APA/APA (AFP/Archiv)/JANE BARLOW

Schottlands Regierungschefin gewann Misstrauensabstimmung

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Sechs Wochen vor der schottischen Parlamentswahl hat Regierungschefin Nicola Sturgeon eine Misstrauensabstimmung gewonnen. Eine Mehrheit der Abgeordneten votierte am Dienstag im Parlament in Edinburgh gegen den Antrag der Konservativen. Schottland wählt am 6. Mai. Sturgeons Schottische Nationalpartei (SNP) hofft auf eine Mehrheit und will dann ein neues Unabhängigkeitsreferendum durchsetzen. Der britische Premierminister Boris Johnson lehnt eine Volksbefragung strikt ab.

Die Oppositionspartei warf Sturgeon vor, das Parlament in die Irre geführt zu haben. Ein am Dienstag veröffentlichter Bericht eines Ausschusses stützte die Vorwürfe - ein unabhängiges Rechtsgutachten hatte Sturgeon hingegen entlastet. Die 50-Jährige wies die Anschuldigungen als parteipolitisch motiviert zurück. Hintergrund ist eine Affäre um Sturgeons Vorgänger Alex Salmond. Er war vor rund einem Jahr vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung und der sexuellen Belästigung freigesprochen worden. Nun stand die Frage im Raum, ob Sturgeon in dem Fall richtig gehandelt hat. Sie hatte angegeben, erst spät von den Vorwürfen gegen ihren politischen Ziehvater Salmond erfahren zu haben. Das sieht der Ausschuss anders.

Mit dem Abstimmungsergebnis geht Sturgeon mit Rückenwind in die heiße Phase vor der Regionalwahl in sechs Wochen. Die scharfen Vorwürfe der Opposition kratzen nur oberflächlich am Image der beliebten Politikerin. "Insgesamt scheint Nicola Sturgeon ziemlich gut aus der Sache hervorgegangen zu sein", sagte Kirsty Hughes, Direktorin der Denkfabrik Scottish Council on European Relations in Edinburgh, der Deutschen Presse-Agentur. Der renommierte Politologe John Curtice sagte der dpa, die Vorwürfe gegen Sturgeon seien in sich zusammengebrochen.

Der Fall wirkt knifflig. Mehrere Frauen hatten Sturgeons Vorgänger Alex Salmond versuchte Vergewaltigung und sexuelle Belästigung vorgeworfen, doch vor gut einem Jahr wurde der Ex-Regierungschef freigesprochen. Nun stellte sich die Frage, ob Sturgeon in dem Fall richtig gehandelt hat - und wann sie von den Vorwürfen erfahren hat. Salmond warf seiner einstigen Vertrauten vor, sie habe ihn politisch kaltstellen wollen, und die oppositionellen Konservativen stürzten sich begierig auf den Streit. Sturgeon aber wies alle Anschuldigungen zurück, das unabhängige Gutachten bestätigte sie.

Nun kann sich die Regierungschefin wieder der wichtigen Regionalwahl widmen. Ihre Schottische Nationalpartei (SNP) hofft bei der Abstimmung am 6. Mai auf die absolute Mehrheit, um dann ihre Forderung nach einem neuen Unabhängigkeitsreferendum zu verstärken. Doch nachdem die SNP in Umfragen zeitweise mit deutlichem Vorsprung geführt hatte, ist das Rennen nun wieder offen. Der Politikwissenschaftler Curtice vermutet, dass der parteiinterne Streit die SNP zwei bis drei Prozentpunkte kosten dürfte. "Es war offensichtlich eine langwierige, unordentliche und politisch schädliche Affäre", sagte Expertin Hughes.

Wichtig sei, dass wieder der Wahlkampf im Vordergrund stehen könne, sagte Curtice. "Unabhängigkeit, Brexit, Coronavirus: Diese Fragen sollten nun wieder behandelt werden." Diese Themen sprechen vor allem für Sturgeon. Ihr Krisenmanagement in der Corona-Krise wird von den Schotten über die Parteigrenzen hinweg geschätzt, wie Umfragen wiederholt gezeigt haben. Mit ihrem Ziel, Schottland wieder in die EU zu führen, trifft Sturgeon ebenfalls einen Nerv - denn den Brexit lehnt eine deutliche Mehrheit der Schotten ab. Hinzu kommt: Ihr wichtigster Gegenspieler, der britische Premierminister Boris Johnson, ist in Schottland äußerst unbeliebt. Wohl auch deshalb will Johnsons Sprecherin die Vorgänge im Norden nicht kommentieren.

Der Premier rüstet sich unterdessen für eine harte Debatte. Die Regierung in London beharrt darauf, dass sie letztlich entscheidet, ob Schottland nach 2014 zum zweiten Mal über eine Loslösung abstimmen darf. Beim ersten Mal votierte eine knappe Mehrheit gegen die Loslösung - und Johnson lehnt eine Wiederholung strikt ab. Doch die SNP ist der Meinung, dass sich wegen des Brexits die Vorzeichen geändert haben und außerdem das schottische Parlament über ausreichend Befugnisse verfüge. Einen Gesetzentwurf, welche Frage bei einer Volksbefragung gestellt werden soll, hat die Regionalregierung bereits präsentiert.

ribbon Zusammenfassung
  • Sechs Wochen vor der schottischen Parlamentswahl hat Regierungschefin Nicola Sturgeon eine Misstrauensabstimmung gewonnen.
  • Eine Mehrheit der Abgeordneten votierte am Dienstag im Parlament in Edinburgh gegen den Antrag der Konservativen.
  • Der britische Premierminister Boris Johnson lehnt eine Volksbefragung strikt ab.
  • Nun stellte sich die Frage, ob Sturgeon in dem Fall richtig gehandelt hat - und wann sie von den Vorwürfen erfahren hat.

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