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Ukraine meldet Rekord-Drohnenangriff - Invasoren rücken vor

Das russische Militär hat nach ukrainischen Angaben den bisher größten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn geflogen und rückt zudem Beobachtern zufolge an der Front im Osten so schnell vor wie seit den Anfangstagen der Invasion nicht mehr. Russland habe in der Nacht auf Dienstag mit 188 Drohnen angegriffen und damit mit so vielen wie noch nie seit Ende Februar 2022. Russland meldete indes den zweimaligen Beschuss in den letzten drei Tagen mit ATACMS-Raketen aus US-Produktion.

Das ukrainische Militär teilte am Dienstag mit, dass ein Großteil der Drohnen zwar abgefangen worden sei. Aber es seien wichtige Infrastrukturanlagen wie etwa Stromnetze getroffen und Wohnhäuser beschädigt worden. Zugleich wächst der Druck auf die ukrainische Armee durch eine Offensive der russischen Invasionstruppen an der Front im Osten. Allein in der vorigen Woche hätten sie ein Gebiet von insgesamt 235 Quadratkilometern erobert, berichtete die unabhängige russische Mediengruppe Agentstvo. Im November seien es schon 600 Quadratkilometer. "Die russischen Streitkräfte sind in jüngster Zeit deutlich schneller vorgerückt als im gesamten Jahr 2023", heißt es in einem Bericht von Analysten des Institute for the Study of War in Washington.

76 Drohnen seien abgeschossen worden. 96 Drohnen seien nicht mehr aufspürbar, wahrscheinlich weil sie von der elektronischen Luftabwehr abgefangen worden seien, erklärte die ukrainische Luftwaffe. Fünf Drohnen seien in Richtung Belarus abgedreht. Auch vier ballistische Raketen des Typs Iskander-M seien abgeschossen worden. Allein in der Hauptstadt Kiew dauerte der Luftalarm mehr als fünf Stunden. "Der Angriff mit UAV (unmanned aerial vehicle/unbemannte Luftfahrzeuge, Anm.) auf die Hauptstadt geht weiter", schrieb Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram. Augenzeugen berichteten von einer Reihe von Explosionen, die auf den Einsatz von Luftabwehrsystemen hindeuteten.

Bei den Angriffen wurde den Angaben zufolge erneut die Stromversorgung der Ukraine getroffen. Im westukrainischen Ternopil sei ein Objekt der kritischen Infrastruktur durch Drohnenangriffe beschädigt worden, schrieb der Militärgouverneur des Gebiets, Wjatscheslaw Nehoda, bei Telegram. 70 Prozent der Stromversorgung in der Region sei ausgefallen. Der Schaden sei erheblich und werde die Stromversorgung "für lange Zeit" beeinträchtigen, so Nehoda.

Die russischen Truppen haben nach Angaben der Regierung in Moskau das Dorf Kopanki in der im Nordosten der Ukraine gelegenen Region Charkiw eingenommen. Das meldet die staatliche russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Verteidigungsministerium.

Die russische Luftabwehr wehrte nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau in der Nacht 39 ukrainische Drohnen über sieben Regionen ab. 24 davon seien über der südrussischen Region Rostow zerstört worden, teilte das Ministerium auf Telegram mit. Russischen Angaben zufolge wurden auch drei ukrainische Drohnen in der Nähe des AKW Saporischschja abgefangen. Das größte Atomkraftwerk Europas war wenige Tage nach Kriegsbeginn unter russische Kontrolle geraten, seit September 2022 sind alle sechs Reaktoren heruntergefahren.

Russland bereitet nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums vom Dienstag Vergeltungsmaßnahmen für den Beschuss mit ATACMS-Raketen vor. Beide Angriffe hätten Stellungen der russischen Streitkräfte in der Region Kursk zum Ziel gehabt, hieß es in Moskau. Beim ersten Angriff am 23. November trafen zwei von fünf auf ein russisches S-400-Luftabwehrsystem abgefeuerte Raketen das Ziel und beschädigten dessen Radarsystem. Beim zweiten Angriff am 25. November waren acht Raketen auf den Flughafen Kursk-Wostotschny gerichtet, auf dem sich auch ein Militärflugplatz befindet. Eine Rakete erreichte das Ziel und verwundete zwei Soldaten, teilte das Ministerium in einer Erklärung mit. "Das Ministerium hat die Situation unter Kontrolle, und es werden Gegenmaßnahmen vorbereitet", hieß es.

NATO-Generalsekretär Mark Rutte rief nach dem beispiellosen russischen Angriff auf die Ukraine eindringlich zu mehr Militärhilfe auf. "Unsere Unterstützung hat die Ukraine im Kampf gehalten. Aber wir müssen noch weiter gehen, um den Verlauf dieses Konflikts zu ändern", sagte er am Rande eines Treffens mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis in Athen. Es gelte unter anderem zusätzliche Luftabwehr bereitzustellen und die beim NATO-Gipfel in Washington getroffenen Versprechen umzusetzen. Dazu zählte neben dem Aufbau des NATO-Kommandos zur Koordinierung von Militärhilfen und Ausbildung auch die Zusage, 2024 Militärhilfe im Umfang von insgesamt 40 Milliarden Euro zu leisten.

Mit Blick auf die griechische Unterstützung für die Ukraine lobte Rutte insbesondere die Beteiligung des Landes am Aufbau einer schlagkräftigen westlichen Kampfflugzeugflotte. "Ich begrüße, dass Griechenland helfen wird, das F-16-Training für ukrainische Piloten und Techniker zu beschleunigen", sagte der frühere niederländische Regierungschef. Damit werde die Position der Ukraine in dem brutalen Krieg gestärkt.

ribbon Zusammenfassung
  • Russland führte den größten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn auf die Ukraine durch, indem es in einer Nacht 188 Drohnen einsetzte. Die ukrainische Luftwaffe konnte 76 davon abschießen, aber wichtige Infrastrukturen wurden beschädigt.
  • Im Osten der Ukraine rücken russische Truppen schneller vor als zuvor, mit einer Eroberung von 600 Quadratkilometern im November. Dies erhöht den Druck auf die ukrainische Armee erheblich.
  • NATO-Generalsekretär Mark Rutte fordert nach dem beispiellosen russischen Angriff verstärkte Militärhilfe für die Ukraine, um den Konfliktverlauf zu ändern und die Luftabwehr zu stärken.