Russische Gelder für Kiew: Wien und Helsinki zuversichtlich
Alles in allem gelte es, die Unterstützung für die Ukraine fortzusetzen, nun sei aber erst mal die EU-Kommission am Zug, so Plakolm. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im September vorgeschlagen, rund 140 Milliarden Euro russischer Zentralbankgelder, die in Belgien eingefroren sind, für Kredite an die Ukraine zu nutzen. Russland soll demnach erst dann wieder auf das Geld zugreifen können, wenn es Reparationen an Kiew zahlt. Haften würden zunächst die EU-Staaten für das Geld. Die Ukraine müsste das Geld nur zurückzahlen, wenn Russland ihr Kriegsreparationen zahlt. Beim jüngsten EU-Gipfel Ende Oktober wurde die Frage aufgrund der Bedenken Belgiens auf Dezember vertagt.
Beide Minister betonten weiters die gemeinsamen Interessen von Österreich und Finnland bei den Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es einerseits notwendig sei öffentliche Ausgaben zu kürzen und andererseits das größte EU-Budget aller Zeiten verlangt werde, sagte Plakolm. Strand betonte, dass es wichtig sei, vor allem die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu erhöhen, denn "nur ein wirtschaftlich starkes Europa" könne ein Garant für die Sicherheit des Kontinents sein.
Bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der 30-jährigen EU-Mitgliedschaft von Österreich und Finnland hatten sich Plakolm und Strand am Donnerstagvormittag in der Oesterreichischen Nationalbank in Wien klar für einen baldigen EU-Beitritt von Montenegro und Albanien ausgesprochen. Es gehe um die Glaubwürdigkeit der EU, immerhin habe man dem Westbalkan vor über 20 Jahren eine EU-Beitrittsperspektive gegeben, sagte Plakolm.
"Wir müssen unsere Versprechen erfüllen", betonte die Europaministerin. Ein Beitritt wäre auch ein Signal für die anderen Staaten der Region, die Hoffnung nicht zu verlieren, und würde diese ermuntern, den Reformprozess fortzusetzen. Plakolm sprach sich auch dafür aus, im Beitrittsprozess in Clustern vorzugehen und hier auf qualifizierte Mehrheiten zu setzen, da bilaterale Probleme oft noch den ganzen Erweiterungsprozess behinderten. Man könnte auch Schritte setzen, um etwa Studenten aus Albanien die Teilnahme am Programm Erasmus+ zu ermöglichen oder die Länder des Westbalkans in die EU-Roaming-Zone zu integrieren, schlug Plakolm vor.
Es gebe Umfragen, wonach die Österreicher bezüglich der EU-Erweiterung sehr kritisch seien, hier sei daher noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, konstatierte Plakolm. "Es ist wichtig, dort hinzugehen, wo die Leute skeptisch sind", betonte die Europaministerin und verwies hierbei auf die Arbeit der über 2.000 EU-Gemeinderäte in Österreich, die Informationen über die Europäische Union der Bevölkerung näher bringen sollen. Dennoch sei es wichtig, dass die EU weiter wachse und etwa die Westbalkanländer, die Ukraine und Moldau aufnehme, "denn wenn wir uns nicht um diese Länder bemühen, werden andere Länder wie Russland oder China dort stärkeres Gewicht bekommen".
Auch Strand sprach sich für einen graduellen Integrationsprozess aus. "Wir müssen zu einer Art qualifizierter Abstimmung übergehen, anstatt auf Ungarn zu warten", sagte der finnische Europaminister. "Wir können diese Länder nicht noch zehn oder 20 Jahre warten lassen." Wenn die Beitrittskandidaten die notwendigen Schritte setzten, müsse dies auch die EU tun. Gerade beim Erweiterungsprozess bleibe aber die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit von besonderer Bedeutung.
"Russland wird längerfristig eine Bedrohung bleiben"
Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine habe sich die Meinung der Finnen bezüglich eines Beitritts zur NATO komplett gedreht, sagte Strand. Vorher hätte es keine Mehrheit für einen NATO-Beitritt gegeben, bei der Abstimmung im Parlament votierten dann jedoch 188 von 200 Abgeordneten für einen Beitritt zum westlichen Sicherheitsbündnis.
Angesichts der gegenwärtigen Bedrohung durch Russland habe aber auch die EU in Zukunft eine sicherheitspolitisch größere Rolle, so Strand. Von den Beitrittskandidaten müsse man daher verlangen, dass sie die europäische Sicherheitspolitik unterstützten, betonte Strand. Denn auch "wenn wir alle bald auf einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg hoffen, wird Russland eine längerfristige Bedrohung bleiben".
Zusammenfassung
- Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) und ihr finnischer Amtskollege Joakim Strand zeigten sich in Wien zuversichtlich, dass rund 140 Milliarden Euro eingefrorene russische Zentralbankgelder in der EU für Kredite an die Ukraine genutzt werden können.
- Beim EU-Gipfel im Oktober wurde die Entscheidung wegen belgischer Bedenken auf Dezember verschoben, wobei die Ukraine die Mittel nur zurückzahlen müsste, wenn Russland Kriegsreparationen leistet und zunächst die EU-Staaten haften würden.
