Sobotka ortet Antisemitismus-Problem bei Coronademos

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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sorgt sich um die Entwicklungen bei den Demonstrationen von Gegnern der Coronamaßnahmen. "Menschen, die Corona leugnen und Verschwörungstheorien anhängen, sind in ihrer Grundhaltung deutlich antisemitischer", sagte er im APA-Gespräch mit Verweis auf die Antisemitismusstudie des Parlaments. Für ihn kommt Antisemitismus "aus der Mitte der Gesellschaft", an den Rändern werde er nur sichtbar.

Die meisten Demonstranten würden gar nichts über Juden wissen, betont Sobotka. Dennoch werde oft die Theorie einer Weltverschwörung bemüht: "Da geht es um eine Jahrhunderte alte negative kulturelle Grundhaltung. Die Antithese zum Guten ist immer der Jude." Entgegenhalten könne man dieser Entwicklung nur mit Aufklärung und Bildung. "Junge Leute, die gut ausgebildet sind, sind auch weniger antisemitisch", befindet der Nationalratspräsident.

Für Sobotka haben die Anti-Corona-Demonstrationen auch einen "starken antidemokratischen Einschlag". Dies sei auch einer der Gründe, warum er sich selbst bei diesem Thema sehr engagiere. "Ich bin nicht so vermessen, dass ich glaube, wir können den Antisemitismus ausrotten. Es muss uns gelingen, dass das Aufschäumen des Bodensatzes verhindert wird." Etwa dann, "wenn im Gasthaus antisemitische Witze gemacht werden und einer aufsteht und sagt, das hat hier keinen Platz".

Dabei meint Sobotka längst nicht nur die rechtsextreme Szene, wohin man den Antisemitismus nach 1945 ausschließlich verortet habe. So sei diese Einstellung auch schon seit Jahrzehnten in der linken Szene populär. "Und wir haben seit den 90er-Jahren durch Migration einen importierten Antisemitismus aus jenen Ländern, wo dieser zur Staatsdoktrin gehört." Natürlich sei dies aber nicht bei allen Zuwanderern aus diesen Gegenden der Fall, betont Sobotka.

Auch die Freiheitlichen sieht Sobotka in der Pflicht, wenn es um Antisemitismus oder Verschwörungserzählungen wie jene zum "tiefen Staat" ("Deep State") geht. "Die FPÖ ist, so wie ich sie jetzt wahrnehme, doch tief gespalten. Da gibt es wahnsinnig viele Strömungen", befindet er. Immerhin habe die Partei versucht, mittels Historikerbericht ihre Geschichte aufzuarbeiten, was aber noch lange nicht abgeschlossen sein könne. "Der Historikerbericht, den sie geliefert haben, ist ja doch nur ein Erstbericht."

Auch in diesem Jahr wird der Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen am 5. Mai wegen der Coronapandemie in kleinem Rahmen stattfinden. Da eine Veranstaltung nicht möglich ist, treten nur die Mitglieder der Präsidialen von National- und Bundesrat zu einer Sondersitzung zusammen. Im Mittelpunkt stehen zwei Projekte: "Gegen das Vergessen" von Luigi Toscano und das jüdische Dialogprojekt LIKRAT.

"Als Nationalratspräsident und Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds, ist es mir ein zentrales Anliegen, Antisemitismus in jeglicher Form entschlossen entgegenzutreten und dazu beizutragen, einen gesamtgesellschaftlich wirksamen Gegenentwurf zu schaffen", so Sobotka. Aus diesem Grund habe das Parlament auch den Simon-Wiesenthal-Preis ins Leben gerufen, der heuer zum ersten Mal für zivilgesellschaftliches Engagement vergeben wird."

Sobotkas Appell: "Wir müssen das öffentliche Bewusstsein dafür stärken, dass jüdisches Leben, jüdische Kultur und Geschichte ein wesentlicher Teil der Identität Österreichs sind. Dies zu erreichen, fordert unser aller Verantwortung, insbesondere auch die des Parlaments."

Kritik an Sobotkas Aussagen kam von der FPÖ. Der Nationalratspräsident instrumentalisiere den bevorstehenden Gedenktag für Attacken auf Regierungskritiker und die Opposition, befand deren Generalsekretär Michael Schnedlitz. Dies sei "beschämend und widerlich". Schnedlitz empfahl Sobotka, "die kriminellen und totalitären Tendenzen in seiner eigenen Partei genauer zu untersuchen und sich als Nationalratspräsident klar vom antidemokratischen Kurs dieser Bundesregierung zu distanzieren".

ribbon Zusammenfassung
  • Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sorgt sich um die Entwicklungen bei den Demonstrationen von Gegnern der Coronamaßnahmen.
  • "Menschen, die Corona leugnen und Verschwörungstheorien anhängen, sind in ihrer Grundhaltung deutlich antisemitischer", sagte er im APA-Gespräch mit Verweis auf die Antisemitismusstudie des Parlaments.
  • Die meisten Demonstranten würden gar nichts über Juden wissen, betont Sobotka.