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Russland gibt Angriff auf Hafen von Odessa zu

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Nach einem Dementi hat sich Russland nun doch zum Angriff auf den Hafen von Odessa bekannt. Man habe auf "militärische Infrastruktur" gezielt, teilte das russische Außenministerium am Sonntag mit. Der Angriff vom Samstag erfolgte wenige Stunden, nachdem die Kriegsparteien ein Abkommen zur Ermöglichung von Getreideexporten geschlossen hatten, das Angriffe auf Häfen untersagt. In den drei Häfen wurde indes mit Vorbereitungsarbeiten für die Ausfuhr begonnen.

Noch am Samstag hatte Moskau nach türkischen Angaben erklärt, nicht mit dem Angriff zu tun zu haben. Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte nun, bei dem Angriff seien "hochpräzise" Kalibr-Waffen eingesetzt worden. Dabei sei militärische Infrastruktur zerstört worden, konkret ein Kriegsschiff der Ukraine. Das russische Verteidigungsministerium präzisierte später, dass auch von den USA gelieferte Anti-Schiff-Raketen des Typs Harpoon zerstört worden seien. Moskau hatte sich in dem am Freitag in Istanbul unter türkischer und UNO-Vermittlung unterzeichneten Abkommen dazu verpflichtet, den Hafen von Odessa und zwei weitere ukrainische Häfen nicht anzugreifen, um Getreideausfuhren zu ermöglichen.

Die ukrainische Hafenbehörde teilte am Sonntag mit, dass in den Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschnyj mit Arbeiten für die Wiederinbetriebnahme begonnen wurde. Zuvor hatte der ukrainische Präsidentenberater Oleh Ustenko gesagt, dass die russischen Angriffe die Umsetzung des Exportabkommens erschwerten. Die Ukraine könnte 60 Millionen Tonnen Getreide im Lauf von acht bis neun Monaten ausführen, sollte die Blockade der Schwarzmeerhäfen tatsächlich aufgehoben werden, sagte Ustenko am Sonntag im ukrainischen Fernsehen. Sollte Russland das Abkommen über die Freigabe der Exporte aber nicht einhalten, werde Transport 20 bis 24 Monate in Anspruch nehmen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte die Angriffe als einen Akt "offensichtlicher russischer Barbarei". Die Schläge seien ein weiterer Grund dafür, der Ukraine solche Waffen zu geben, "die für unseren Sieg notwendig sind", sagte der Staatschef in seiner am Samstagabend veröffentlichten Videobotschaft. Russland habe sich politisch bloßgestellt. "Wenn irgendjemand auf der Welt früher gesagt hat, dass es notwendig ist, mit Russland in Dialog zu treten, Vereinbarungen zu treffen über eine Waffenruhe, ohne unser Gebiet von den Besatzern zu befreien, dann haben die heutigen Raketen die Möglichkeit solcher Aussagen zerstört", sagte er.

Selenskyj wandte sich am Sonntag in einer weiteren Botschaft an seine Bürger. Genau fünf Monate nach Kriegsbeginn zeigte er sich siegesgewiss. "Dieser Krieg hat die Ukraine nicht gebrochen und wird sie nicht brechen. Wir werden nicht aufgeben. Wir werden schützen, was uns gehört. Wir werden gewinnen", sagte er auf Telegram. Am Vorabend hatte er erklärt, der 150. Kriegstag sei wie viele andere auch gewesen. Neben den Raketenangriffen auf Odessa habe es schwere Gefechte im Donbass und im Gebiet Charkiw gegeben. Dennoch sei auch sichtbar, dass sich die Ukraine in Richtung Sieg bewege. Vor allem zeige sich das in der Region Cherson im Süden. "Die Streitkräfte der Ukraine bewegen sich Schritt für Schritt in dem Gebiet vorwärts", sagte er.

Der ukrainische Generalstab berichtete am Sonntag, dem 151. Tag des Krieges, von neuen Angriffen von russischer Seite mit Schwerpunkt in den Gebieten Donezk und Charkiw. Teils seien die Eindringlinge zurückgedrängt worden, hieß es. Laut dem britischen Geheimdienst konnten die Invasoren im Bereich Bachmut "minimale Fortschritte" erzielen. Wie die ukrainische Agentur Ukrinform weiter berichtete, wurden am Sonntag zwei Schulen in den Orten Kostiantyniwka und Bachmut durch russischen Beschuss zerstört. Drei russische Kalibr-Raketen seien in der Region Chmelnytzkyj abgefangen worden. Am Samstag seien durch russischen Artilleriebeschuss in der Region Mykolajiw zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt worden.

Laut ukrainischer Armee wurden in den fünf Monaten seit Kriegsbeginn insgesamt 39.520 russische Soldaten getötet. Zudem seien 1.722 russische Panzer, 3.942 gepanzerte Kampffahrzeuge, 869 Artilleriesysteme, 255 Flugabwehrraketensysteme, 113 Luftverteidigungseinheiten, 221 Kampfflugzeuge, 188 Hubschrauber und 15 Kriegsschiffe zerstört worden, wie die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform mitteilte. Von unabhängiger Seite ließen sich diese Zahlen zunächst nicht bestätigen.

Nach führenden EU-Vertretern übten auch die USA scharfe Kritik an Russland. Nur einen Tag nach der Vereinbarung über die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer habe Russland seine Verpflichtungen gebrochen, teilte US-Außenminister Antony Blinken am Samstag (Ortszeit) mit. "Dieser Angriff lässt ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit des russischen Engagements für die gestrige Vereinbarung aufkommen." Der Beschuss untergrabe die Arbeit der Vereinten Nationen, der Türkei und der Ukraine, um wichtige Nahrungsmittel auf die Weltmärkte zu bringen.

In dem Getreideabkommen hatte Russland zugesichert, Schiffe für den Export über einen Seekorridor fahren zu lassen und nicht zu beschießen. Auch die drei beteiligten Häfen dürfen demnach nicht angegriffen werden. Es geht dabei unter anderem um die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide. Die unter der Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei unterzeichnete Einigung sieht vor, die Exporte von einem Kontrollzentrum in Istanbul überwachen zu lassen.

ribbon Zusammenfassung
  • Man habe auf "militärische Infrastruktur" gezielt, teilte das russische Außenministerium am Sonntag mit.
  • Der Angriff vom Samstag erfolgte wenige Stunden, nachdem die Kriegsparteien ein Abkommen zur Ermöglichung von Getreideexporten geschlossen hatten, das Angriffe auf Häfen untersagt.
  • Neben den Raketenangriffen auf Odessa habe es schwere Gefechte im Donbass und im Gebiet Charkiw gegeben.
  • Vor allem zeige sich das in der Region Cherson im Süden.

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