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Trump gibt den Kampf um seine Präsidentschaft auf

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US-Präsident Donald Trump hat den Kampf um seine Präsidentschaft aufgegeben. In der Nacht auf Donnerstag sicherte er seinem Nachfolger Joe Biden eine "geordnete Amtsübergabe" zu. Trump äußerte sich, nachdem der US-Kongress in einer gemeinsamen Sitzung den seit Wochen fest stehenden Sieg Bidens formell beurkundet hatte. Um dies zu verhindern, hatten militante Trump-Anhänger am Mittwoch das Kapitol gestürmt. Weltweit sorgte der Umsturzversuch für Empörung.

"Selbst wenn ich mit dem Ergebnis der Wahl absolut nicht übereinstimme und die Fakten mich bestätigen, wird es trotzdem am 20. Jänner eine geordnete Amtsübergabe geben", erklärte Trump einer Twitter-Meldung eines Sprechers des US-Präsidialamtes zufolge. Davor hatte Trumps Vize Mike Pence in einer nächtlichen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus den Sieg Bidens erklärt. Biden habe 306 Wahlmännerstimmen erhalten, Trump 232, lautete das um 3.41 Uhr Ortszeit verkündete Ergebnis. Pence hatte sich geweigert, sein Amt zugunsten Trumps zu missbrauchen und für Biden abgegebene Wahlmännerstimmen eigenmächtig zurückzuweisen.

Die eigentlich schon für Mittwoch geplante Bestätigung des Wahlsieges, die seit Jahrzehnten ein Formalakt ist, hatte sich wegen eines Sturms von Anhängern des abgewählten Präsidenten Trump auf das Kongressgebäude verzögert. Ein wütender Mob hatte dabei unter anderem auch die Sitzungssäle von Repräsentantenhaus und Senat gestürmt. Die Sitzungssäle mussten evakuiert werden. Beamte zückten ihre Waffen und setzten Tränengas ein. Vier Menschen kamen im Zuge der Proteste ums Leben, mehr als 50 wurden festgenommen. Erst um 20 Uhr Ortszeit (02.00 Uhr MEZ) konnten die Sitzungen fortgesetzt werden.

Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte nach dem Ende der Attacke, die Kammer lasse sich nicht einschüchtern und werde sich nicht Gesetzlosen beugen. Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte die Aufrührer "inländische Terroristen". Er machte Trump für den Angriff auf das Kapitol mitverantwortlich. Auch mehrere Republikaner warfen Trump öffentlich vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt. Bei den folgenden Abstimmungen über Einsprüche gegen die Wahlergebnisse stellten sich dann auch deutlich weniger Republikaner hinter Trump als ursprünglich angekündigt.

Der Mob war von Trump angestachelt worden. Der Amtsinhaber hatte seine Anhänger für den 6. Jänner nach Washington geladen. Er trat dann kurz vor der Kongresssitzung nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern auf, wiederholte seine unbelegten Wahlbetrugsbehauptungen und rief seine Unterstützer auf, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den "Diebstahl" der Wahl nicht gefallen lassen. Während das Parlamentsgebäude überrannt und verwüstet wurde, meldete sich der Präsident wiederholt auf Twitter zu Wort. Erst nach einer entsprechenden öffentlichen Aufforderung Bidens rief Trump sie dann in einer Videobotschaft zum Abzug auf. Er verstehe den Ärger über den Ausgang der Wahl, "aber Ihr müsst jetzt nach Hause gehen", sagte Trump in dem Clip. Zugleich sagte er an die Adresse seiner Anhänger: "Wir lieben Euch." Später schrieb er in einem weiteren Tweet, solche "Dinge und Geschehnisse" passierten eben, wenn "ein Erdrutschsieg" gestohlen werde. "Erinnert Euch für immer an diesen Tag!", schob er nach.

Der künftige US-Präsident Biden sprach von einem Angriff auf die Demokratie. "Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu wühlen und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest", sagte der Demokrat. "Es ist Aufruhr."

Wegen der Rolle Trumps bei den Protesten wurden Rufe nach einer Absetzung des Präsidenten laut. Die demokratischen Abgeordneten Ilhan Omar und Ayanna Pressley forderten die sofortige Einleitung eines Impeachment-Verfahrens. Ihr Kollege Ted Lieu rief Vizepräsident Mike Pence dazu auf, Trump auf Basis des 25. Zusatzartikels der Verfassung für amtsunfähig zu erklären.

Mehrere US-Medien berichteten, dass auch mehrere Kabinettsmitglieder der Trump-Regierung die Möglichkeit diskutierten, Trump mit Hilfe des 25. Zusatzartikels aus seinem Amt zu entfernen. Entsprechende Spekulationen wurden am Abend durch die Mitteilung befeuert, dass Vizepräsident Pence den Einsatz der Nationalgarde in Washington mit dem Pentagon koordiniert habe. Der Trump unterstellte nationale Sicherheitsberater Robert O'Brien stellte sich öffentlich hinter Pence, den er als "vornehmen und anständigen Mann" lobte. "Ich bin stolz, gemeinsam mit ihm zu dienen", so O'Brien.

International lösten die Unruhen in den USA Besorgnis und Schockreaktionen aus, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich "wütend" und machte Trump direkt für die Vorfälle verantwortlich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte ihren Glauben an die amerikanische Demokratie. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich "traurig", der französische Präsident Emmanuel Macron wertete die Vorfälle als "nicht amerikanisch". Der israelische Ministerpräsident und enge Trump-Unterstützer Benjamin Netanyahu sprach von einer "schändlichen Tat". Der iranische Präsident Hassan Rouhani sah in den Vorfällen ein Zeichen für "den beträchtlichen Imageschaden, den dieser Mensch (Trump) der großen Nation USA zugefügt hat". Das chinesische Außenministerium zog einen Vergleich zu den Demokratieprotesten in Hongkong, deren Unterdrückung vom Westen scharf kritisiert wurde. Der polnische Präsident Andrzej Duda und das russische Außenministerium sprachen von einer inneramerikanischen Angelegenheit, wobei letzteres zugleich Kritik am "archaischen" US-Wahlmännersystem übte.

In Österreich wurden die Vorfälle von Washington einhellig verurteilt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach von einem "demokratieverachtenden Angriff", Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) zeigten sich "schockiert über die Szenen in Washington" bzw. "tief beunruhigt über den Angriff auf die Demokratie". Ähnlich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der von einem "bedrohlichen Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat" sprach. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures verurteilte den "beispiellosen terroristischen Überfall", der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) zog einen Vergleich mit den Protesten gegen Schwarz-Blau im Jahr 2000. NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter schrieb mit Blick auf Trump: "Es wird Zeit, dass dieser Mann verschwindet."

Völlig überschattet von den Vorfällen in Washington wurde indes der historische Sieg der Demokraten bei den Senats-Stichwahlen in Georgia. In dem traditionell konservativen Südstaat setzen sich Raphael Warnock und Jon Ossoff gegen die republikanischen Amtsinhaber Kelly Loeffler und David Perdue durch, womit die Partei Bidens in der mächtigeren Kongresskammer die Kontrolle übernehmen kann. Demokraten und Republikaner haben künftig je 50 Sitze, doch gibt die neue demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris bei Abstimmungen den Ausschlag.

ribbon Zusammenfassung
  • Trump äußerte sich, nachdem der US-Kongress in einer gemeinsamen Sitzung den seit Wochen fest stehenden Sieg Bidens formell beurkundet hatte.
  • Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte die Aufrührer "inländische Terroristen".
  • Der künftige US-Präsident Biden sprach von einem Angriff auf die Demokratie.
  • Wegen der Rolle Trumps bei den Protesten wurden Rufe nach einer Absetzung des Präsidenten laut.

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