Studie: EU-Fördergelder bei Migration oft nicht zielführend
In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt untersuchte Zardo mit ihrem Team alle EU-Förderdokumente seit dem Jahr 2000, um zu verstehen, wie durch die Verteilung von Fördergeldern migrationspolitische Maßnahmen gesetzt werden. Empfänger dieser Gelder sind EU-Mitgliedsstaaten, Drittstaaten, NGOs, UNO-Institutionen oder EU-Agenturen wie etwa Frontex.
Politisch setze man auf Förderungen, weil Änderungen von Gesetzen oder Richtlinien langsam und kontrovers sein können; finanzielle Mittel werden hingegen als schnelle, technische Lösung verstanden. "Das kann in der Debatte Erwartungen schüren, dass ein Problem auf diese Weise gelöst werden kann, während der passendste Weg wohl oft die Diskussion und Anpassung der Gesetzgebung ist", so Zardo, die am Zentrum für Migrations- und Globalisierungsforschung an der Universität für Weiterbildung Krems forscht.
Die Daten der Forscherin zeigen mit dem Anstieg der Asylanträge 2015 auch in den EU-Fördergeldern einen klaren Einschnitt. Im aktuellen EU-Haushalt 2021 bis 2027 ist das eingeplante Budget für Migration, Asyl und Grenzschutz mit 22,7 Milliarden Euro etwa mehr als doppelt so hoch als in den 2010er-Jahren. Zudem sind die finanzierten Maßnahmen heute "messbar restriktiver". Dies liege an dem politischen Druck, schnell Maßnahmen gegen irreguläre Migration zu setzen, wie Zardo vermutet. Der Budgetanstieg per se sage nicht, "dass restriktivere Maßnahmen an sich unbedingt teurer sind - man hat einfach mehr Geld in die Hand genommen", stellte sie klar. "Das Risiko dabei ist, dass das Geld in Maßnahmen fließt, die wahrscheinlich nicht zu den gewünschten Zielen führen."
Ein Beispiel dafür sei die weit verbreitete politische Erzählung, dass Entwicklungshilfe vor Ort die irreguläre Migration eindämmen kann - für diesen direkten Zusammenhang gebe es keine wissenschaftliche Evidenz. Ebenso führe der Bau von Grenzzäunen nicht zu weniger irregulärer Migration, sondern oft zu Veränderungen der Routen, was wiederum mehr Irregularität und Unsicherheit nach sich zieht. "Hingegen ist belegt, dass die Förderung von legaler Migration oder zirkulärer Mobilität irreguläre Migration einbremst - nur haben solche Maßnahmen bei der Verteilung von Fördermitteln keine Priorität", betonte die Forscherin.
Ganze Komplexität des Problems ist zu beachten
Zudem wurde der Grenzschutz immer stärker an Drittstaaten ausgelagert und teilweise mit Mitteln zur Bekämpfung der Fluchtursachen verknüpft. Ein Beispiel ist der EU-Treuhandfonds für Afrika (EUTF), der von Ländern mit rigider Einwanderungspolitik wie Ungarn oder Polen stark mitfinanziert wurde. Dieser sei an der Entwicklungshilfe beteiligt, finanziere aber auch den Grenzschutz. "Oft läuft das unter dem Titel des Schutzes von Migranten auf ihrer Route - wobei die dahinterliegende Idee ist, sie dort festzuhalten, wo sie sind", sagte Zardo. Im Fall von Libyen sei beispielsweise belegt, dass EUTF-Gelder direkt in den dortigen Sicherheitsapparat geflossen sind.
Für die Forscherin ist klar, dass solche "einfachen" Lösungen nicht zielführend sind: "Denn Migration ist ein menschliches Phänomen, dem man nur gerecht wird, wenn man sich seiner ganzen Komplexität stellt."
(S E R V I C E - Publikationen aus dem Forschungsprojekt: https://doi.org/10.1080/15562948.2024.2407584, https://doi.org/10.1080/15562948.2024.2424163)
Zusammenfassung
- Das EU-Budget für Migration, Asyl und Grenzschutz wurde im Haushalt 2021 bis 2027 auf 22,7 Milliarden Euro erhöht und ist damit mehr als doppelt so hoch wie in den 2010er-Jahren.
- Studien zeigen, dass viele durch EU-Fördergelder finanzierte Maßnahmen, wie Entwicklungshilfe vor Ort oder der Bau von Grenzzäunen, keine nachweisbare Wirkung auf die Reduktion irregulärer Migration haben.
- Nachweislich wirksame Maßnahmen wie die Förderung von legaler Migration erhalten bei der Verteilung von EU-Geldern kaum Priorität, während restriktivere Ansätze bevorzugt werden.