APA/Stefan Vospernik

Schweden will Asylproblem durch gemeinsames EU-System lösen

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Den Stacheldraht sieht man erst auf den zweiten Blick, und der Vollzug ist liberal. Freie Bewegung im Gebäude, vier Mahlzeiten am Tag, ärztliche Versorgung. Doch aus dem Haftzentrum Märsta gibt es nur einen Weg hinaus - zum nahe gelegenen Flughafen Stockholm. Bis zu zwölf Monate kann Schweden abgelehnte Asylbewerber festhalten, länger als etwa in Österreich. Doch ausgerechnet die in Migrationsfragen eigenwilligen Schweden drängen auf ein einheitliches EU-Asylsystem.

Obwohl das künftige EU-Ratsvorsitzland derzeit nicht so stark von irregulärer Migration betroffen ist wie Österreich, ist die Erinnerung an die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 immer noch wach. Damals war das skandinavische Land gemessen an seiner Bevölkerungszahl der EU-Spitzenreiter bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Für die staatliche Migrationsbehörde (Migrationsverket) war das durchaus herausfordernd, wie ihr Generaldirektor Mikael Ribbenvik im Gespräch mit EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) berichtet. Er sieht es als Vorteil, dass seine Behörde alle Zuständigkeiten im Bereich Migration - von Antragstellung bis Unterkunft und eben auch Abschiebung - bündelt. Damit könne man im Krisenfall flexibler agieren.

Ribbenvik lässt im Gespräch eine klare Präferenz für ein einheitliches EU-Asylsystem erkennen. Viele Mitgliedsstaaten stehen dieser Idee traditionell skeptisch gegenüber - auch Österreich. "Es gibt so viel sekundäre Migration, weil die Unterschiede so groß sind", sagt er mit Blick auf die unterschiedlichen Anerkennungsquoten für Asylbewerber in den einzelnen Mitgliedsstaaten. "Die Entscheidungen unterscheiden sich, das müssen wir ausgleichen", so Ribbenvik, der auch Vorsitzender des Leitungsgremiums der EU-Asylagentur EUAA ist. "Aber ich bin Beamter, kein Politiker", stellt er seine Rolle klar.

Die auf Malta angesiedelte EU-Behörde fristet seit Jahren ein Papiertiger-Dasein, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht in ihre Asylsysteme hineinregieren lassen wollen. Gemeinsame Regeln und Standards sind nur ein frommer Wunsch. Nach Ansicht von Kritikern werden die Migranten so geradezu eingeladen, "Asylshopping" quer durch Europa zu betreiben. Ribbenvik zeigt sich vor diesem Hintergrund zuversichtlich, "dass es letzten Endes ein gemeinsames Asylsystem geben wird". Schon jetzt gelinge es den 27 Mitgliedsstaaten im Rahmen der EU-Asylagentur, bei völlig unterschiedlichen Interessen gemeinsame Entscheidungen zu finden. Aktuelles Projekt ist die Ausarbeitung einer gemeinsamen Liste von sicheren Drittstaaten - mit reinem Empfehlungscharakter, versteht sich.

Edtstadler erinnert die derzeitige Diskussion an die Zeit, als sich die an der EU-Außengrenze liegenden Staaten gegen den Einsatz von Beamten der Grenzschutzagentur Frontex gewehrt haben. Das sei vorbei. "Man hat verstanden, dass wir das nur gemeinsam lösen können", sagt die Ministerin. "Es wird Lösungen geben müssen. Die Zahlen schießen jetzt in die Höhe, und das wird wieder passieren."

"Wesentlich ist, Migration zu regeln", betont Ribbenvik. Europa müsse seine internationalen Verpflichtungen einhalten und dürfe "niemanden in den Tod schicken", doch dürfe man die einheimische Bevölkerung nicht durch unregulierte Einwanderung "erschrecken". Auch müsse strikt zwischen Asyl und Arbeitsmigration unterschieden werden. Der Behördenleiter bringt dann aber gleich das Beispiel eines EU-Staates, das diesem Grundsatz derzeit zuwiderhandelt. Irland etwa erlaube abgelehnten Asylbewerbern, im Land zu bleiben, "weil Arbeitskräfte gebraucht werden". "Auf der einen Seite will man restriktiv gegenüber Migration sein, und auf der anderen gibt es demografischen Rückgang", erläutert er den Zwiespalt.

Eine wichtige Rolle müsse die Europäische Union auch beim Ausverhandeln von Rückübernahmeabkommen spielen, fordert Ribbenvik. "Bilateral ist das ein schwieriges Unterfangen, aber die EU ist mächtig." Solche Abkommen bilden - gemeinsam mit dem vielfach totgesagten Dublin-Asylabkommen - die Grundlage für Abschiebezentren wie jenes in Märsta. Knapp 2.700 Asylbewerber sind heuer durch eines der insgesamt sechs schwedischen Haftzentren gegangen, durchschnittlich dauerte ihr Aufenthalt 53 Tage. Führend sind mit der Ukraine und Georgien zwei Staaten, mit denen die EU schon seit längerem Rückübernahmeabkommen geschlossen hat.

ribbon Zusammenfassung
  • Viele Mitgliedsstaaten stehen dieser Idee traditionell skeptisch gegenüber - auch Österreich.
  • "Aber ich bin Beamter, kein Politiker", stellt er seine Rolle klar.
  • Schon jetzt gelinge es den 27 Mitgliedsstaaten im Rahmen der EU-Asylagentur, bei völlig unterschiedlichen Interessen gemeinsame Entscheidungen zu finden.
  • Eine wichtige Rolle müsse die Europäische Union auch beim Ausverhandeln von Rückübernahmeabkommen spielen, fordert Ribbenvik.

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