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Tod und Leid ohne Ende in Myanmar

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Die blutige Militärgewalt in Myanmar gegen das eigene Volk löst auch international zunehmend Bestürzung aus. Immer mehr Politiker fordern eine Reaktion der Internationalen Gemeinschaft. Trotz des brutalen Vorgehens der Einsatzkräfte im früheren Burma dauern die landesweiten Proteste gegen die neue Junta an. Polizisten und Soldaten reagierten am Dienstag erneut mit Schüssen und Gewalt. Seit dem Putsch am 1. Februar sollen mehr als 180 Menschen getötet worden sein.

Mindestens ein Mensch wurde am Dienstag in der ehemaligen Hauptstadt Yangon (früher: Rangun) erschossen, wie das Nachrichtenportal Myanmar Now berichtete. Fotos von dem in einer Blutlache liegenden Mann kursierten in sozialen Netzwerken. Lokalen Medien zufolge könnte es aber etwa in Kawlin im Norden weitere Opfer gegeben haben.

Die Lage hat sich seit dem Wochenende zugespitzt. Nach Angaben der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden allein am Sonntag 74 Menschen von Polizisten oder Soldaten getötet, die meisten davon in Yangon. Am Montag habe es erneut 20 Todesopfer gegeben. "Die Todeszahlen steigen drastisch", so die Organisation. Insgesamt seien seit dem Putsch vom 1. Februar mindestens 183 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 2100 wurden zumindest vorübergehend festgenommen.

US-Außenminister Antony Blinken verurteilte die Militärjunta am Dienstag erneut für den Einsatz tödlicher Gewalt gegen Demonstranten.

"Dieses Wochenende war ein neuer Tiefpunkt", sagte die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums Jalina Porter am Montag (Ortszeit). Die Gewalt der Militärs gegen die Menschen in Myanmar sei "unmoralisch und nicht zu rechtfertigen". Die Generäle hätten aus egoistischen Motiven geputscht und repräsentierten nicht den Willen des Volkes. "Die Vereinigten Staaten fordern weiterhin alle Länder auf, mit konkreten Maßnahmen auf den Putsch und die eskalierende Gewalt zu reagieren", so Porter.

Das Militär hatte nach dem Putsch die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi in Gewahrsam genommen und einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt. Die Demonstranten fordern die Rückkehr zu demokratischen Reformen, die Freilassung der unter Hausarrest gestellten Suu Kyi und die Wiedereinsetzung ihrer zivilen Regierung. Die 75-Jährige hatte die Parlamentswahl im November klar gewonnen.

Trotz der Gefahr gingen auch am Dienstag zahlreiche Menschen auf die Straßen. Viele Demonstranten versuchten, sich mit selbstgebauten Barrikaden zu schützen. "Wir versuchen, unser Stadtviertel mit Barrikaden abzusperren, denn wenn wir uns nicht verteidigen können, dann werden sie in unsere Straßen kommen und uns töten", sagte der 33-jährige Kyaw Kyaw aus dem Stadtteil Thaketa in Yangon.

Das besonders schlimm betroffene Arbeiterviertel Hlaing Tharyar in Yangon gleiche einem "Kriegsgebiet", berichtete ein Augenzeuge der Deutschen Presse-Agentur. Mehr als 50 Militärfahrzeuge seien angerückt, und Soldaten hätten ununterbrochen Schüsse abgefeuert und die Anwohner beschimpft, erzählte der Demonstrant Htay Aung.

In Hlaing Tharyar sowie weiteren Stadtteilen hatte das Militär am Sonntag das Kriegsrecht verhängt. "Jeder, der dort festgenommen wird, wird vor ein Militärgericht gestellt und riskiert Strafen von drei Jahren Haft bis zur Todesstrafe", zitierte die Zeitung "The Irrawaddy" die Junta. Viele Wanderarbeiter, die in Hlaing Tharyar lebten und nun ihre Arbeit verloren hätten, kehrten aus Verzweiflung in ihre Dörfer zurück. Mit ihren Habseligkeiten bepackt hätten Tausende Menschen am Dienstag auf Motorrädern, in Tuk-Tuks und Lastwagen die Stadt verlassen, schrieb das Portal "Frontier Myanmar".

Von vielen Festgenommenen fehlt nach Angaben der UNO jede Spur. "Hunderte Menschen, die rechtswidrig festgenommen wurden, sind noch immer als vermisst gemeldet", sagte die Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats, Ravina Shamdasani. Die UNO beziffert die Zahl der Toten bei den Protesten gegen die Militärjunta auf mindestens 149 Menschen. Die tatsächlichen Zahlen könnten jedoch wesentlich höher liegen.

Mindestens fünf Menschen seien in den vergangenen Wochen in Haft gestorben und die Leichen von zwei Opfern hätten Spuren schwerer körperlicher Misshandlungen gezeigt, die auf Folter hinweisen würden, sagte Shamdasani. Mindestens 37 Journalisten seien festgenommen worden, von denen 19 noch immer willkürlich festgehalten würden.

Am Dienstag nahmen in Yangon hunderte Trauernde bei Massenbestattungen Abschied von den Getöteten - darunter war der Medizinstudent Khant Nyar Hein, dem am Sonntag im Stadtteil Tamwe in den Kopf geschossen worden war. "Wir brauchen Demokratie, wir brauchen Freiheit", sagte seine Mutter unter Tränen bei der Trauerfeier. "Ich bitte Sie, helfen Sie uns."

Das Welternährungsprogramm warnte, dass seit dem Umsturz die Preise für Lebensmittel und Treibstoff in manchen Regionen stark gestiegen seien. Dieser Trend sei besorgniserregend, insbesondere für die am stärksten gefährdeten Menschen, die bereits jetzt Probleme bei der Nahrungsbeschaffung hätten, sagte der WFP-Landesdirektor für Myanmar, Stephen Anderson. "Wir beim WFP wissen nur zu gut, wie schnell Hunger folgen kann, wenn Frieden und Dialog ins Abseits geraten."

Die UN-Sondergesandte für Myanmar, Christine Schraner Burgener, hatte Anfang März nach Gesprächen mit Armeevertretern berichtet, dass die Militärjunta keine Angst vor Sanktionen oder Isolation habe. Auf den Hinweis, der UN-Sicherheitsrat könne starke Maßnahmen beschließen, habe die Antwort gelautet: "Wir sind an Sanktionen gewöhnt und wir haben Sanktionszeiten in der Vergangenheit überlebt." Zu einer drohenden Isolation hätten Militärs gesagt, man müsse lernen, mit nur wenigen Freunden auszukommen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die blutige Militärgewalt in Myanmar gegen das eigene Volk löst auch international zunehmend Bestürzung aus.
  • Polizisten und Soldaten reagierten am Dienstag erneut mit Schüssen und Gewalt.
  • Seit dem Putsch am 1. Februar sollen mehr als 180 Menschen getötet worden sein.
  • Am Montag habe es erneut 20 Todesopfer gegeben.
  • US-Außenminister Antony Blinken verurteilte die Militärjunta am Dienstag erneut für den Einsatz tödlicher Gewalt gegen Demonstranten.