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Sporrer gegen Abschaffung des Verschuldensprinzips

Heute, 18:43 · Lesedauer 3 min

Die Dreierkoalition hat sich vorgenommen, das Scheidungsrecht zu reformieren und dabei unter anderem den Unterhalt unabhängig vom Verschuldensprinzip neu zu regeln. Darüber, wie das konkret ausgestaltet werden soll, gehen die Meinungen auseinander, wie eine Veranstaltung mit Experten am Dienstagabend im Parlament zeigte. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) bremste Rufe nach einer gänzlichen Abschaffung des Verschuldensprinzips und plädierte für "Umsicht und Bedacht".

Bei Gesprächen mit Richterinnen und Richtern zeige sich, "dass weniger das Verschuldensprinzip als solches, sondern viel mehr dessen konditionale Junktimierung" mit dem nachehelichen Unterhalt als problematisch angesehen werde, so die Justizministerin. Bei allen Wünschen dürfe nicht übersehen werden, dass auch heute noch viele Ehen traditionell geführt würden und nach wie vor oft ein wirtschaftliches Ungleichgewicht bestehe - meist zulasten der Frauen. Für den wirtschaftlich benachteiligten Ehepartner müsse es daher einen Unterhalt geben, als Form der "nachehelichen Solidarität". Auch die Frage nach Ethos und Moral sei für sie nicht anrüchig, so die SPÖ-Politikerin. "Wir sollten uns damit befassen, wer die Verantwortung für das Scheitern einer Ehe trägt. Es muss nicht unbedingt Verschulden heißen, wenn dieser Begriff manche triggert." Man denke an physische oder psychische Gewalt in Ehen, wo es sehr wohl das Bedürfnis gebe, ein Verschulden gerichtlich festzulegen.

Klar gegen das Verschuldensprinzip sprach sich dagegen die Richterin Christine Miklau in der anschließenden Podiumsdiskussion aus. Vor einem Verfahren lasse sich nicht sagen, ob jemanden ein nachehelicher Unterhalt zusteht oder wer in der gemeinsamen Wohnung bleiben darf. Für Paare, die sich scheiden lassen wollen, sei die Rechtsunsicherheit daher enorm. Weil auch der Auszug aus der Ehewohnung als Verschuldenstatbestand gewertet werden könne, bekämen sie oft den Rat keinesfalls aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Das habe "erhebliche und manchmal katastrophale Folgen für die Kinder", so die Richterin im Vorstand der Fachgruppe Familienrecht der Richtervereinigung. Dass 85 Prozent der Ehen einvernehmlich geschieden würden, führt Miklau auch auf den enormen Druck zurück, weil man eine rasche Trennung wolle oder ein Schmutzwäsche-Verfahren vermeiden wolle.

Für sehr unbefriedigend hält die derzeitige Rechtssituation auch der Präsident der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Walter Müller. Er kritisiert, dass Ehepartner bereits nach nur einem Jahr Ehe einen möglichen lebenslangen Unterhaltsanspruch erwerben könnten, dagegen eine Frau nach 30 Jahren Ehe, die sich in jemand anderen verliebe, aufgrund des Verschuldensprinzips möglicherweise keinen befriedigenden Unterhalt erhalte. Müller plädierte daher für ein verpflichtendes Pensionssplitting.

Arbeitsgruppe nimmt im Dezember Arbeit auf

Wenn die Verschuldenstatbestände abgeschafft würden, gebe es nur mehr eine Scheidung aus Zerrüttung, gab Constanze Fischer-Czermak vom Institut für Zivilrecht an der Universität Wien zu Bedenken. Bei einer einvernehmlichen Scheidung sei das egal, aber wenn jemand einseitig die Scheidung wolle, sei eine Zerrüttung schwer feststellbar, daher brauche es einen alternativen Tatbestand.

Die Gretchenfrage bei der Reform sollte sein, wie die Eheleute die Aufgaben verteilt haben, meinte Peter Barth, Abteilungsleiter im Justizministerium. Ein möglicher wirtschaftlicher Nachteil eines Partners etwa durch Kinderversorgung sollte durch Geldunterhalt ausgeglichen werden. Der Fokus sollte aber nicht destruktiv darauf gerichtet sein, was alles schief gegangen sei in der Vergangenheit, sondern nach vorn. "Das Verschuldensprinzip produziert Leid", so Barth. Am 9. Dezember nimmt die Arbeitsgruppe der Regierung ihre Arbeit zur Ausarbeitung einer Reform des Scheidungsrechts auf.

Zusammenfassung
  • Die Dreierkoalition will das Scheidungsrecht reformieren und plant, den Unterhalt unabhängig vom Verschuldensprinzip neu zu regeln.
  • Justizministerin Anna Sporrer spricht sich gegen eine vollständige Abschaffung des Verschuldensprinzips aus und verweist auf wirtschaftliche Nachteile, besonders für Frauen, sowie auf die Bedeutung nachehelicher Solidarität.
  • 85 Prozent der Ehen werden einvernehmlich geschieden, während die Arbeitsgruppe der Regierung am 9. Dezember mit der Ausarbeitung der Reform beginnt.