"Rotspanier" im KZ Mauthausen: In Spanien lange vergessen
Im Herbst 1938 verloren die von den Internationalen Brigaden verstärkten republikanischen Streitkräfte in der "Guerra Civil" eine entscheidende Schlacht am Ebro. In Folge bahnte sich der Sieg der Faschisten unter dem Kommando des klerikalnationalistischen Generals Francisco Franco, der die fast dreijährigen Kämpfe im Juli 1936 mit einem Militärputsch gegen die vom linksbürgerlichen Präsidenten Manuel Azaña angeführte Zweite Republik entfacht hatte, an. Das "Movimiento Nacional" des späteren Diktators Franco kannte mit republikanischen, kommunistischen und anarchistischen Kämpfern und Politikern, aber auch vielen Zivilistinnen und Zivilisten in Folge keine Gnade. Exekutionen ohne jegliche Gerichtsverfahren waren an der Tagesordnung. Über 110.000 namentlich bekannte Opfer wurden in Massengräbern verscharrt.
Hunderttausende flüchteten nach der verlorenen "Batalla del Ebro" an die Grenze des Nachbarlands Frankreich, die bis zum 5. Februar 1939 Grenze geschlossen war. Dennoch gelang letztlich mehr als 300.000 geschlagenen republikanischen Soldatinnen und Soldaten die Flucht. Um die 100.000 kämpften aber weiter. Ihre Feinde waren nun die nationalsozialistischen Deutschen, sei es in der Widerstandsbewegung oder in den Truppen der Westalliierten. Ein paar wenige gingen auch in die Sowjetunion und schlossen sich der sowjetischen Roten Armee an.
Rund 15.000 wurden jedoch in Frankreich interniert. Mit der deutschen Invasion in Frankreich 1940 gab Diktator Franco dem Nazi-Regime grünes Licht, die insgesamt 15.000 gefangenen "Rotspanier" in Konzentrationslager zu internieren. Die überwiegende Mehrheit - die Angaben schwanken zwischen 7.500 bis zu 11.000 - wurden in das oberösterreichische KZ Mauthausen und das Nebenlager Gusen eingeliefert. Dort war die Todesrate 1941 enorm hoch. Beinahe 3.000 verstarben noch in diesem Jahr in Gusen. Bis Ende März 1943 wurde ihre Zahl auf etwa 500 reduziert. Insgesamt kamen fast 4.500 zu Tode.
Am 5. Mai 1945 wurde das KZ Mauthausen durch Truppen der US-Armee befreit. "Los antifascistas españoles saludan a las fuerzas liberadoras" ("Die spanischen Antifaschisten begrüßen die Befreier") stand der Überlieferung nach auf einem riesigen Transparent über dem Eingang des Konzentrationslagers. Für die 2.184 überlebenden Spanier war der Leidensweg aber auch 1945 nicht zu Ende, schließlich blieb die Diktatur von Generalísimo Franco noch 30 Jahre an der Macht. Eine Großzahl ging ins Exil nach Lateinamerika oder Frankreich. Ganz wenige ließen sich im weiteren Umkreis des KZs in Oberösterreich nieder.
Schleppende Vergangenheitsbewältigung in Spanien
Es ist bezeichnend für die schleppende Vergangenheitsbewältigung in Spanien, dass über diese KZ-Insassen und -Opfer ebenso wie über die Massengräber und den Spanischen Bürgerkrieg an sich lange geschwiegen wurde. Diskussionen und Initiativen, die in den "fosas comunes" verscharrten Opfer zu exhumieren und in würdige Grabstätten umzubetten, tauchten erst in den vergangenen 25 Jahren auf. Denn selbst nach Francos Tod im Herbst 1975 gab es einen Pakt des Stillschweigens. Derart sollte die Transición, also die Phase des Übergangs in die junge Demokratie, nicht gefährdet werden. Damit fiel auch Mauthausen in Vergessenheit.
Sozialist Zapatero 2005 als erster spanischer Premier bei KZ-Gedenken dabei
Erst mit den Bürgerinitiativen und neu gebildeten Verbänden der Angehörigen der Opfer des Regimes, die in etwa seit dem Jahr 2000 vehement eine Aufarbeitung der Verbrechen der Franco-Diktatur fordern, machte sich ein größeres Umdenken bemerkbar. Seither wird auch das Schicksal spanischer Häftlinge in Nazi-Konzentrationslagern öffentlich diskutiert. Anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung am 5. Mai 2005 weilte mit dem Sozialisten José Luis Zapatero (PSOE) zum ersten Mal ein spanischer Premier den Gedenkakten in Mauthausen bei. Es dauerte aber fast weitere 15 Jahre, bis diese Opfer von der Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez (ebenfalls PSOE) eine offizielle Anerkennung erfuhren: Im August 2019 publizierte das spanische Amtsblatt "Boletín Oficial del Estad" die Namen und Lebensdaten von 4.427 in Mauthausen und Gusen ums Leben gekommenen Spanierinnen und Spaniern.
Eine wichtige Geste stehe jedoch noch aus, erklärte die Historikerin Anna Catharina Hofmann bereits vor fünf Jahren anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung gegenüber dem "Deutschlandfunk". Von Historikern in Spanien werde kritisiert, dass diese Verbrechen in gewisser Weise externalisiert worden seien. Die Haltung sei diese: "Es ist ein NS-Verbrechen an Spaniern, damit haben die Spanier und der spanische Staat nichts zu tun." Allerdings hätte auch der spanische Staat Opfern von KZ-Haft und Zwangsarbeit zumindest eine Entschuldigung darbringen sollen, so die Ansicht vieler Experten.
Von Opferverbänden wurde jüngst sogar kritisiert, dass das Königspaar nach Mauthausen eingeladen worden sei. An dem Festakt wird auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilnehmen. Für den Franco-Opferverband ARMH ist die Anwesenheit von Felipe und Letizia am Gedenktag ethisch und moralisch nicht vertretbar, weil die spanische Monarchie eine Hinterlassenschaft der Franco-Diktatur sei. Der ARMH-Vorsitzendr Emilio Silva erinnerte daran, dass Franco angesichts seines nahenden Lebens- und damit auch Regentschaftsendes im Jahr 1969 Juan Carlos I., den Vater des aktuellen Königs, 1969 zu seinem Erben und Stellvertreter ernannt hatte. Der Bourbone Felipe sei also König von "Francos Gnaden". "Weder Juan Carlos noch Felipe VI. haben die Franco-Diktatur und ihre Verbrechen verurteilt. Deshalb wäre es gegenüber den Opferfamilien ein fehlender Respekt, wenn nun die Könige in Mauthausen Spanien vertreten", erklärte Emilio Silva dazu im Gespräch mit der APA.
Auch 1400 Freiwillige aus Österreich im Spanischen Bürgerkrieg dabei
Rund um das KZ Mauthausen und den Spanischen Bürgerkrieg gibt es aber auch eine eigene Österreich-Facette. Nach Francos Putsch im Juli 1936 hatten sich rund 1400 österreichische Freiwillige zum bewaffneten Kampf an der Seite der Spanischen Republik gemeldet. Die meisten schlossen sich den von Freiwilligen aus über 20 Nationen gebildeten" Brigadas Internacionales" an. Über 300 von ihnen bezahlten laut dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstand (DÖW) ihren Einsatz mit dem Leben. Sie fielen entweder noch während des Bürgerkriegs oder fanden danach im Widerstand gegen das NS-Regime, als Angehörige der alliierten Armeen, in deutschen Konzentrationslagern oder sogar in stalinistischen Gefängnissen den Tod.
Insgesamt 458 österreichische Spanienkämpfer wurden nach DÖW-Angaben in Konzentrationslager eingewiesen, darunter auch nach Mauthausen. Juristische Grundlage der "Schutzhaft" war ein Erlass des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes vom 25. September 1940, in dem alle Leitstellen der Staatspolizei angewiesen wurden, "reichsdeutsche und ausländische ehemalige Rotspanienkämpfer grundsätzlich festzunehmen und mindestens für die Dauer des Krieges über diese Schutzhaft zu verhängen". Mehr als 80 österreichische Spanienfreiwillige kamen im KZ ums Leben oder wurden Opfer der NS-Euthanasieaktion "14f13", im Zuge derer kranke bzw. arbeitsunfähige oder missliebige KZ-Häftlinge in Euthanasieanstalten wie etwa Schloss Hartheim mit Giftgas getötet wurden.
Prominente Spanienkämpfer Hermann Langbein und Hans Landauer
Der wohl bekannteste Spanienkämpfer aus Österreich in einem KZ war der 1912 in Wien geborene Hermann Langbein. Nach dem Rückzug der "Internationalen Brigaden" geriet er nach der Anfang 1939 erfolgten Flucht in Frankreich in Internierungshaft, von wo er später erst nach Dachau und dann nach Auschwitz überstellt wurde. Dort zählt Hermann Langbein zur internationalen Widerstandsbewegung "Kampfgruppe Auschwitz". Langbein überlebte die KZ-Haft und war 1954 ein Mitbegründer des Internationalen Auschwitzkomitees. Mit Büchern wie "Menschen in Auschwitz" und als Zeitzeuge kämpfte er bis zu seinem Tod 1995 gegen das Vergessen der NS-Verbrechen an.
Im KZ Dachau wiederum war Hans Landauer interniert. 1921 in Oberwaltersdorf (Niederösterreich) geboren, hatte er sich im Alter von 16 Jahren den "Internationalen Brigaden" angeschlossen. Landauer überlebte das KZ und trat nach dem Zweiten Weltkrieg in den Polizeidienst ein. Vor allem nach seiner Pensionierung widmete er sich bis zu seinem Tod im Jahr 2014 dem Aufbau des umfangreichen "Spanienkämpferarchivs" im DÖW.
(Von Edgar Schütz/APA)
Zusammenfassung
- Das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia besuchte die Gedenkveranstaltungen zur Befreiung des KZ Mauthausen, wo auch viele 'Rotspanier' interniert waren.
- Nach der verlorenen Schlacht am Ebro flohen über 300.000 republikanische Soldaten nach Frankreich, von denen 15.000 interniert wurden und viele später in Konzentrationslager kamen.
- Zwischen 7.500 und 11.000 Spanier wurden in das KZ Mauthausen und das Nebenlager Gusen deportiert, wo fast 4.500 von ihnen starben.
- Die Aufarbeitung der Verbrechen der Franco-Diktatur begann in Spanien erst in den 2000er Jahren, wobei 2019 die Namen von 4.427 in Mauthausen und Gusen verstorbenen Spaniern veröffentlicht wurden.
- Die Einladung des spanischen Königspaares zu den Gedenkveranstaltungen stieß auf Kritik, da die Monarchie als Erbe der Franco-Diktatur betrachtet wird.