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SPD für AfD-Verbotsverfahren - Empörung über Weidel-Rede

09. Juli 2025 · Lesedauer 5 min

Für eine untergriffige Rede gegen Bundeskanzler Friedrich Merz hat die deutsche Oppositionsführerin Alice Weidel scharfe Kritik im Bundestag geerntet. Nachdem sie Merz in der Budgetdebatte am Mittwoch Wortbruch und Wahlbetrug vorgeworfen und ihn "Lügenkanzler" genannt hatte, sprach sich SPD-Fraktionschef Matthias Miertsch für ein Verbotsverfahren der rechtspopulistischen Partei aus. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner drohte Weidel in der hitzigen Debatte mit dem Rauswurf.

"Nicht umsonst haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes auch ein Parteiverbot in die Verfassung aufgenommen. Und ihre Rede heute war ein Beispiel dafür, dass Sie verfassungsfeindlich hier agieren, und deshalb muss es auch ein Verbotsverfahren geben", sagte Miersch. Konkret warf er der AfD-Chefin Rassismus vor. "Wie kann man so eiseskalt, so hasserfüllt als Mensch eine solche Rede halten, wie Sie das eben getan haben? Sie haben von 'der Transformation des Staatsvolkes' gesprochen. Das erinnert mich an alte Zeiten, wo es um Rassenlehre ging."

Die Generalaussprache über das Kanzlerbudget gilt als Höhepunkt der Budgetberatungen im Bundestag. Sie wird traditionell von der größten Oppositionsfraktion eröffnet, was Weidel für einen Frontalangriff auf den Kanzler nutzte. "Für die bitter enttäuschten Bürger sind Sie schon jetzt der Lügenkanzler, Herr Merz, dessen gebrochene Wahlversprechen ganze Kataloge füllen", sagte Weidel. Sie hielt ihm dabei die noch mit dem alten Bundestag nach der Bundestagswahl verabschiedete Lockerung der Schuldenbremse vor und sprach von einem "beispiellosen Staatsstreich". Das nun debattierte Budget und die Finanzplanung der Regierung seien eine "Schuldenorgie". Weidel kritisierte unter anderem die Unterstützung für die Ukraine.

Merz konterte umgehend. "Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen", sagte der Christdemokrat in der Budgetdebatte. "Ich weise Ihre pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der neuen Bundesregierung deshalb mit aller Entschiedenheit zurück."

Bundestagspräsidentin droht Oppositionsführerin mit Rauswurf

Zuvor hatte bereits Bundestagspräsidentin Julia Klöckner einen angemessenen Umgangston im Parlament eingemahnt. "Wir würdigen uns hier nicht persönlich herab und bezichtigen uns der Lüge", sagte die CDU-Politikerin nach Weidels Rede. Später ermahnte sie Weidel wegen Zwischenrufen während der Rede von CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn und drohte ihr mit Rauswurf aus dem Plenarsaal. "Wir zwei diskutieren hier nicht. Sonst können Sie den Saal hier verlassen", sagte die Parteifreundin des Kanzlers. Auch andere AfD-Abgeordnete wurden während der Debatte ermahnt.

Wortbruch-Vorwurf beim Thema Stromsteuer

Wortbruch warf Weidel Merz beim Thema Stromsteuer vor, die zunächst nicht, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, für alle gesenkt werden soll. "Ihr Wort ist nichts wert, selbst wenn es schwarz auf weiß in Ihrem dürftigen Koalitionsvertrag steht", sagte Weidel. Sie nannte Merz einen "Papierkanzler", der sich von der SPD vorführen lasse. Seine Kanzlerschaft gehe "als größter Wahlbetrug in die deutsche Geschichte ein".

In ihrer Rede griff sie die Regierung auch bei der Migrationspolitik an und sprach von "migrationspolitischen Schaufensterübungen". Die veranlassten Grenzkontrollen seien mangelhaft, die Einschränkungen beim Familiennachzug "homöopathisch". Weidel zeichnete ein düsteres Bild des Landes und erwähnte Messerangriffe, Sexualdelikte, Übergriffe in Freibädern und schlechte Zuständen an Schulen. "Die Islamisierung schreitet rasend und aggressiv voran", sagte Weidel weiter.

Merz sieht Stimmungsumschwung durch neue Regierung

"Wir haben viel angepackt, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun", bilanzierte Merz die ersten zwei Monate seiner Regierungszeit. Schwarz-Rot wolle allen Menschen in Deutschland, "den Mut und die Zuversicht vermitteln", dass es sich lohne in diesem Land zu arbeiten und es ein großes Glück sei, hier in Frieden und Freiheit zu leben. "Wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen", sagte Merz. "Wir wollen, dass Deutschland ein offenes ein liberales, ein freiheitliches Land bleibt und wir wollen vor allem, dass Deutschland ein tolerantes Land bleibt." Mit der Budgetplanung werde auch der Grundstein für weitere erhebliche Investitionen im Land gelegt, und die neue Regierung habe damit "die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet", verteidigte Merz die dafür beschlossenen zusätzlichen Schuldenaufnahmen.

Merz hob in seiner Rede die Entscheidung der Regierung für wesentlich mehr Verteidigungsausgaben in Deutschland hervor. Man habe in EU und NATO eine Führungsverantwortung übernommen, und die im März beschlossene Verfassungsänderung ermögliche, erhebliche Anstrengungen zur Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu unternehmen. "Wenn wir das nicht getan hätten und wenn wir nicht mehr bereit gewesen wären, für unsere Verteidigung auszugeben, wenn wir AfD und Linkspartei gefolgt wären, dann wäre die Nato wahrscheinlich im 70. Jahr unserer Mitgliedschaft auseinandergebrochen." Noch in seiner vorherigen Besetzung hatte das deutsche Parlament unter anderem eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert.

Kritik von Linkspartei und Grünen

Kritik am Budget übten neben der AfD auch die beiden kleineren Oppositionsparteien. Die Koalition liefere einen "Haushalt der Hoffnungslosigkeit", sagte Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Sie kritisierte die vorgesehene massive Aufrüstung sowie Steuergeschenke für Superreiche und Konzerne. "Jeder Cent, der in die Rüstung fließt, fehlt an anderer Stelle", warnte sie.

Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte vor allem die Klimapolitik der Koalition und thematisierte die umstrittenen Maskenkäufen in der Corona-Zeit des damaligen Gesundheitsministers und heutigen Unionsfraktionschefs Spahn. Dem Kanzler warf sie vor, dabei wegzuschauen. Spahn selbst verteidigte dagegen seinen damaligen Kurs und wies die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zurück.

Zusammenfassung
  • Alice Weidel (AfD) sorgte in der Budgetdebatte des Bundestags am Mittwoch mit scharfen Angriffen auf Kanzler Friedrich Merz, darunter der Vorwurf des 'Wahlbetrugs' und die Bezeichnung als 'Lügenkanzler', für Empörung.
  • SPD-Fraktionschef Matthias Miersch forderte nach Weidels Rede ein Verbotsverfahren gegen die AfD und warf ihr Rassismus sowie verfassungsfeindliches Verhalten vor.
  • Bundestagspräsidentin Julia Klöckner mahnte einen respektvollen Umgangston an und drohte Weidel wegen Zwischenrufen mit dem Rauswurf aus dem Plenarsaal.
  • Friedrich Merz verteidigte die Haushalts- und Finanzplanung der neuen Regierung, hob die zusätzlichen Verteidigungsausgaben und die im März beschlossene Verfassungsänderung hervor.
  • Auch Linke und Grüne kritisierten das Budget, wobei sie vor allem massive Aufrüstung, Steuergeschenke für Reiche, die Klimapolitik sowie umstrittene Maskenkäufe während der Corona-Zeit bemängelten.