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Tiroler Landesregierung reformiert Mindestsicherung

Heute, 12:59 · Lesedauer 6 min

Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hat eine Reform der Mindestsicherung mit kommendem Jahr angekündigt. Zentral sollen eine Deckelung der Beträge für Großfamilien und ein Systemwechsel bei subsidiär Schutzberechtigten, also Personen mit befristetem Aufenthaltsrecht, sein, hieß es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz nach der Regierungsklausur. Letztere würden keinen Anspruch mehr auf Mindestsicherung haben, sondern sollen - wenn nötig - Grundversorgung beziehen.

Die Maßnahmen sollten zu "Verteilungsgerechtigkeit" führen, sagte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) bei dem Pressegespräch in einem Hotel in Westendorf im Bezirk Kitzbühel, wohin sich die Koalitionäre für zwei Tage zur Klausur zurückgezogen hatten. Zudem sollte die Mindestsicherung "treffsicherer" werden. Diese habe nämlich eine "Übergangshilfe und kein Dauerzustand" zu sein, betonte der Tiroler ÖVP-Chef. Außerdem würden nun Anreize zum Arbeiten gesetzt und die Leistungsbereitschaft gesteigert. Für subsidiär Schutzberechtigte war gemäß den Koalitionsplänen beim Wechsel von der Mindestsicherung in Leistungen der Grundversorgung eine Übergangsfrist vorgesehen. Bei Großfamilien betonte Mattle, dass eine Deckelung dazu führen werde, dass die bezogenen Beträge Arbeitseinkommen nicht übersteigen. Die Änderungen sollen im kommenden Jahr im Landtag beschlossen und umgesetzt werden. Zuvor müsse noch eine neue Berechnungslogik erarbeitet werden, hieß es.

"Gerecht ist, wenn es einen spürbaren Unterschied zwischen jenen, die tagtäglich zur Arbeit gehen und damit einen Beitrag für unser Land leisten und jenen, die Mindestsicherung beziehen, gibt", erklärte der Landeshauptmann. Überhöhte Einzelfälle, die "Neiddebatten" auslösten, dürfe es nicht geben.

Man werde weiterhin "jenen Hilfe geben, die Hilfe brauchen", versprach indes Landeshauptmannstellvertreter Philip Wohlgemuth (SPÖ). Die Mindestsicherung solle weder gestrichen noch gekappt werden. Ziel der Reform sei nicht das Sparen, sondern eine "gerechtere Verteilung", betonte der Tiroler SPÖ-Vorsitzende. Deshalb sollten gleichzeitig Verbesserungen für Mindestpensionistinnen und Mindestpensionisten und Menschen mit Behinderung umgesetzt werden. Auch blieben die im Bundesland besonders hohen Wohn- und Lebenserhaltungskosten berücksichtigt.

Konkret plant die Landesregierung, eine Begrenzung der Höhe der Mindestsicherung bei Großfamilien über einen Höchstdeckel bei volljährigen Personen in den entsprechenden Haushalten umzusetzen. Es solle weiterhin ein degressives System bei den Kinderrichtsätzen geben. Dennoch solle sich so der Gesamtbetrag reduzieren, um den Abstand zu Familien mit regulären Einkommen gerechter zu gestalten, hieß es. Außerdem war eine fünfjährige Wartefrist für Fremde nach den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen vorgesehen - österreichische Staatsbürger, EU-Bürger oder Asylberechtigte seien davon nicht betroffen.

Sanktionen bis hin zur Streichung geplant

ÖVP und SPÖ wollen außerdem strengere Sanktionen bei Regelverstößen bis hin zur gesamten Streichung der Mindestsicherung inklusive der Wohnkosten umsetzen. Zu Kürzungen bzw. einer kompletten Streichung der Mindestsicherung kann es beispielsweise kommen, wenn eine Notlage vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde, wenn trotz schriftlicher Ermahnung keine Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft gezeigt werde oder wenn nicht an vorgeschriebenen Fortbildungs-, Ausbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen wird. Außerdem plant die Landesregierung rechtliche Klarstellungen zu Wohn- und Haushaltsgemeinschaften.

Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) betonte, der "Tiroler Weg" bei der Mindestsicherung werde beibehalten. Auch gelte weiterhin, dass "jedes Kind gleich viel wert" sei. Insgesamt gehe es um Anreize für Beschäftigung, erklärte Pawlata. ÖVP-Klubchef Jakob Wolf sprach von einem "sensiblen Gesetz", in dessen Reform die Erfahrungen der vergangenen acht Jahre seit dem ursprünglichen, damals noch von schwarz-grün gefassten Beschluss einfließen sollen. "Arbeit muss sich lohnen" sei das Credo, ein Bezug von mehreren 1.000 Euro bei Großfamilien - wie teilweise medial in die Schlagzeilen geraten - "kann nicht sein". Es handle sich jedoch keinesfalls um einen "sozialen Kahlschlag", unterstrich auch Wolf.

Mattle: Potenzial für Windräder in Tirol "sehr bescheiden"

Die Tiroler Landesregierung brachte im Rahmen der Klausur auch das zweite Tiroler Erneuerbaren-Ausbaugesetz auf den Weg. Die SPÖ freute sich unter anderem über eine Wiedereinführung des Naturschutzfonds. Gefragt nach den Plänen der Bundesregierung, den Ländern im Rahmen des geplanten Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) die Errichtung einer Mindestanzahl an Windrädern vorzuschreiben, meinte Mattle indes, man müsse hier wohl die "topografischen Gegebenheiten anerkennen". Angesichts dieser sei das Potenzial für Windkraft in Tirol "sehr bescheiden", vielmehr liege die Stärke im Bundesland bei Sonnenenergie und Wasserkraft. Man bekenne sich aber selbstverständlich zum Ausbau der erneuerbaren Energie und habe auch weiterhin eine Prämie für das erste in Tirol aufgestellte Windrad ausgeschrieben, erinnerte der Landeshauptmann. Zuletzt stand noch kein einziges Windrad in Tirol.

Abwerzger sah nur "Mini-Reförmchen", Grüne mit Kritik

Von der Opposition kamen unterdessen unterschiedliche Reaktionen auf die koalitionären Klausurergebnisse. Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger nannte das Mindestsicherungs-Vorhaben ein "Mini-Reförmchen, dass den Missbrauch bei der Mindestsicherung nicht vorbeugt." Jahrelang wurde das finanzielle Füllhorn für Scheinasylanten, abgelehnte Asylwerber usw. ausgeschüttet. Nun wird eingespart, wie ja bereits vor dem Sommer angekündigt wurde", sah Abwerzger "wenig echte sozialpolitische Kompetenz" innerhalb der Landesregierung und forderte erneut, die "horrenden Konzerngewinne" des Landesenergieversorgers Tiwag der Bevölkerung und den Gemeinden zugute kommen zu lassen.

Ähnlich kritisch reagierte Grünen-Klubobmann und Landessprecher Gebi Mair auf die Klausurergebnisse. Die Regierung sei zwar "endlich aus der Sommerhängematte gefallen", bringe jedoch bei den wesentlichen Themen wie Wohnkosten oder "Dauerstau" nichts zustande. Die Einschnitte bei der Mindestsicherung seien "der nächste Hammer" neben noch in Verhandlung befindlichen möglichen Budgetkürzungen, kritisierte zudem die grüne Sozialsprecherin Landtagsabgeordnete Zeliha Arslan und attestierte ein "politisches Armutszeugnis".

Liste Fritz und NEOS wohlwollend

Anders verlautete es hingegen von Liste Fritz und NEOS. Liste Fritz-Parteichefin Andrea Haselwanter-Schneider nannte die angekündigte Reform der Mindestsicherung einen "ersten Schritt." "Ob eine Mindestsicherung neu für die Betroffenen und die Steuerzahler erfolgreich ist, hängt zentral am Thema Wohnungskosten. Nirgends ist wohnen so teuer wie in Tirol, daher braucht es bei den Wohnungskosten einen eigenen Tiroler Weg, damit jene, die Hilfe brauchen, auch Hilfe bekommen. Deshalb fordert die Liste Fritz, eigene Übergangswohnungen zur Verfügung zu stellen", mahnte die Landtagsabgeordnete aber auch anderweitige Schritte ein. Für die SPÖ werde es in der Regierung indes "zusehends enger": "Da sind rote Grundsätze über Bord gegangen."

"Wir stehen einer Reform der Mindestsicherung generell positiv gegenüber", ließ auch NEOS-Klubobfrau Birgit Obermüller in einer Aussendung wissen. Ziel müsse es sein, klare Regeln und Anreize für die Integration zu verankern. "Es ist völlig legitim, dass jemand, der Leistungen vom Staat beziehen möchte, im Gegenzug auch etwas beiträgt und leistet. Das ist auch ein wichtiges Signal, um mögliche Pull-Faktoren unkontrollierter Zuwanderung zu beseitigen", meinte Obermüller.

Zusammenfassung
  • Die Tiroler Landesregierung plant ab 2025 eine Reform der Mindestsicherung mit einer Deckelung für Großfamilien und dem Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von der Mindestsicherung.
  • Subsidiär Schutzberechtigte sollen künftig stattdessen Grundversorgung erhalten und für Fremde wird eine fünfjährige Wartefrist eingeführt, von der österreichische Staatsbürger, EU-Bürger und Asylberechtigte ausgenommen sind.
  • Die Reform sieht strengere Sanktionen bei Regelverstößen vor, darunter die vollständige Streichung der Mindestsicherung inklusive Wohnkosten, etwa bei fehlender Arbeitsbereitschaft oder Nichtteilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen.
  • Die Regierung betont, dass die Mindestsicherung weiterhin Hilfe für Bedürftige sichern und die hohen Tiroler Wohn- und Lebenserhaltungskosten berücksichtigen soll, während Anreize zur Arbeitsaufnahme gestärkt werden.
  • Opposition und Regierungspartner reagieren unterschiedlich: Während FPÖ und Grüne die Reform kritisieren, begrüßen Liste Fritz und NEOS die Schritte grundsätzlich, fordern aber zusätzliche Maßnahmen speziell bei den Wohnkosten.