puls24 Logo

Deutscher Bundestag beschloss freiwilligen Wehrdienst

Heute, 09:30 · Lesedauer 4 min

Der Deutsche Bundestag hat nach monatelangem Ringen den neuen Wehrdienst zur Stärkung der Bundeswehr beschlossen. Vorgesehen ist eine massive Aufstockung der Streitkräfte möglichst auf freiwilliger Basis, wie das am Freitag beschlossene Gesetz vorsieht. Bei fehlenden Rekruten kann aber nach einem weiteren Gesetzesbeschluss später eine Pflicht greifen. Die besonders strittige Frage, wen eine Zwangseinberufung trifft und wie sie fair gestaltet wird, soll erst geklärt werden.

Der Bundesrat, die zweite Kammer des Parlaments, muss dem Vorhaben noch zustimmen. Das Gesetz soll ab Jänner 2026 greifen. Die frühere Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt.

Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach vor dem Votum vor dem Bundestag von einem entscheidenden Schritt für die Verteidigungsfähigkeit. Um das Gesetz sei gestritten worden, man habe es sich nicht leicht gemacht, räumte er ein. Auch die am Freitag ausgerufenen Schülerstreiks gegen den Wehrdienst zeigten dies. "Das ist eine Diskussion, die notwendig ist." Der Dienst solle zunächst freiwillig sein, klar sei aber auch: "Wenn es nicht reicht, werden wir um eine Teil-Wehrpflicht nicht umhinkommen", sagte der SPD-Politiker. "Dieses Land, diese Demokratie verdient es." Mit Blick auf den Widerstand etwa bei den Linken betonte er: "Unsere Bundeswehr schützt auch die, die sie nicht ausrüsten wollen."

Ziel des Gesetzes ist, dass die Zahl der aktiven Soldaten bis 2035 von 183.000 auf 255.000 bis 270.000 steigt. Dazu sollen 200.000 Reservisten kommen. Anlass ist die verschärfte Bedrohungslage seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Derzeit könnte von ihnen etwa die Hälfte zur Verfügung stehen. Das Gesetz legt Zielkorridore für den Personalzuwachs fest und unterscheidet zudem zwischen aktiver Truppe und Freiwilligen. Letztere müssen mindestens sechs Monate dienen, was aber nur für den Heimatschutz und Bewachungsaufgaben ausreicht. Sie sollen später vor allem die Reserve stärken. Die aktive Truppe ist direkt kampfbereit und muss länger ausgebildet werden. Das Verteidigungsministerium muss dem Parlament aufgeschlüsselt die Zahlen der Freiwilligen ab 2027 alle sechs Monate vorlegen.

Reichen sie nicht aus, kann per Bundestagsbeschluss die sogenannte Bedarfswehrpflicht ausgerufen werden. Dann ist auch eine zwangsweise Musterung und Einberufung möglich. Die Details dazu sollen in einem Extra-Gesetz ausgearbeitet werden. Das Gesetz sieht zunächst die Wiedereinführung der Wehrerfassung vor. Alle 18-Jährigen erhalten einen Fragebogen zu Motivation und Eignung, dessen Beantwortung für Männer verpflichtend ist. Ebenso wird die Musterung für alle Männer, die ab Jänner 2008 geboren wurden, wieder zur Pflicht. Um möglichst viele für einen freiwilligen Dienst zu gewinnen, sind Anreize wie eine monatliche Vergütung von rund 2.600 Euro brutto und ein Zuschuss zum Führerschein vorgesehen. Bereits mit dem Anschreiben soll bei jungen Menschen auch etwa für soziale Freiwilligendienste geworben werden.

In einem ersten Anlauf der Koalition im Oktober kam es in der SPD-Fraktion noch zum Eklat, da Teile der Fraktion und auch Verteidigungsminister Pistorius selbst das Konzept einer Arbeitsgruppe aus Union und SPD abgelehnt hatten. Strittig war besonders die Frage, wie zwangsweise ausgewählt wird, wenn sich nicht genug Freiwillige für die Vergrößerung der Bundeswehr finden.

Heikle Abstimmung über Pensionsreform

Der Deutsche Bundestag stimmt am Freitag auch über die Pensionsreform, die selbst in der Union (CDU/CSU) von Kanzler Friedrich Merz umstritten ist, ab. Die Junge Gruppe der Unionsfraktion hat mit Ablehnung gedroht. Angesichts dieser wackeligen Koalitionsmehrheit will sich die Linken-Fraktion enthalten, um das Reformgesetz durchzubringen.

Die Junge Gruppe ist gegen die Pensionsreform, weil das Rentenniveau auch nach 2031 um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Die Pensionen in Deutschland sollen also auch danach nicht so rapide absinken, wie es alleine die Demografie mit den immer mehr Älteren nahelegen würde. Einen Kompromiss wollte die Gruppe nicht eingehen.

Kanzler Merz hatte die Latte für die eigene Fraktion und Koalition zuletzt noch einmal ein Stück höher gelegt. Er will die absolute Mehrheit aller Abgeordneten im Bundestag erzielen, die sogenannte Kanzlermehrheit von 316 Stimmen. Damit dürfen aus seiner Sicht bei der als "Schicksalsabstimmung der Koalition" kolportierten Abstimmung nicht mehr als zwölf Koalitionsabgeordnete fehlen, mit Nein stimmen oder sich enthalten.

Die Zahl der Abgeordneten der Jungen Gruppen belaufen sich allein auf 18. Merz' Ansage geht weit über eine einfache Mehrheit hinaus, die für eine Verabschiedung eines normalen Gesetzes nötig ist. Zugleich will sich die Union nicht von der Enthaltung der Linken abhängig machen oder womöglich von der rechten AfD.

Zusammenfassung
  • Der Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, das ab Januar 2026 einen freiwilligen Wehrdienst mit dem Ziel vorsieht, die Zahl der aktiven Soldaten bis 2035 von derzeit 183.000 auf 255.000 bis 270.000 sowie 200.000 Reservisten zu erhöhen.
  • Freiwillige sollen mindestens sechs Monate dienen und erhalten dafür rund 2.600 Euro brutto monatlich plus Führerscheinzuschuss, wobei bei zu wenigen Freiwilligen später eine Bedarfswehrpflicht greifen kann.
  • Alle 18-Jährigen bekommen einen Fragebogen zur Motivation und Eignung, für Männer ist die Beantwortung sowie die Musterung für ab 2008 Geborene verpflichtend.