig ambitioniert" und bestehe "über weite Strecken aus unverbindlichen Empfehlungen statt klarer Reform- und Finanzierungsprozesse", kritisierte Martina Neuwirth, Entwicklungswirtschaftsexpertin des Vienna Institute for Dialogue and Cooperation (VIDC), im Gespräch mit der APA.

Zusammenfassung
  • In Sevilla hat die vierte UNO-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung begonnen, bei der rund 50 Staats- und Regierungschefs und über 4.000 Teilnehmer über neue Wege zur Rettung der Entwicklungshilfe beraten.
  • Die USA, bisher mit 65 Milliarden US-Dollar größtes Geberland, haben sich aus der Konferenz zurückgezogen und ihre Hilfsgelder unter Präsident Trump um mehr als 80 Prozent gekürzt.
  • Auch andere Industrieländer, darunter Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Österreich, haben ihre Entwicklungsetats reduziert, wobei Österreich sein OEZA-Budget 2024 um fünf Millionen auf 133,6 Millionen Euro gesenkt hat.
  • Laut OECD beträgt die aktuelle Finanzierungslücke für globale Entwicklungshilfe 6,17 Milliarden Euro, und für 2025 wird ein Rückgang der Mittel um bis zu 17 Prozent befürchtet.
  • Das in Sevilla beschlossene Abschlussdokument fordert unter anderem eine Reform der internationalen Finanzarchitektur, wird jedoch von Experten als 'wenig ambitioniert' und 'unverbindlich' kritisiert.