APA/APA/AFP (Archivbild vom 29.06.2021/Treffen in Madrid)/OSCAR DEL POZO

Spanien und Katalonien eröffnen Dialog

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Wenige Tage nach den Massenprotesten für Kataloniens Unabhängigkeit haben einander am Mittwoch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und Kataloniens separatistischer Regionalchef Pere Aragones zu Gesprächen in Barcelona getroffen. Beide wollten die Ziele und Abläufe des seit über eineinhalb Jahren verwaisten "Dialogtischs" vereinbaren, der direkt im Anschluss an das Treffen auf höchster Ebene zusammenkam.

Die Pandemie hatte die Reihenfolge der Prioritäten verändert. Zunächst galt es die Coronakrise zu überwinden und die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben. Doch nun sei es an der Zeit, dass sich Spanien und Katalonien wieder treffen, erklärte Premier Sánchez nach der Zusammenkunft.

"Das Wesen der Demokratie besteht darin, zu diskutieren, zu verhandeln und zu vereinbaren", hatte Sánchez bereits im Vorfeld die Bedeutung des Treffens umrissen, mit dem beide Seiten zunächst die im Zuge der katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen gewachsenen politischen Spannungen zwischen Madrid und Barcelona abbauen wollen.

Das Problem: Die Endziele der Verhandlungspartner liegen sehr weit auseinander. "Wir vertreten weiterhin sehr distanzierte politische Positionen zur Lösung der politischen Krise in Katalonien", gab Sánchez nach dem Treffen zu. Während Aragones und seine separatistischen Linksrepublikaner (ERC) das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens einfordern und Sánchez zu einem ausgehandelten, legalen Unabhängigkeitsreferendum drängen wollen, möchte dieser höchstens mehr Autonomie zugestehen und die Finanzierung der Region verbessern.

Sánchez bat Aragones erneut, keine festen Ziele und Zeitpläne anzukündigen oder einzufordern, "die erneut zu Frustration führen könnten". Die Probleme können nicht von heute auf morgen gelöst werden, so Sánchez. "Das Wiederzusammenfinden ist das Ziel, der Dialog der Weg", erklärte Spaniens Premier.

Sánchez will sich nicht unter Druck setzen lassen. Für seine linke Minderheitsregierung ist der "Dialogtisch" tatsächlich ein politisch heißes Eisen. Spaniens konservativer Oppositionsführer Pablo Casado (PP) warf Sánchez wegen der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Separatisten "Verrat" an Spanien vor.

Auch unter vielen Spaniern herrscht eine große Skepsis über den Sinn eines Dialogtischs, an dem die Separatisten anscheinend nur über das Unabhängigkeitsreferendum diskutieren wollen, welches für Sánchez offiziell eine "rote Linie" ist. Bereits die Begnadigung inhaftierter Separatistenführer, die für Aragones eine Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Gespräche war, sorgte für Verstimmung bei einer Mehrheit der Bevölkerung.

Dennoch warnte ERC-Fraktionssprecher Gabriel Rufian die Sozialisten am Mittwoch vor einem Scheitern des "Dialogtischs": "Wenn die Verhandlungen scheitern, scheitert nicht der Separatismus, sondern Spaniens Linke, und Vox und PP werden an die Macht kommen", prophezeite Rufian.

Aber die Linksrepublikaner und Aragones stehen auch unter Druck. Bei den vergangenen Wahlen übernahmen sie innerhalb des regierenden Separatistenblocks von Carles Puigdemonts JxCat-Partei die Vormacht. Aragones Linksrepublikaner wollen wie die JxCat ein Unabhängigkeitsreferendum - allerdings ein mit Madrid ausgehandeltes. Unterdessen setzt JxCat weiterhin auf den Frontalkurs mit Madrid. So wollte die Partei auch drei der amnestierten Ex-Politiker an den Verhandlungstisch am Mittwoch schicken.

Aragones weigerte sich, da mit Madrid ein bilateraler Dialog auf Regierungsebene ausgehandelt war und die drei ehemaligen Politiker Amtsverbot haben und nicht der Regionalregierung angehören. Prompt blieben sämtliche JxCat-Vertreter dem Dialogtisch fern. "Von Beginn an war Puigdemonts Formation dagegen. Der Richtungsstreit sorgt im Separatistenblock für Streit und erhöht den Druck auf Aragones, bald greifbare Fortschritte aufweisen zu müssen", erklärt der katalanische Politologe Oriol Bartomeus im Gespräch mit der APA.

Erst am Samstag protestierten Hunderttausende Katalanen in Barcelona für die Unabhängigkeit der 7,5 Millionen Einwohner zählenden Mittelmeerregion. Laut Umfragen ist rund die Hälfte der Bevölkerung für, die andere Hälfte gegen die Loslösung von Spanien.

Im Oktober 2017 führte die damalige Regionalregierung von Carles Puigdemont ein illegales Unabhängigkeitsreferendum durch. Danach wurde die Region unter Zwangsverwaltung gestellt, die Regionalregierung aufgelöst. Puigdemont floh vor der Justiz ins belgische "Exil". Mehrere seiner Minister würden wegen Aufruhrs allerdings zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und erhielten erst vor wenigen Monaten von der Regierung eine Begnadigung.

ribbon Zusammenfassung
  • Wenige Tage nach den Massenprotesten für Kataloniens Unabhängigkeit haben einander am Mittwoch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und Kataloniens separatistischer Regionalchef Pere Aragones zu Gesprächen in Barcelona getroffen.
  • Beide wollten die Ziele und Abläufe des seit über eineinhalb Jahren verwaisten "Dialogtischs" vereinbaren, der direkt im Anschluss an das Treffen auf höchster Ebene zusammenkam.

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