APA/DPA/FREDRIK VON ERICHSEN

Ukraine: Jodtabletten für Schwangere in Saporischschja

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Drei Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine erfuhr Marina, dass sie schwanger war. "Wir wollten ein Kind. Aber wir wussten nicht, ob wir uns freuen sollten oder nicht", erzählt Marina. Ihr Kind wird im Krieg zur Welt kommen. Und nicht nur das: Die Eltern und ihr Kind müssen mit der Gefahr einer drohenden Atomkatastrophe zurecht kommen.

Die 30-Jährige lebt in der Nähe des von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja. Seit Monaten beschuldigen sich Kiew und Moskau gegenseitig, die Anlage zu beschießen - und damit eine Nuklearkatastrophe zu riskieren. Schon einmal wurde die Ukraine verstrahlt: 1986, nach der Havarie des Kernkraftwerks im damals noch sowjetischen Tschernobyl.

Jodtabletten als Schutz vor radioaktivem Jod

Marina will vorbereitet sein. In der Geburtsklinik in Saporischschja, etwa 50 Kilometer vom Kraftwerk entfernt, deckt sie sich mit Jodtabletten ein, die im Ernstfall vor einer Anreicherung von radioaktivem Jod im Körper schützen.

Die drohende Gefahr lastet schwer auf den Frauen im Krankenhaus. "Ich habe Angst", sagt Valentina, die drei Tage zuvor ein Mädchen zur Welt gebracht hat. Die 25-Jährige versucht, nicht daran zu denken, was alles passieren kann. "Ich will psychisch im Lot bleiben, damit ich stillen kann", sagt sie. Doch seit die kleine Tatjana da ist, macht sich Valentina noch mehr Sorgen, fürchtet sich bei jedem Luftalarm. "Früher haben mir die Sirenen nicht solche Angst gemacht", sagt sie.

"Alles wird gut", versucht sich Anna zu beruhigen. Die 23-Jährige ist mit ihrem neugeborenen Sohn Maxim auf der Geburtsstation. "Ich glaube nicht, dass etwas Schlimmes passieren könnte", sagt sie.

Ärztin plädiert an "gesunden Menschenverstand" politischer Führer

Die Klinik befindet sich innerhalb des 50-Kilometer-Radius um das Kraftwerk, der bei einem Zwischenfall am schnellsten kontaminiert würde. Die Ärzte haben so gut es geht Vorsorge getroffen. "Wir haben alle notwendigen staatlichen Empfehlungen für den Fall der Fälle sowie Medikamente gegen die Strahlung erhalten", sagt die Neonatologin Laryssa Gussakowa. Russland "sollte sich an Tschernobyl erinnern, wie schrecklich das war", fordert die 30-jährige Gynäkologin Natalia Solowiowa und appelliert an den "gesunden Menschenverstand" der politischen Führer in der Ukraine und in Russland.

In dem Krankenhaus werden jeden Tag etwa fünf Kinder geboren. Nach Beginn des Krieges richtete die Leitung einen Schutzraum im Untergeschoss ein: ein Zimmer mit Betten für die Mütter, Brutkästen für die Säuglinge und einen Geburtsstuhl. Ein Vorrat an Wasser und Lebensmitteln für eine Woche steht bereit. Sandsäcke schützen die Fenster im ersten Stock bei einem eventuellen Beschuss.

Die Ärztinnen haben gelernt, im Ausnahmezustand des Krieges zu arbeiten. "Am Anfang war es sehr schwierig. Mehrmals mussten wir Frauen direkt nachdem sie entbunden hatten in den Schutzraum tragen", sagt Gussakowa. Ein Baby hätten die Eltern Javelina genannt, erzählt die Ärztin. Nach der US-Panzerabwehrwaffe, die zu einem Symbol für den ukrainischen Widerstand und die westliche Hilfe wurde.

"Wir hoffen das Beste"

Nicht nur das umkämpfte Atomkraftwerk versetzt Patientinnen und Personal in Sorge. In russischen Online-Netzwerken kursieren Gerüchte, die ukrainische Armee würde das Klinikgebäude nutzen - was es zu einem möglichen Angriffsziel für die Russen macht. Die Angestellten führten einen AFP-Reporter durch das ganze Haus, um zu beweisen, dass die Behauptungen falsch sind.

Die schwangere Marina versucht trotz der Gefahren ihren Optimismus zu bewahren. "Wir hoffen das Beste", sagt sie. "Dass wir hier bleiben können, dass ich ohne Sorgen entbinden kann und dass wir in Ruhe leben können."

ribbon Zusammenfassung
  • Drei Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine erfuhr Marina, dass sie schwanger war.
  • "Wir wollten ein Kind. Aber wir wussten nicht, ob wir uns freuen sollten oder nicht", erzählt Marina.
  • Ihr Kind wird im Krieg zur Welt kommen.
  • Und nicht nur das: Die Eltern und ihr Kind müssen mit der Gefahr einer drohenden Atomkatastrophe zurecht kommen.
  • Mehr dazu im Artikel.

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